Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.man seichte und schlechte Bücher am liebsten liest, Der Grund der deutschen Schreiblust liegt zwar man ſeichte und ſchlechte Buͤcher am liebſten liest, Der Grund der deutſchen Schreibluſt liegt zwar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="63"/> man ſeichte und ſchlechte Buͤcher am liebſten liest,<lb/> und dieſe ſich am leichteſten und <choice><sic>fchnellſten</sic><corr>ſchnellſten</corr></choice> fabriciren<lb/> laſſen, iſt ein edler Wetteifer zwiſchen Verlegern und<lb/> Verfaſſern entſtanden. Bald ſehn wir einen unter¬<lb/> nehmenden Buchhaͤndler ein halbes Dutzend Hunger¬<lb/> leider beſolden, die ihm Romane, Überſetzungen,<lb/> Schulbuͤcher und praktiſche Auweiſungen verfertigen<lb/> muͤſſen; bald einen unternehmenden Autor ein halbes<lb/> Dutzend Buchhaͤndler in Bewegung ſetzen, denen er<lb/> ſich wie ein Zuchtſtier abwechſelnd in die Pacht gibt.</p><lb/> <p>Der Grund der deutſchen Schreibluſt liegt zwar<lb/> allerdings tiefer, doch traͤgt die Anarchie des aͤußern<lb/> literariſchen Verkehrs unſtreitig ſehr viel bei, den<lb/><hi rendition="#g">Buͤcherpoͤbel</hi> zur Herrſchaft zu bringen. Wo alle<lb/> kochen, wird ſchlecht gekocht; wo alle ſchreiben, wird<lb/> ſchlecht geſchrieben. Daß aber auch die ſchlechteſten<lb/> Buͤcher gedruckt und geleſen werden, hat ſeinen Grund<lb/> nur in den aͤußern Verhaͤltniſſen des Buchhandels<lb/> und des Publikums. Waͤre das Publicum gebildet<lb/> genug, ſo wuͤrden die Buchhaͤndler nur gute Buͤcher<lb/> abſetzen, mithin auch nur ſolche drucken laſſen, ſo<lb/> wuͤrden die ſchlechten Schriftſteller wie Pilze vertrock¬<lb/> nen. Schlechte Buͤcher entſtehen nur, wenn die Buch¬<lb/> haͤndler wollen, und dieſe wollen nur, wenn das<lb/> Publicum damit zufrieden iſt. Allerdings ſind die<lb/> Buchhaͤndler ſehr oft gewiſſenloſe Hoͤflinge, die den<lb/> Herrn, deſſen Brod ſie eſſen, oder das Publicum,<lb/> noch ſchlechter machen, aber wenn ſie einen tuͤchtigen<lb/> Herrn haͤtten, ſo wuͤrden ſie ſelbſt beſſer ſeyn muͤſſen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0073]
man ſeichte und ſchlechte Buͤcher am liebſten liest,
und dieſe ſich am leichteſten und ſchnellſten fabriciren
laſſen, iſt ein edler Wetteifer zwiſchen Verlegern und
Verfaſſern entſtanden. Bald ſehn wir einen unter¬
nehmenden Buchhaͤndler ein halbes Dutzend Hunger¬
leider beſolden, die ihm Romane, Überſetzungen,
Schulbuͤcher und praktiſche Auweiſungen verfertigen
muͤſſen; bald einen unternehmenden Autor ein halbes
Dutzend Buchhaͤndler in Bewegung ſetzen, denen er
ſich wie ein Zuchtſtier abwechſelnd in die Pacht gibt.
Der Grund der deutſchen Schreibluſt liegt zwar
allerdings tiefer, doch traͤgt die Anarchie des aͤußern
literariſchen Verkehrs unſtreitig ſehr viel bei, den
Buͤcherpoͤbel zur Herrſchaft zu bringen. Wo alle
kochen, wird ſchlecht gekocht; wo alle ſchreiben, wird
ſchlecht geſchrieben. Daß aber auch die ſchlechteſten
Buͤcher gedruckt und geleſen werden, hat ſeinen Grund
nur in den aͤußern Verhaͤltniſſen des Buchhandels
und des Publikums. Waͤre das Publicum gebildet
genug, ſo wuͤrden die Buchhaͤndler nur gute Buͤcher
abſetzen, mithin auch nur ſolche drucken laſſen, ſo
wuͤrden die ſchlechten Schriftſteller wie Pilze vertrock¬
nen. Schlechte Buͤcher entſtehen nur, wenn die Buch¬
haͤndler wollen, und dieſe wollen nur, wenn das
Publicum damit zufrieden iſt. Allerdings ſind die
Buchhaͤndler ſehr oft gewiſſenloſe Hoͤflinge, die den
Herrn, deſſen Brod ſie eſſen, oder das Publicum,
noch ſchlechter machen, aber wenn ſie einen tuͤchtigen
Herrn haͤtten, ſo wuͤrden ſie ſelbſt beſſer ſeyn muͤſſen.
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