Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Soll dem Menschen aber einmal in religiösen Din¬ Zweitens gilt, daß alle befohlenen und künstli¬ Soll dem Menſchen aber einmal in religioͤſen Din¬ Zweitens gilt, daß alle befohlenen und kuͤnſtli¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="142"/> Soll dem Menſchen aber einmal in religioͤſen Din¬<lb/> gen etwas geboten und aufgedraͤngt werden, ſo wird<lb/> gewiß das Alte, was ſchon ſeiner Vaͤter Vaͤter ge¬<lb/> wohnt waren, maͤchtiger auf ihn wirken, als jedes<lb/> Neue.</p><lb/> <p>Zweitens gilt, daß alle befohlenen und kuͤnſtli¬<lb/> chen Vereinigungen die freiwilligen und natuͤrlichen<lb/> Trennungen befoͤrdern. Die Geſchichte liefert auf<lb/> jeder Seite den Beweis. Je ſtrenger die biſchoͤfliche<lb/> Kirche der Englaͤnder auf Einheit drang, deſto zahl¬<lb/> reicher nahmen die Nonconformiſten uͤberhand. Und<lb/> ſehn wir nur uns ſelbſt an. Vor dem Unionsvor¬<lb/> ſchlag lebten Lutheraner und Calviniſten in der fried¬<lb/> lichſten Eintracht bis zum gaͤnzlichen Vergeſſen ihres<lb/> fruͤheren Zankes. Kaum will man ſie vollends aͤußer¬<lb/> lich vereinigen, ſo wird ihnen ploͤtzlich bange, ſie<lb/> ſehn ſich einander verdaͤchtig an, ſie ruͤhren die alten<lb/> Schaͤden wieder auf, und nur die allerindifferenteſten<lb/> gelingt es, zu vereinigen, jene Heerde der Lauen oder<lb/> Pfiffigen, die ſich alles gefallen laſſen aus Traͤgheit,<lb/> oder um eines zufaͤlligen Vortheils willen. Was ein<lb/> Mittel gegen den Indifferentismus werden ſollte,<lb/> wird der Triumph deſſelben, und die man vereinigen<lb/> wollte, trennt man deſto entſchiedner. Man taͤuſcht<lb/> ſich gewoͤhnlich uͤber die Leichtigkeit der Vereinigung,<lb/> indem man die Staͤrke des Unterſchiedes nicht gehoͤ¬<lb/> rig berechnet. Wie ſchon oben geruͤgt worden, hat<lb/> ſich in religioͤſen Dingen das Vorurtheil eingeſchli¬<lb/> chen, als hinge alle Trennung und Vereinigung von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0152]
Soll dem Menſchen aber einmal in religioͤſen Din¬
gen etwas geboten und aufgedraͤngt werden, ſo wird
gewiß das Alte, was ſchon ſeiner Vaͤter Vaͤter ge¬
wohnt waren, maͤchtiger auf ihn wirken, als jedes
Neue.
Zweitens gilt, daß alle befohlenen und kuͤnſtli¬
chen Vereinigungen die freiwilligen und natuͤrlichen
Trennungen befoͤrdern. Die Geſchichte liefert auf
jeder Seite den Beweis. Je ſtrenger die biſchoͤfliche
Kirche der Englaͤnder auf Einheit drang, deſto zahl¬
reicher nahmen die Nonconformiſten uͤberhand. Und
ſehn wir nur uns ſelbſt an. Vor dem Unionsvor¬
ſchlag lebten Lutheraner und Calviniſten in der fried¬
lichſten Eintracht bis zum gaͤnzlichen Vergeſſen ihres
fruͤheren Zankes. Kaum will man ſie vollends aͤußer¬
lich vereinigen, ſo wird ihnen ploͤtzlich bange, ſie
ſehn ſich einander verdaͤchtig an, ſie ruͤhren die alten
Schaͤden wieder auf, und nur die allerindifferenteſten
gelingt es, zu vereinigen, jene Heerde der Lauen oder
Pfiffigen, die ſich alles gefallen laſſen aus Traͤgheit,
oder um eines zufaͤlligen Vortheils willen. Was ein
Mittel gegen den Indifferentismus werden ſollte,
wird der Triumph deſſelben, und die man vereinigen
wollte, trennt man deſto entſchiedner. Man taͤuſcht
ſich gewoͤhnlich uͤber die Leichtigkeit der Vereinigung,
indem man die Staͤrke des Unterſchiedes nicht gehoͤ¬
rig berechnet. Wie ſchon oben geruͤgt worden, hat
ſich in religioͤſen Dingen das Vorurtheil eingeſchli¬
chen, als hinge alle Trennung und Vereinigung von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |