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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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So hat auch die Kirche kein Recht Handlungen
zu belohnen oder zu bestrafen. Die bürgerlichen
Handlungen gehören dem Staat, und die eigent-
lichen religiösen Handlungen leiden, ihrer Na-
tur nach, weder Zwang noch Bestechung. Sie
fliessen entweder aus freiem Antriebe der Seele,
oder sind ein leeres Spiel, und dem wahren
Geiste der Religion zuwider.

Wenn aber die Kirche kein Eigentum hat,
wer besoldet die Lehrer der Religion? Wer loh-
net die Prediger der Gottesfurcht? -- Religion
und Sold -- Lehren der Tugend und Bezah-
lung -- Predigten der Gottesfurcht und Lohn.
Die Begriffe scheinen sich einander zu fliehen.
Was verspricht sich der Lehrer der Weisheit und
Tugend für Wirkung, so bald er bezahlt wird,
und den Meistbietenden feil ist? Was der Pre-
diger der Gottesfurcht für Eindruck, wenn er
nach Lohne ausgehet? -- Siehe, ich lehre
euch Gesetze und Rechte, so wie mich der Ewige
mein Gott
u. s. w. (V. B. M. C 4, 5.). So
wie mich mein Gott; erklären die Rabbinen,
wie er mich, ohne Entgeld; so ich euch, und
so auch ihr die Eurigen
. Bezahlen, Lohnen,
ist für diese erhabene Beschäftigung so unnatür-

lich

So hat auch die Kirche kein Recht Handlungen
zu belohnen oder zu beſtrafen. Die buͤrgerlichen
Handlungen gehoͤren dem Staat, und die eigent-
lichen religioͤſen Handlungen leiden, ihrer Na-
tur nach, weder Zwang noch Beſtechung. Sie
flieſſen entweder aus freiem Antriebe der Seele,
oder ſind ein leeres Spiel, und dem wahren
Geiſte der Religion zuwider.

Wenn aber die Kirche kein Eigentum hat,
wer beſoldet die Lehrer der Religion? Wer loh-
net die Prediger der Gottesfurcht? — Religion
und Sold — Lehren der Tugend und Bezah-
lung — Predigten der Gottesfurcht und Lohn.
Die Begriffe ſcheinen ſich einander zu fliehen.
Was verſpricht ſich der Lehrer der Weisheit und
Tugend fuͤr Wirkung, ſo bald er bezahlt wird,
und den Meiſtbietenden feil iſt? Was der Pre-
diger der Gottesfurcht fuͤr Eindruck, wenn er
nach Lohne ausgehet? — Siehe, ich lehre
euch Geſetze und Rechte, ſo wie mich der Ewige
mein Gott
u. ſ. w. (V. B. M. C 4, 5.). So
wie mich mein Gott; erklaͤren die Rabbinen,
wie er mich, ohne Entgeld; ſo ich euch, und
ſo auch ihr die Eurigen
. Bezahlen, Lohnen,
iſt fuͤr dieſe erhabene Beſchaͤftigung ſo unnatuͤr-

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[63/0069] So hat auch die Kirche kein Recht Handlungen zu belohnen oder zu beſtrafen. Die buͤrgerlichen Handlungen gehoͤren dem Staat, und die eigent- lichen religioͤſen Handlungen leiden, ihrer Na- tur nach, weder Zwang noch Beſtechung. Sie flieſſen entweder aus freiem Antriebe der Seele, oder ſind ein leeres Spiel, und dem wahren Geiſte der Religion zuwider. Wenn aber die Kirche kein Eigentum hat, wer beſoldet die Lehrer der Religion? Wer loh- net die Prediger der Gottesfurcht? — Religion und Sold — Lehren der Tugend und Bezah- lung — Predigten der Gottesfurcht und Lohn. Die Begriffe ſcheinen ſich einander zu fliehen. Was verſpricht ſich der Lehrer der Weisheit und Tugend fuͤr Wirkung, ſo bald er bezahlt wird, und den Meiſtbietenden feil iſt? Was der Pre- diger der Gottesfurcht fuͤr Eindruck, wenn er nach Lohne ausgehet? — Siehe, ich lehre euch Geſetze und Rechte, ſo wie mich der Ewige mein Gott u. ſ. w. (V. B. M. C 4, 5.). So wie mich mein Gott; erklaͤren die Rabbinen, wie er mich, ohne Entgeld; ſo ich euch, und ſo auch ihr die Eurigen. Bezahlen, Lohnen, iſt fuͤr dieſe erhabene Beſchaͤftigung ſo unnatuͤr- lich

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/69>, abgerufen am 21.11.2024.