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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Verwirrungen und Collisionen der Pflichten
entstehen sollen, die am Ende den Tugend-
haften selbst oft zur Heucheley oder Gewissen-
losigkeit führen. Jede Vergehung wider die
Vorschrift der Vernunft bleibet nicht un-
gerochen.

Wie aber? Wenn das Uebel nun einmal
geschehen ist; der Staat bestellt und besoldet
einen Lehrer auf gewisse bestimmte Lehrmei-
nungen. Der Mann findet nachher diese
Lehrmeinungen ohne Grund; was hat er zu
thun? Wie sich zu verhalten, um den Fuß
aus der Schlinge herauszuwinden, in welche
ihn ein irriges Gewissen verwickelt hat?

Drey verschiedene Wege stehen hier vor
ihm offen. Er verschließt die Wahrheit in sei-
nem Herzen, und fähret fort, wider sein bes-
seres Wissen, die Unwahrheit zu lehren; oder
er legt sein Amt nieder, ohne die Ursachen
anzugeben, warum dieses geschehe; oder end-
lich giebt er der Wahrheit ein lautes Zeugniß,
und läßt es auf den Staat ankommen, was
mit seinem Amte und mit der ihm ausgesetz-

ten

Verwirrungen und Colliſionen der Pflichten
entſtehen ſollen, die am Ende den Tugend-
haften ſelbſt oft zur Heucheley oder Gewiſſen-
loſigkeit fuͤhren. Jede Vergehung wider die
Vorſchrift der Vernunft bleibet nicht un-
gerochen.

Wie aber? Wenn das Uebel nun einmal
geſchehen iſt; der Staat beſtellt und beſoldet
einen Lehrer auf gewiſſe beſtimmte Lehrmei-
nungen. Der Mann findet nachher dieſe
Lehrmeinungen ohne Grund; was hat er zu
thun? Wie ſich zu verhalten, um den Fuß
aus der Schlinge herauszuwinden, in welche
ihn ein irriges Gewiſſen verwickelt hat?

Drey verſchiedene Wege ſtehen hier vor
ihm offen. Er verſchließt die Wahrheit in ſei-
nem Herzen, und faͤhret fort, wider ſein beſ-
ſeres Wiſſen, die Unwahrheit zu lehren; oder
er legt ſein Amt nieder, ohne die Urſachen
anzugeben, warum dieſes geſchehe; oder end-
lich giebt er der Wahrheit ein lautes Zeugniß,
und laͤßt es auf den Staat ankommen, was
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[88/0094] Verwirrungen und Colliſionen der Pflichten entſtehen ſollen, die am Ende den Tugend- haften ſelbſt oft zur Heucheley oder Gewiſſen- loſigkeit fuͤhren. Jede Vergehung wider die Vorſchrift der Vernunft bleibet nicht un- gerochen. Wie aber? Wenn das Uebel nun einmal geſchehen iſt; der Staat beſtellt und beſoldet einen Lehrer auf gewiſſe beſtimmte Lehrmei- nungen. Der Mann findet nachher dieſe Lehrmeinungen ohne Grund; was hat er zu thun? Wie ſich zu verhalten, um den Fuß aus der Schlinge herauszuwinden, in welche ihn ein irriges Gewiſſen verwickelt hat? Drey verſchiedene Wege ſtehen hier vor ihm offen. Er verſchließt die Wahrheit in ſei- nem Herzen, und faͤhret fort, wider ſein beſ- ſeres Wiſſen, die Unwahrheit zu lehren; oder er legt ſein Amt nieder, ohne die Urſachen anzugeben, warum dieſes geſchehe; oder end- lich giebt er der Wahrheit ein lautes Zeugniß, und laͤßt es auf den Staat ankommen, was mit ſeinem Amte und mit der ihm ausgeſetz- ten

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/94>, abgerufen am 21.11.2024.