Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.vorgebracht hat, lassen sich dagegen hauptsächlich drei Zuerst gilt, daß jede Neuerung in religiösen vorgebracht hat, laſſen ſich dagegen hauptſaͤchlich drei Zuerſt gilt, daß jede Neuerung in religioͤſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="141"/> vorgebracht hat, laſſen ſich dagegen hauptſaͤchlich drei<lb/> Einwendungen machen, und ſind gemacht worden.</p><lb/> <p>Zuerſt gilt, daß jede Neuerung in religioͤſen<lb/> Dingen die Achtung vor dem Alten vernichtet oder<lb/> ſchmaͤlert. Das ehrwuͤrdige Alter der proteſtanti¬<lb/> ſchen Einrichtungen iſt fuͤr die Maſſe des Volks ge¬<lb/> wiß noch der ſtaͤrkſte Damm gegen den Indifferen¬<lb/> tismus. Reißt man dieſen vollends auf eine authen¬<lb/> tiſche und legitime Weiſe um, ſo duͤrfte weder etwas<lb/> vernuͤnftiges, noch etwas glaͤnzendes Neues die alte<lb/> geheiligte Ehrfurcht erſetzen, und es duͤrfte die um¬<lb/> gekehrte Wirkung erfolgen. Man duͤrfte gegen das<lb/> Neue noch gleichguͤltiger werden, weil man weniger<lb/> hergebrachten Reſpekt davor hat. Die vorgeſchlage¬<lb/> nen Neuerungen gehoͤren nicht zu denen, die wie das<lb/> Chriſtenthum ſelbſt in ſeiner erſten Erſcheinung, oder<lb/> wie ſpaͤter, der Muhamedanismus und ſo auch der<lb/> Proteſtantismus die Zeitgenoſſen aufregten und <hi rendition="#g">ge¬<lb/> gen alle aͤußern Befehle</hi> zur freien Selbſtthaͤ¬<lb/> tigkeit begeiſterten. Es ſind vielmehr Neuerungen,<lb/> die auf einen aͤußern Befehl gegen die freie Selbſt¬<lb/> thaͤtigkeit gerichtet ſind. Ihre Staͤrke liegt in einem<lb/> aͤußren Zwange, nicht in einer innern Begeiſterung.<lb/> Sie ſind daher auch bei weitem lauer, ſchwaͤcher,<lb/> ohnmaͤchtiger, als jene natuͤrlichen Neuerungen, und<lb/> zugleich auch ſchwaͤcher, als die alten Gewohnheiten,<lb/> die ſie umſtuͤrzen wollen. Am ſtaͤrkſten wirkt das<lb/> Neue nur, wenn es lebendige Überzeugung, eigner<lb/> freier Wille, nichts Gebotenes, Aufgedraͤngtes iſt.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [141/0151]
vorgebracht hat, laſſen ſich dagegen hauptſaͤchlich drei
Einwendungen machen, und ſind gemacht worden.
Zuerſt gilt, daß jede Neuerung in religioͤſen
Dingen die Achtung vor dem Alten vernichtet oder
ſchmaͤlert. Das ehrwuͤrdige Alter der proteſtanti¬
ſchen Einrichtungen iſt fuͤr die Maſſe des Volks ge¬
wiß noch der ſtaͤrkſte Damm gegen den Indifferen¬
tismus. Reißt man dieſen vollends auf eine authen¬
tiſche und legitime Weiſe um, ſo duͤrfte weder etwas
vernuͤnftiges, noch etwas glaͤnzendes Neues die alte
geheiligte Ehrfurcht erſetzen, und es duͤrfte die um¬
gekehrte Wirkung erfolgen. Man duͤrfte gegen das
Neue noch gleichguͤltiger werden, weil man weniger
hergebrachten Reſpekt davor hat. Die vorgeſchlage¬
nen Neuerungen gehoͤren nicht zu denen, die wie das
Chriſtenthum ſelbſt in ſeiner erſten Erſcheinung, oder
wie ſpaͤter, der Muhamedanismus und ſo auch der
Proteſtantismus die Zeitgenoſſen aufregten und ge¬
gen alle aͤußern Befehle zur freien Selbſtthaͤ¬
tigkeit begeiſterten. Es ſind vielmehr Neuerungen,
die auf einen aͤußern Befehl gegen die freie Selbſt¬
thaͤtigkeit gerichtet ſind. Ihre Staͤrke liegt in einem
aͤußren Zwange, nicht in einer innern Begeiſterung.
Sie ſind daher auch bei weitem lauer, ſchwaͤcher,
ohnmaͤchtiger, als jene natuͤrlichen Neuerungen, und
zugleich auch ſchwaͤcher, als die alten Gewohnheiten,
die ſie umſtuͤrzen wollen. Am ſtaͤrkſten wirkt das
Neue nur, wenn es lebendige Überzeugung, eigner
freier Wille, nichts Gebotenes, Aufgedraͤngtes iſt.
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