meln, und die Bücher werden wie die Predigten seicht und weitläuftig. Da der Zweck der Aufklä¬ rung auch eine populäre Sprache bedingt, so darf man sich über die ungeheure Menge von Erbauungs¬ schriften für alle Stände, Geschlechter und Alter zwar nicht wundern, leider aber entspricht die Ausführung nur selten dem Zweck. Das Heilige wird in dieser populären Darstellung nur zu oft trivialisirt, und der kräftige Wein der Wahrheit so unter Wasser ge¬ setzt, daß er widerstehn muß. Vom Einfluß geistlo¬ ser Umgebungen, einer entnervten Gesellschaft, einer beschränkten Bildung ergriffen, plaudern viele Geist¬ liche in ihren Erbauungsbüchern für Damen von den höchsten religiösen Ideen ganz so albern und kraft¬ los, wie von belletristischen- und Modegegenständen. Die große Verbreitung religiöser Schriften im Volke bringt sodann Vortheile mit sich, die den allezeit fer¬ tigen Büchermachern in die Augen stechen, und Deutsch¬ land wird von einer Menge von Werken überschwemmt, die einzig dem ökonomischen Zweck huldigend, statt die Gemüther zur Religion zu erheben, vielmehr diese in den trivialen Kreis der Alltagsconversation hin¬ abziehen, und jeder Anstrengung des Denkens, jeder übermäßigen Wallung des Herzens vorbeugen. Von dieser Art haben vorzugsweise die Stunden der Andacht von Zschokke, einem der berühmtesten Allerweltsbüchermacher, neuerdings Epoche gemacht. Welch ein Buch! wie wahr nennt es der Verleger ein längst gefühltes Bedürfniß, nicht nur das seinige!
meln, und die Buͤcher werden wie die Predigten ſeicht und weitlaͤuftig. Da der Zweck der Aufklaͤ¬ rung auch eine populaͤre Sprache bedingt, ſo darf man ſich uͤber die ungeheure Menge von Erbauungs¬ ſchriften fuͤr alle Staͤnde, Geſchlechter und Alter zwar nicht wundern, leider aber entſpricht die Ausfuͤhrung nur ſelten dem Zweck. Das Heilige wird in dieſer populaͤren Darſtellung nur zu oft trivialiſirt, und der kraͤftige Wein der Wahrheit ſo unter Waſſer ge¬ ſetzt, daß er widerſtehn muß. Vom Einfluß geiſtlo¬ ſer Umgebungen, einer entnervten Geſellſchaft, einer beſchraͤnkten Bildung ergriffen, plaudern viele Geiſt¬ liche in ihren Erbauungsbuͤchern fuͤr Damen von den hoͤchſten religioͤſen Ideen ganz ſo albern und kraft¬ los, wie von belletriſtiſchen- und Modegegenſtaͤnden. Die große Verbreitung religioͤſer Schriften im Volke bringt ſodann Vortheile mit ſich, die den allezeit fer¬ tigen Buͤchermachern in die Augen ſtechen, und Deutſch¬ land wird von einer Menge von Werken uͤberſchwemmt, die einzig dem oͤkonomiſchen Zweck huldigend, ſtatt die Gemuͤther zur Religion zu erheben, vielmehr dieſe in den trivialen Kreis der Alltagsconverſation hin¬ abziehen, und jeder Anſtrengung des Denkens, jeder uͤbermaͤßigen Wallung des Herzens vorbeugen. Von dieſer Art haben vorzugsweiſe die Stunden der Andacht von Zſchokke, einem der beruͤhmteſten Allerweltsbuͤchermacher, neuerdings Epoche gemacht. Welch ein Buch! wie wahr nennt es der Verleger ein laͤngſt gefuͤhltes Beduͤrfniß, nicht nur das ſeinige!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0143"n="133"/>
meln, und die Buͤcher werden wie die Predigten<lb/>ſeicht und weitlaͤuftig. Da der Zweck der Aufklaͤ¬<lb/>
rung auch eine populaͤre Sprache bedingt, ſo darf<lb/>
man ſich uͤber die ungeheure Menge von Erbauungs¬<lb/>ſchriften fuͤr alle Staͤnde, Geſchlechter und Alter zwar<lb/>
nicht wundern, leider aber entſpricht die Ausfuͤhrung<lb/>
nur ſelten dem Zweck. Das Heilige wird in dieſer<lb/>
populaͤren Darſtellung nur zu oft trivialiſirt, und<lb/>
der kraͤftige Wein der Wahrheit ſo unter Waſſer ge¬<lb/>ſetzt, daß er widerſtehn muß. Vom Einfluß geiſtlo¬<lb/>ſer Umgebungen, einer entnervten Geſellſchaft, einer<lb/>
beſchraͤnkten Bildung ergriffen, plaudern viele Geiſt¬<lb/>
liche in ihren Erbauungsbuͤchern fuͤr Damen von den<lb/>
hoͤchſten religioͤſen Ideen ganz ſo albern und kraft¬<lb/>
los, wie von belletriſtiſchen- und Modegegenſtaͤnden.<lb/>
Die große Verbreitung religioͤſer Schriften im Volke<lb/>
bringt ſodann Vortheile mit ſich, die den allezeit fer¬<lb/>
tigen Buͤchermachern in die Augen ſtechen, und Deutſch¬<lb/>
land wird von einer Menge von Werken uͤberſchwemmt,<lb/>
die einzig dem oͤkonomiſchen Zweck huldigend, ſtatt<lb/>
die Gemuͤther zur Religion zu erheben, vielmehr dieſe<lb/>
in den trivialen Kreis der Alltagsconverſation hin¬<lb/>
abziehen, und jeder Anſtrengung des Denkens, jeder<lb/>
uͤbermaͤßigen Wallung des Herzens vorbeugen. Von<lb/>
dieſer Art haben vorzugsweiſe die Stunden der<lb/>
Andacht von <hirendition="#g">Zſchokke</hi>, einem der beruͤhmteſten<lb/>
Allerweltsbuͤchermacher, neuerdings Epoche gemacht.<lb/>
Welch ein Buch! wie wahr nennt es der Verleger<lb/>
ein laͤngſt gefuͤhltes Beduͤrfniß, nicht nur das ſeinige!<lb/></p></div></body></text></TEI>
[133/0143]
meln, und die Buͤcher werden wie die Predigten
ſeicht und weitlaͤuftig. Da der Zweck der Aufklaͤ¬
rung auch eine populaͤre Sprache bedingt, ſo darf
man ſich uͤber die ungeheure Menge von Erbauungs¬
ſchriften fuͤr alle Staͤnde, Geſchlechter und Alter zwar
nicht wundern, leider aber entſpricht die Ausfuͤhrung
nur ſelten dem Zweck. Das Heilige wird in dieſer
populaͤren Darſtellung nur zu oft trivialiſirt, und
der kraͤftige Wein der Wahrheit ſo unter Waſſer ge¬
ſetzt, daß er widerſtehn muß. Vom Einfluß geiſtlo¬
ſer Umgebungen, einer entnervten Geſellſchaft, einer
beſchraͤnkten Bildung ergriffen, plaudern viele Geiſt¬
liche in ihren Erbauungsbuͤchern fuͤr Damen von den
hoͤchſten religioͤſen Ideen ganz ſo albern und kraft¬
los, wie von belletriſtiſchen- und Modegegenſtaͤnden.
Die große Verbreitung religioͤſer Schriften im Volke
bringt ſodann Vortheile mit ſich, die den allezeit fer¬
tigen Buͤchermachern in die Augen ſtechen, und Deutſch¬
land wird von einer Menge von Werken uͤberſchwemmt,
die einzig dem oͤkonomiſchen Zweck huldigend, ſtatt
die Gemuͤther zur Religion zu erheben, vielmehr dieſe
in den trivialen Kreis der Alltagsconverſation hin¬
abziehen, und jeder Anſtrengung des Denkens, jeder
uͤbermaͤßigen Wallung des Herzens vorbeugen. Von
dieſer Art haben vorzugsweiſe die Stunden der
Andacht von Zſchokke, einem der beruͤhmteſten
Allerweltsbuͤchermacher, neuerdings Epoche gemacht.
Welch ein Buch! wie wahr nennt es der Verleger
ein laͤngſt gefuͤhltes Beduͤrfniß, nicht nur das ſeinige!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/143>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.