Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.wird gehemmt durch die einseitige Betreibung des Gehen wir zur historischen Wissenschaft im engern Die Geschichte ging ursprünglich aus dem Epos wird gehemmt durch die einſeitige Betreibung des Gehen wir zur hiſtoriſchen Wiſſenſchaft im engern Die Geſchichte ging urſpruͤnglich aus dem Epos <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0208" n="198"/> wird gehemmt durch die einſeitige Betreibung des<lb/> blos formellen Sprachunterrichts. Der Juͤngling muß<lb/> nur immer Woͤrter und Formen lernen, und gelangt<lb/> nicht zur Sache. Er wird in die Schule geſtoßen<lb/> und der philologiſchen Dreſſur Preis gegeben. Die<lb/> meiſten ſehn dieſe Dreſſur als eine Qual, das Amt<lb/> als die einzige Befreiung an, und ſtudiren nur auf<lb/> das Examen los, indem ſie ſo viel philologiſche Kennt¬<lb/> niſſe ſammeln, als in den Kopf gehn wollen, um<lb/> Sachen aber ſich ſo wenig als moͤglich bekuͤmmern,<lb/> weil man nur vorzugsweiſe jene von ihnen verlangt.</p><lb/> <p>Gehen wir zur hiſtoriſchen Wiſſenſchaft im engern<lb/> Sinne uͤber, ſo bietet ſich uns ein unermeßliches Feld<lb/> dar, auf welchen zahlreiche Arbeiter emſig beſchaͤftigt,<lb/> jedoch mit einander im Streit begriffen ſind, ſo daß<lb/> die einen ſehr haͤufig das Werk der andern wieder<lb/> zerſtoͤren. Im Allgemeinen bemerken wir im hiſtori¬<lb/> ſchen Gebiet zunaͤchſt folgendes.</p><lb/> <p>Die Geſchichte ging urſpruͤnglich aus dem <hi rendition="#g">Epos</hi><lb/> hervor, und war nichts als das Gedaͤchtniß großer<lb/> Helden. Dieſen Charakter hat ſie bis auf unſre Zei¬<lb/> ten beibehalten, ſie iſt weſentlich politiſche Geſchichte,<lb/> Gedaͤchtniß weniger des Lebens im Umfang aller Er¬<lb/> ſcheinungen, als insbeſondre der Thaten. Noch im¬<lb/> mer legt man auf Schlachten und aͤußre Begebenhei¬<lb/> ten ein groͤßeres Gewicht, als auf die ſtillen Ent¬<lb/> wicklungen im innern Leben der Voͤlker. Doch hat<lb/> man allmaͤhlig immer mehr auch dieſe Entwicklungen<lb/> in den Kreis der geſchichtlichen Betrachtung gezogen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [198/0208]
wird gehemmt durch die einſeitige Betreibung des
blos formellen Sprachunterrichts. Der Juͤngling muß
nur immer Woͤrter und Formen lernen, und gelangt
nicht zur Sache. Er wird in die Schule geſtoßen
und der philologiſchen Dreſſur Preis gegeben. Die
meiſten ſehn dieſe Dreſſur als eine Qual, das Amt
als die einzige Befreiung an, und ſtudiren nur auf
das Examen los, indem ſie ſo viel philologiſche Kennt¬
niſſe ſammeln, als in den Kopf gehn wollen, um
Sachen aber ſich ſo wenig als moͤglich bekuͤmmern,
weil man nur vorzugsweiſe jene von ihnen verlangt.
Gehen wir zur hiſtoriſchen Wiſſenſchaft im engern
Sinne uͤber, ſo bietet ſich uns ein unermeßliches Feld
dar, auf welchen zahlreiche Arbeiter emſig beſchaͤftigt,
jedoch mit einander im Streit begriffen ſind, ſo daß
die einen ſehr haͤufig das Werk der andern wieder
zerſtoͤren. Im Allgemeinen bemerken wir im hiſtori¬
ſchen Gebiet zunaͤchſt folgendes.
Die Geſchichte ging urſpruͤnglich aus dem Epos
hervor, und war nichts als das Gedaͤchtniß großer
Helden. Dieſen Charakter hat ſie bis auf unſre Zei¬
ten beibehalten, ſie iſt weſentlich politiſche Geſchichte,
Gedaͤchtniß weniger des Lebens im Umfang aller Er¬
ſcheinungen, als insbeſondre der Thaten. Noch im¬
mer legt man auf Schlachten und aͤußre Begebenhei¬
ten ein groͤßeres Gewicht, als auf die ſtillen Ent¬
wicklungen im innern Leben der Voͤlker. Doch hat
man allmaͤhlig immer mehr auch dieſe Entwicklungen
in den Kreis der geſchichtlichen Betrachtung gezogen,
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