viele Blößen gegeben, als er sehr geschickte Vorfech¬ ter gefunden hat. An eine Contrereformation ist zwar noch nicht zu denken, doch unverkennbar ist die vorschreitende Bewegung der katholischen Partei. In¬ deß ist diese Partei über das, was sie eigentlich will, so wenig einverstanden, als vielleicht irgend eine andre deutsche Partei, weit weniger als es die Geg¬ ner ihnen wider ihr Verdienst zutrauen. Die conse¬ quentesten werfen sich unbedingt dem Papst in die Arme; unter diesen scheinen wirklich einige sich be¬ friedigen zu wollen, wenn auch Alexander VI. wieder aufstünde, andre dagegen hoffen wenigstens immer auf den besten heiligen Vater. Keineswegs sind aber alle Verfechter des Katholicismus Ultramontanisten, und diese gemäßigte Partei ist noch immer von dem Geist jener bessern Bischöfe beseelt, die zwischen Jesuiten und Reformatoren, wie zwischen Berg und Gironde in der Mitte gern allgemeinen Frieden er¬ halten möchten. Die Männer dieser Partei wider¬ setzen sich der Tyrannei des römischen Stuhls und dem Eindringen jesuitischer Söldlinge desselben, hal¬ ten sich zu Fürsten und Volk, befördern Moral und Unterricht, und würden sich sehr leicht mit einer ge¬ wissen protestantischen Partei, welche sich im Sinn der anglikanischen Kirche dem Katholicismus nähert, verständigen, wenn die politischen Verhältnisse und zum Theil die Blindheit protestantischer Zeloten nicht undurchdringliche Scheidewände zwischen sie zögen. Außer diesen verdient allerdings die Partei der poe¬
viele Bloͤßen gegeben, als er ſehr geſchickte Vorfech¬ ter gefunden hat. An eine Contrereformation iſt zwar noch nicht zu denken, doch unverkennbar iſt die vorſchreitende Bewegung der katholiſchen Partei. In¬ deß iſt dieſe Partei uͤber das, was ſie eigentlich will, ſo wenig einverſtanden, als vielleicht irgend eine andre deutſche Partei, weit weniger als es die Geg¬ ner ihnen wider ihr Verdienſt zutrauen. Die conſe¬ quenteſten werfen ſich unbedingt dem Papſt in die Arme; unter dieſen ſcheinen wirklich einige ſich be¬ friedigen zu wollen, wenn auch Alexander VI. wieder aufſtuͤnde, andre dagegen hoffen wenigſtens immer auf den beſten heiligen Vater. Keineswegs ſind aber alle Verfechter des Katholicismus Ultramontaniſten, und dieſe gemaͤßigte Partei iſt noch immer von dem Geiſt jener beſſern Biſchoͤfe beſeelt, die zwiſchen Jeſuiten und Reformatoren, wie zwiſchen Berg und Gironde in der Mitte gern allgemeinen Frieden er¬ halten moͤchten. Die Maͤnner dieſer Partei wider¬ ſetzen ſich der Tyrannei des roͤmiſchen Stuhls und dem Eindringen jeſuitiſcher Soͤldlinge deſſelben, hal¬ ten ſich zu Fuͤrſten und Volk, befoͤrdern Moral und Unterricht, und wuͤrden ſich ſehr leicht mit einer ge¬ wiſſen proteſtantiſchen Partei, welche ſich im Sinn der anglikaniſchen Kirche dem Katholicismus naͤhert, verſtaͤndigen, wenn die politiſchen Verhaͤltniſſe und zum Theil die Blindheit proteſtantiſcher Zeloten nicht undurchdringliche Scheidewaͤnde zwiſchen ſie zoͤgen. Außer dieſen verdient allerdings die Partei der poe¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0112"n="102"/>
viele Bloͤßen gegeben, als er ſehr geſchickte Vorfech¬<lb/>
ter gefunden hat. An eine Contrereformation iſt<lb/>
zwar noch nicht zu denken, doch unverkennbar iſt die<lb/>
vorſchreitende Bewegung der katholiſchen Partei. In¬<lb/>
deß iſt dieſe Partei uͤber das, was ſie eigentlich will,<lb/>ſo wenig einverſtanden, als vielleicht irgend eine<lb/>
andre deutſche Partei, weit weniger als es die Geg¬<lb/>
ner ihnen wider ihr Verdienſt zutrauen. Die conſe¬<lb/>
quenteſten werfen ſich unbedingt dem Papſt in die<lb/>
Arme; unter dieſen ſcheinen wirklich einige ſich be¬<lb/>
friedigen zu wollen, wenn auch Alexander <hirendition="#aq">VI</hi>. wieder<lb/>
aufſtuͤnde, andre dagegen hoffen wenigſtens immer<lb/>
auf den beſten heiligen Vater. Keineswegs ſind aber<lb/>
alle Verfechter des Katholicismus Ultramontaniſten,<lb/>
und dieſe <hirendition="#g">gemaͤßigte Partei</hi> iſt noch immer von<lb/>
dem Geiſt jener beſſern Biſchoͤfe beſeelt, die zwiſchen<lb/>
Jeſuiten und Reformatoren, wie zwiſchen Berg und<lb/>
Gironde in der Mitte gern allgemeinen Frieden er¬<lb/>
halten moͤchten. Die Maͤnner dieſer Partei wider¬<lb/>ſetzen ſich der Tyrannei des roͤmiſchen Stuhls und<lb/>
dem Eindringen jeſuitiſcher Soͤldlinge deſſelben, hal¬<lb/>
ten ſich zu Fuͤrſten und Volk, befoͤrdern Moral und<lb/>
Unterricht, und wuͤrden ſich ſehr leicht mit einer ge¬<lb/>
wiſſen proteſtantiſchen Partei, welche ſich im Sinn<lb/>
der anglikaniſchen Kirche dem Katholicismus naͤhert,<lb/>
verſtaͤndigen, wenn die politiſchen Verhaͤltniſſe und<lb/>
zum Theil die Blindheit proteſtantiſcher Zeloten nicht<lb/>
undurchdringliche Scheidewaͤnde zwiſchen ſie zoͤgen.<lb/>
Außer dieſen verdient allerdings die Partei der poe¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[102/0112]
viele Bloͤßen gegeben, als er ſehr geſchickte Vorfech¬
ter gefunden hat. An eine Contrereformation iſt
zwar noch nicht zu denken, doch unverkennbar iſt die
vorſchreitende Bewegung der katholiſchen Partei. In¬
deß iſt dieſe Partei uͤber das, was ſie eigentlich will,
ſo wenig einverſtanden, als vielleicht irgend eine
andre deutſche Partei, weit weniger als es die Geg¬
ner ihnen wider ihr Verdienſt zutrauen. Die conſe¬
quenteſten werfen ſich unbedingt dem Papſt in die
Arme; unter dieſen ſcheinen wirklich einige ſich be¬
friedigen zu wollen, wenn auch Alexander VI. wieder
aufſtuͤnde, andre dagegen hoffen wenigſtens immer
auf den beſten heiligen Vater. Keineswegs ſind aber
alle Verfechter des Katholicismus Ultramontaniſten,
und dieſe gemaͤßigte Partei iſt noch immer von
dem Geiſt jener beſſern Biſchoͤfe beſeelt, die zwiſchen
Jeſuiten und Reformatoren, wie zwiſchen Berg und
Gironde in der Mitte gern allgemeinen Frieden er¬
halten moͤchten. Die Maͤnner dieſer Partei wider¬
ſetzen ſich der Tyrannei des roͤmiſchen Stuhls und
dem Eindringen jeſuitiſcher Soͤldlinge deſſelben, hal¬
ten ſich zu Fuͤrſten und Volk, befoͤrdern Moral und
Unterricht, und wuͤrden ſich ſehr leicht mit einer ge¬
wiſſen proteſtantiſchen Partei, welche ſich im Sinn
der anglikaniſchen Kirche dem Katholicismus naͤhert,
verſtaͤndigen, wenn die politiſchen Verhaͤltniſſe und
zum Theil die Blindheit proteſtantiſcher Zeloten nicht
undurchdringliche Scheidewaͤnde zwiſchen ſie zoͤgen.
Außer dieſen verdient allerdings die Partei der poe¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/112>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.