Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.sucht, was die deutsche Ehrlichkeit längst behauptet. Doch begehn diese gründlichen Liberalen einen Sodann ist ihr Gleichheitssystem eine Sünde ſucht, was die deutſche Ehrlichkeit laͤngſt behauptet. Doch begehn dieſe gruͤndlichen Liberalen einen Sodann iſt ihr Gleichheitsſyſtem eine Suͤnde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0236" n="226"/> ſucht, was die deutſche Ehrlichkeit laͤngſt behauptet.<lb/> Fichte ſagt: «<hi rendition="#g">Recht</hi> iſt, was uns das Gewiſſen<lb/> befiehlt, alſo Pflicht. Was uns das Gewiſſen nicht<lb/> verbietet, duͤrfen wir thun, und was wir thun duͤr¬<lb/> fen, iſt ein <hi rendition="#g">Recht</hi>.»</p><lb/> <p>Doch begehn dieſe gruͤndlichen Liberalen einen<lb/> Fehler, der ſie mit ſich ſelbſt in Widerſpruch zeigt.<lb/> Sie machen die Freiheit allen zur Pflicht, ſie <hi rendition="#g">zwin¬<lb/> gen</hi> dazu, und dieſer Zwang hebt die natuͤrliche<lb/> Freiheit eines jeden auf; ſie befehlen eine gewiſſe<lb/> Gattung von Freiheit, und dieſe ſchließt jede andre<lb/> aus. Sie ſetzen an die Stelle des Despotismus nur<lb/> einen eben ſo ſchaͤdlichen Terrorismus der Demo¬<lb/> kratie, den man im Hintergrunde menſchenfreundlicher<lb/> Theorien ſelten bemerkt, der aber in der Praxis im¬<lb/> mer eingetreten iſt.</p><lb/> <p>Sodann iſt ihr <hi rendition="#g">Gleichheitsſyſtem</hi> eine Suͤnde<lb/> wider den heiligen Geiſt der Natur, ſofern ſie es<lb/> auf die Geſinnungen, auf die Geiſter uͤbertragen.<lb/> Die Geiſter wiederholen in der gegenwaͤrtigen Welt-<lb/> Epoche den Kampf, den in einer fruͤhern die Ma¬<lb/> terie zu kaͤmpfen hatte. Alles, was die materielle<lb/> Wohlfahrt der Menſchen angeht, wird ſich in dieſelbe<lb/> Harmonie bringen laſſen, denn hier iſt aller Gegen¬<lb/> ſatz befriedigt, aber die Geiſter werden ihren Kampf<lb/> auskaͤmpfen muͤſſen, denn hier ſind die Gegenſaͤtze in<lb/> ihrer lebendigſten Thaͤtigkeit. Von der materiellen<lb/> Wohlfahrt denken alle Menſchen gleich, und nur, weil<lb/> der Geiſt ſie antreibt, opfern ſie dieſelbe zuweilen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0236]
ſucht, was die deutſche Ehrlichkeit laͤngſt behauptet.
Fichte ſagt: «Recht iſt, was uns das Gewiſſen
befiehlt, alſo Pflicht. Was uns das Gewiſſen nicht
verbietet, duͤrfen wir thun, und was wir thun duͤr¬
fen, iſt ein Recht.»
Doch begehn dieſe gruͤndlichen Liberalen einen
Fehler, der ſie mit ſich ſelbſt in Widerſpruch zeigt.
Sie machen die Freiheit allen zur Pflicht, ſie zwin¬
gen dazu, und dieſer Zwang hebt die natuͤrliche
Freiheit eines jeden auf; ſie befehlen eine gewiſſe
Gattung von Freiheit, und dieſe ſchließt jede andre
aus. Sie ſetzen an die Stelle des Despotismus nur
einen eben ſo ſchaͤdlichen Terrorismus der Demo¬
kratie, den man im Hintergrunde menſchenfreundlicher
Theorien ſelten bemerkt, der aber in der Praxis im¬
mer eingetreten iſt.
Sodann iſt ihr Gleichheitsſyſtem eine Suͤnde
wider den heiligen Geiſt der Natur, ſofern ſie es
auf die Geſinnungen, auf die Geiſter uͤbertragen.
Die Geiſter wiederholen in der gegenwaͤrtigen Welt-
Epoche den Kampf, den in einer fruͤhern die Ma¬
terie zu kaͤmpfen hatte. Alles, was die materielle
Wohlfahrt der Menſchen angeht, wird ſich in dieſelbe
Harmonie bringen laſſen, denn hier iſt aller Gegen¬
ſatz befriedigt, aber die Geiſter werden ihren Kampf
auskaͤmpfen muͤſſen, denn hier ſind die Gegenſaͤtze in
ihrer lebendigſten Thaͤtigkeit. Von der materiellen
Wohlfahrt denken alle Menſchen gleich, und nur, weil
der Geiſt ſie antreibt, opfern ſie dieſelbe zuweilen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |