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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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öden Phantasterie, die das praktische Leben flieht,
und noch mehr an den schielenden Urtheilen, die na¬
mentlich in der politischen Literatur überall vernom¬
men werden. Das Schwärmen ist uns erlaubt, vor¬
züglich in einer unverständlichen philosophischen Spra¬
che, aber auf die praktische Anwendung unsrer Theo¬
rie dürfen wir nicht denken, auch wenn wir wollten.
Mancher, der die Wahrheit sagen will, hüllt sie ab¬
sichtlich in Nebel ein, durch die ein gewöhnlicher Cen¬
sor, aber auch das gewöhnliche Publikum nicht hin¬
durchsieht. Auf der andern Seite befleißigen sich die
Praktiker des nüchternsten empirischen Schlendrians
und hüten sich wohl, auf die bessere Theorie Rück¬
sicht zu nehmen, und die Faulheit wird durch eine
politische Rücksicht beschönigt. Endlich gibt es eine
Menge Schriftsteller, die dicht unter der politischen
Schneelinie nur zu einem krüppelhaften Wachsthum
kommen, die, ohne perfid zu seyn, doch auch nicht
ehrlich sind, ohne zu lügen, doch auch die Wahrheit
nicht zu verkündigen wagen und in einer erbärmli¬
chen Halbheit es zugleich dem Zeitgeist und der Cen¬
sur recht machen wollen. Ihr Element ist überhaupt
die Halbheit, und sie fühlen sich in einer Zeit, wie
die unsrige, so recht zu Hause. So sehr sie sich auch
in Tiraden gegen die Censur erschöpfen, ist sie ihnen
doch so bequem, als den Ultras. Sie setzen sich alt¬
klug auf den Stuhl und geben ihr Orakel von sich,
mit dem Finger auf der Nase ein geheimnißvolles
Silentium gebietend, wenn es an eine Wahrheit

oͤden Phantaſterie, die das praktiſche Leben flieht,
und noch mehr an den ſchielenden Urtheilen, die na¬
mentlich in der politiſchen Literatur uͤberall vernom¬
men werden. Das Schwaͤrmen iſt uns erlaubt, vor¬
zuͤglich in einer unverſtaͤndlichen philoſophiſchen Spra¬
che, aber auf die praktiſche Anwendung unſrer Theo¬
rie duͤrfen wir nicht denken, auch wenn wir wollten.
Mancher, der die Wahrheit ſagen will, huͤllt ſie ab¬
ſichtlich in Nebel ein, durch die ein gewoͤhnlicher Cen¬
ſor, aber auch das gewoͤhnliche Publikum nicht hin¬
durchſieht. Auf der andern Seite befleißigen ſich die
Praktiker des nuͤchternſten empiriſchen Schlendrians
und huͤten ſich wohl, auf die beſſere Theorie Ruͤck¬
ſicht zu nehmen, und die Faulheit wird durch eine
politiſche Ruͤckſicht beſchoͤnigt. Endlich gibt es eine
Menge Schriftſteller, die dicht unter der politiſchen
Schneelinie nur zu einem kruͤppelhaften Wachsthum
kommen, die, ohne perfid zu ſeyn, doch auch nicht
ehrlich ſind, ohne zu luͤgen, doch auch die Wahrheit
nicht zu verkuͤndigen wagen und in einer erbaͤrmli¬
chen Halbheit es zugleich dem Zeitgeiſt und der Cen¬
ſur recht machen wollen. Ihr Element iſt uͤberhaupt
die Halbheit, und ſie fuͤhlen ſich in einer Zeit, wie
die unſrige, ſo recht zu Hauſe. So ſehr ſie ſich auch
in Tiraden gegen die Cenſur erſchoͤpfen, iſt ſie ihnen
doch ſo bequem, als den Ultras. Sie ſetzen ſich alt¬
klug auf den Stuhl und geben ihr Orakel von ſich,
mit dem Finger auf der Naſe ein geheimnißvolles
Silentium gebietend, wenn es an eine Wahrheit

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[78/0088] oͤden Phantaſterie, die das praktiſche Leben flieht, und noch mehr an den ſchielenden Urtheilen, die na¬ mentlich in der politiſchen Literatur uͤberall vernom¬ men werden. Das Schwaͤrmen iſt uns erlaubt, vor¬ zuͤglich in einer unverſtaͤndlichen philoſophiſchen Spra¬ che, aber auf die praktiſche Anwendung unſrer Theo¬ rie duͤrfen wir nicht denken, auch wenn wir wollten. Mancher, der die Wahrheit ſagen will, huͤllt ſie ab¬ ſichtlich in Nebel ein, durch die ein gewoͤhnlicher Cen¬ ſor, aber auch das gewoͤhnliche Publikum nicht hin¬ durchſieht. Auf der andern Seite befleißigen ſich die Praktiker des nuͤchternſten empiriſchen Schlendrians und huͤten ſich wohl, auf die beſſere Theorie Ruͤck¬ ſicht zu nehmen, und die Faulheit wird durch eine politiſche Ruͤckſicht beſchoͤnigt. Endlich gibt es eine Menge Schriftſteller, die dicht unter der politiſchen Schneelinie nur zu einem kruͤppelhaften Wachsthum kommen, die, ohne perfid zu ſeyn, doch auch nicht ehrlich ſind, ohne zu luͤgen, doch auch die Wahrheit nicht zu verkuͤndigen wagen und in einer erbaͤrmli¬ chen Halbheit es zugleich dem Zeitgeiſt und der Cen¬ ſur recht machen wollen. Ihr Element iſt uͤberhaupt die Halbheit, und ſie fuͤhlen ſich in einer Zeit, wie die unſrige, ſo recht zu Hauſe. So ſehr ſie ſich auch in Tiraden gegen die Cenſur erſchoͤpfen, iſt ſie ihnen doch ſo bequem, als den Ultras. Sie ſetzen ſich alt¬ klug auf den Stuhl und geben ihr Orakel von ſich, mit dem Finger auf der Naſe ein geheimnißvolles Silentium gebietend, wenn es an eine Wahrheit

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/88>, abgerufen am 21.11.2024.