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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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feln und Spott an. Alles Historische der Kirche,
Tradition und Priester, sind ihnen auf's bitterste ver¬
haßt, und da die Tradition Worte enthält, und die
Priester Menschen sind, so geben sie auch den Zwei¬
feln Blößen genug. Jede geoffenbarte Religion ist
denselben zuwider, erscheint ihnen als Menschentrug
und Lüge, und sie machen zwischen Katholiken und
Protestanten eigentlich keinen Unterschied, weil beide
Tradition und Priester anerkennen. Es ist aber sehr
merkwürdig, daß in ihrer Freigeisterei, die so sehr
über den Gebrechen der Kirche erhaben scheint, doch
dieselben Keime zu innrer Entzweiung und zur Hier¬
archie liegen. Die einen wollen eine Naturreligion,
die andern die Vernunftreligion, und die Materiali¬
sten haben deßfalls ein katholisches, die Rationalisten
ein protestantisches Princip, und beide suchen sich die ent¬
sprechenden Kirchen zu gründen, wenn sie mächtig genug
werden, beide haben zur Zeit der französischen Revo¬
lution ihre Tempel aufgeschlagen, und die Priester
der Natur sind mit denen der Vernunft in einen
Kampf gerathen, der uns, wenn die Farce länger
gedauert hätte, gewiß das ganze alte Weltspectakel
wiederholt haben würde.

Da im Protestantismus so viel untersucht, be¬
sprochen und gelehrt werden muß, so fällt seine Lite¬
ratur unausbleiblich in das Extrem des Wortma¬
chens und der Vielschreiberei. Die Mehrzahl der an
Geist minder begabten erschöpft und wiederholt sich
nothwendig in den gebotenen und angenommenen For¬

feln und Spott an. Alles Hiſtoriſche der Kirche,
Tradition und Prieſter, ſind ihnen auf's bitterſte ver¬
haßt, und da die Tradition Worte enthaͤlt, und die
Prieſter Menſchen ſind, ſo geben ſie auch den Zwei¬
feln Bloͤßen genug. Jede geoffenbarte Religion iſt
denſelben zuwider, erſcheint ihnen als Menſchentrug
und Luͤge, und ſie machen zwiſchen Katholiken und
Proteſtanten eigentlich keinen Unterſchied, weil beide
Tradition und Prieſter anerkennen. Es iſt aber ſehr
merkwuͤrdig, daß in ihrer Freigeiſterei, die ſo ſehr
uͤber den Gebrechen der Kirche erhaben ſcheint, doch
dieſelben Keime zu innrer Entzweiung und zur Hier¬
archie liegen. Die einen wollen eine Naturreligion,
die andern die Vernunftreligion, und die Materiali¬
ſten haben deßfalls ein katholiſches, die Rationaliſten
ein proteſtantiſches Princip, und beide ſuchen ſich die ent¬
ſprechenden Kirchen zu gruͤnden, wenn ſie maͤchtig genug
werden, beide haben zur Zeit der franzoͤſiſchen Revo¬
lution ihre Tempel aufgeſchlagen, und die Prieſter
der Natur ſind mit denen der Vernunft in einen
Kampf gerathen, der uns, wenn die Farce laͤnger
gedauert haͤtte, gewiß das ganze alte Weltſpectakel
wiederholt haben wuͤrde.

Da im Proteſtantismus ſo viel unterſucht, be¬
ſprochen und gelehrt werden muß, ſo faͤllt ſeine Lite¬
ratur unausbleiblich in das Extrem des Wortma¬
chens und der Vielſchreiberei. Die Mehrzahl der an
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[132/0142] feln und Spott an. Alles Hiſtoriſche der Kirche, Tradition und Prieſter, ſind ihnen auf's bitterſte ver¬ haßt, und da die Tradition Worte enthaͤlt, und die Prieſter Menſchen ſind, ſo geben ſie auch den Zwei¬ feln Bloͤßen genug. Jede geoffenbarte Religion iſt denſelben zuwider, erſcheint ihnen als Menſchentrug und Luͤge, und ſie machen zwiſchen Katholiken und Proteſtanten eigentlich keinen Unterſchied, weil beide Tradition und Prieſter anerkennen. Es iſt aber ſehr merkwuͤrdig, daß in ihrer Freigeiſterei, die ſo ſehr uͤber den Gebrechen der Kirche erhaben ſcheint, doch dieſelben Keime zu innrer Entzweiung und zur Hier¬ archie liegen. Die einen wollen eine Naturreligion, die andern die Vernunftreligion, und die Materiali¬ ſten haben deßfalls ein katholiſches, die Rationaliſten ein proteſtantiſches Princip, und beide ſuchen ſich die ent¬ ſprechenden Kirchen zu gruͤnden, wenn ſie maͤchtig genug werden, beide haben zur Zeit der franzoͤſiſchen Revo¬ lution ihre Tempel aufgeſchlagen, und die Prieſter der Natur ſind mit denen der Vernunft in einen Kampf gerathen, der uns, wenn die Farce laͤnger gedauert haͤtte, gewiß das ganze alte Weltſpectakel wiederholt haben wuͤrde. Da im Proteſtantismus ſo viel unterſucht, be¬ ſprochen und gelehrt werden muß, ſo faͤllt ſeine Lite¬ ratur unausbleiblich in das Extrem des Wortma¬ chens und der Vielſchreiberei. Die Mehrzahl der an Geiſt minder begabten erſchoͤpft und wiederholt ſich nothwendig in den gebotenen und angenommenen For¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/142>, abgerufen am 24.11.2024.