Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.andern, als den gelehrten Forschern selbst, ein un¬ Die historische Kritik ist so sehr an die That¬ andern, als den gelehrten Forſchern ſelbſt, ein un¬ Die hiſtoriſche Kritik iſt ſo ſehr an die That¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0212" n="202"/> andern, als den gelehrten Forſchern ſelbſt, ein un¬<lb/> nuͤtzer Traum duͤnken. Man denkt ſo wenig daran,<lb/> die Schaͤtze der Literatur als ein allgemeines Natio¬<lb/> nalgut zu huͤten und zu pflegen, daß man nicht ein¬<lb/> mal, was ſo leicht waͤre, bei den Buͤchermeſſen von<lb/> jedem neuen Werke wenigſtens ein Exemplar abfor¬<lb/> dert, um in einer gemeinſamen Nationalbibliothek<lb/> ohne Unterſchied alle literariſche Produkte wenigſtens<lb/> von einem beſtimmten Zeitpunkt an zu ſammeln. Moͤ¬<lb/> gen immer im Verkehr die vielen ſchlechten Buͤcher<lb/> untergehn, aber wenigſtens ein Exemplar ſollte von<lb/> jedem erhalten werden.</p><lb/> <p>Die hiſtoriſche <hi rendition="#g">Kritik</hi> iſt ſo ſehr an die That¬<lb/> ſachen gebunden, daß der groͤßte Scharfſinn nicht<lb/> ausreicht, wenn die Quellen nicht Stoff genug zur<lb/> Combination darbieten. Daher findet man viele aͤl¬<lb/> tere gar ſcharfſinnige Werke doch voll Maͤngel und<lb/> Irrthuͤmer, nachdem man der Quellen ſich im weitern<lb/> Umfange bemaͤchtigt hat. An eigentlicher kritiſcher,<lb/> analytiſcher oder combinatoriſcher Gabe mangelt es<lb/> in einem ſo philoſophiſchen Volke, als die Deutſchen<lb/> ſind, durchaus nicht; doch laſſen wir uns eine falſche<lb/> einſeitige Theorie, oder eine ſuͤße Schwaͤrmerei des<lb/> Herzens <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> der Phantaſie auch auf dem hiſtoriſchen<lb/> Gebiet nur allzuleicht verfuͤhren. Beſonders haben<lb/> die dunklern Partieen der Geſchichte hier einem blin¬<lb/> den Scepticismus, dort einer zuͤgelloſen Hypotheſen¬<lb/> jaͤgerei Raum gegeben. Überhaupt, wo die That¬<lb/> ſachen der Geſchichte nicht unverruͤckbar eine Anſicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [202/0212]
andern, als den gelehrten Forſchern ſelbſt, ein un¬
nuͤtzer Traum duͤnken. Man denkt ſo wenig daran,
die Schaͤtze der Literatur als ein allgemeines Natio¬
nalgut zu huͤten und zu pflegen, daß man nicht ein¬
mal, was ſo leicht waͤre, bei den Buͤchermeſſen von
jedem neuen Werke wenigſtens ein Exemplar abfor¬
dert, um in einer gemeinſamen Nationalbibliothek
ohne Unterſchied alle literariſche Produkte wenigſtens
von einem beſtimmten Zeitpunkt an zu ſammeln. Moͤ¬
gen immer im Verkehr die vielen ſchlechten Buͤcher
untergehn, aber wenigſtens ein Exemplar ſollte von
jedem erhalten werden.
Die hiſtoriſche Kritik iſt ſo ſehr an die That¬
ſachen gebunden, daß der groͤßte Scharfſinn nicht
ausreicht, wenn die Quellen nicht Stoff genug zur
Combination darbieten. Daher findet man viele aͤl¬
tere gar ſcharfſinnige Werke doch voll Maͤngel und
Irrthuͤmer, nachdem man der Quellen ſich im weitern
Umfange bemaͤchtigt hat. An eigentlicher kritiſcher,
analytiſcher oder combinatoriſcher Gabe mangelt es
in einem ſo philoſophiſchen Volke, als die Deutſchen
ſind, durchaus nicht; doch laſſen wir uns eine falſche
einſeitige Theorie, oder eine ſuͤße Schwaͤrmerei des
Herzens und der Phantaſie auch auf dem hiſtoriſchen
Gebiet nur allzuleicht verfuͤhren. Beſonders haben
die dunklern Partieen der Geſchichte hier einem blin¬
den Scepticismus, dort einer zuͤgelloſen Hypotheſen¬
jaͤgerei Raum gegeben. Überhaupt, wo die That¬
ſachen der Geſchichte nicht unverruͤckbar eine Anſicht
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