Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.wollen, und nur die neuen pietistischen Sektirer, nur Zum Indifferentismus unter den Protestanten wollen, und nur die neuen pietiſtiſchen Sektirer, nur Zum Indifferentismus unter den Proteſtanten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0147" n="137"/> wollen, und nur die neuen pietiſtiſchen Sektirer, nur<lb/> ſolche Menſchen, die ſich der Verfolgung ausſetzen,<lb/> ſind wahrhaft eifrig.</p><lb/> <p>Zum Indifferentismus unter den Proteſtanten<lb/> ſcheinen vorzuͤglich auch zwei Umſtaͤnde beizutragen,<lb/> denen man zu wenig Aufmerkſamkeit ſchenkt. Einmal<lb/> haͤngt im proteſtantiſchen Gottesdienſt alles von der<lb/> Perſon des jeweiligen Geiſtlichen ab. Fuͤr den Ka¬<lb/> tholiken ſind alle ſeine Kirchen gleich, und er ver¬<lb/> richtet darin ſeine Andacht auch ohne den Geiſtlichen,<lb/> oder es iſt wenig Unterſchied, welcher Geiſtliche<lb/> dabei thaͤtig iſt. Darum herrſcht auch, wenn ich ſo<lb/> ſagen darf, ein ungeſtoͤrter Gleichmuth der Andacht<lb/> uͤberall unter den Katholiken. Bei den Proteſtanten<lb/> aber kommt alles auf die Perſoͤnlichkeit des Predi¬<lb/> gers an; nur ſeinetwegen und nur, wenn er da iſt,<lb/> kommt man in die Kirche, nur auf ihn ſieht man,<lb/> nur mit ihm beſchaͤftigt man ſich, weil ſonſt nichts<lb/> in der proteſtantiſchen Kirche die Aufmerkſamkeit auf<lb/> ſich zieht. Abſichtlich wird Sinn und Geiſt der An¬<lb/> weſenden von allem andern ab und auf den Prediger<lb/> hingelenkt. Dieſer hat es nun in ſeiner Gewalt, die<lb/> Andacht und den religioͤſen Sinn zu erheben oder<lb/> herabzuſtimmen. Iſt er ſelber fromm, begeiſtert und<lb/> beſitzt er ein großes Talent der Beredſamkeit, ſo<lb/> wird er vielleicht eine weit groͤßere Wirkung hervor¬<lb/> zubringen wiſſen, als ein katholiſcher Prieſter, der<lb/> in ſeiner Kirche mehr Sache als Perſon iſt, es zu<lb/> thun vermag. Iſt der Prediger aber ohne wahre<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0147]
wollen, und nur die neuen pietiſtiſchen Sektirer, nur
ſolche Menſchen, die ſich der Verfolgung ausſetzen,
ſind wahrhaft eifrig.
Zum Indifferentismus unter den Proteſtanten
ſcheinen vorzuͤglich auch zwei Umſtaͤnde beizutragen,
denen man zu wenig Aufmerkſamkeit ſchenkt. Einmal
haͤngt im proteſtantiſchen Gottesdienſt alles von der
Perſon des jeweiligen Geiſtlichen ab. Fuͤr den Ka¬
tholiken ſind alle ſeine Kirchen gleich, und er ver¬
richtet darin ſeine Andacht auch ohne den Geiſtlichen,
oder es iſt wenig Unterſchied, welcher Geiſtliche
dabei thaͤtig iſt. Darum herrſcht auch, wenn ich ſo
ſagen darf, ein ungeſtoͤrter Gleichmuth der Andacht
uͤberall unter den Katholiken. Bei den Proteſtanten
aber kommt alles auf die Perſoͤnlichkeit des Predi¬
gers an; nur ſeinetwegen und nur, wenn er da iſt,
kommt man in die Kirche, nur auf ihn ſieht man,
nur mit ihm beſchaͤftigt man ſich, weil ſonſt nichts
in der proteſtantiſchen Kirche die Aufmerkſamkeit auf
ſich zieht. Abſichtlich wird Sinn und Geiſt der An¬
weſenden von allem andern ab und auf den Prediger
hingelenkt. Dieſer hat es nun in ſeiner Gewalt, die
Andacht und den religioͤſen Sinn zu erheben oder
herabzuſtimmen. Iſt er ſelber fromm, begeiſtert und
beſitzt er ein großes Talent der Beredſamkeit, ſo
wird er vielleicht eine weit groͤßere Wirkung hervor¬
zubringen wiſſen, als ein katholiſcher Prieſter, der
in ſeiner Kirche mehr Sache als Perſon iſt, es zu
thun vermag. Iſt der Prediger aber ohne wahre
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