Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.schied machen. Diejenigen also thun wohl, welche Der Mensch hat von jeher seinen Gedanken ge¬ ſchied machen. Diejenigen alſo thun wohl, welche Der Menſch hat von jeher ſeinen Gedanken ge¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="80"/> ſchied machen. Diejenigen alſo thun wohl, welche<lb/> die Preßfreiheit weniger als etwas blos Nuͤtzliches<lb/> oder Schaͤdliches, und mehr als eine Ehrenſache be¬<lb/> trachten. Der Nutzen oder Schaden iſt bei einer ge¬<lb/> bildeten Nation gewiß von geringer Bedeutung, die<lb/> Ehre aber, welche die Preßfreiheit, und die Schande,<lb/> welche der Preßzwang mit ſich fuͤhrt, ſie ſind es vor<lb/> allem, die uns jene Inſtitute wichtig machen muͤſſen.<lb/> Ich halte es fuͤr eine große Schande, wenn ein deut¬<lb/> ſcher Schriftſteller unvernuͤnftige Dinge in die Welt<lb/> hinein ſchreibt, aber fuͤr eine noch groͤßere, wenn er<lb/> es nicht thun <hi rendition="#g">darf</hi>.</p><lb/> <p>Der Menſch hat von jeher ſeinen Gedanken ge¬<lb/> wiſſe Schranken vorgezogen, dieſelben aber immer<lb/> wieder uͤberſprungen. Gerade indem er aͤngſtlich au<lb/> den Schranken umhergeirrt, iſt er in wilde verzwei¬<lb/> felte Phantaſien gefallen und hat das Ärgſte ſich un¬<lb/> terfangen; indem er aber die Schranken niedergeriſ¬<lb/> ſen und allmaͤhlig weiter gekommen, hat er auch jene<lb/> Irrthuͤmer und wilden Ausbruͤche hinter ſich gelaſſen,<lb/> wie Traͤume und Unarten der Jugend. So verhaͤlt<lb/> es ſich auch mit der Literatur, dem Spiegel des<lb/> menſchlichen Denkens. An den Schranken, die ihr<lb/> Staat und Kirche ziehn, wird ſie aͤngſtlich und to¬<lb/> bend umherirren und allerlei Ausſchweifungen begehn.<lb/> Man goͤnne ihr eine dauernde Preßfreiheit, ſo wird<lb/> ſie ſich von ſelbſt beſchwichtigen; man nehme ihr den<lb/> Zuchtmeiſter, ſo wird ſie die Unarten von ſelber<lb/> laſſen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0090]
ſchied machen. Diejenigen alſo thun wohl, welche
die Preßfreiheit weniger als etwas blos Nuͤtzliches
oder Schaͤdliches, und mehr als eine Ehrenſache be¬
trachten. Der Nutzen oder Schaden iſt bei einer ge¬
bildeten Nation gewiß von geringer Bedeutung, die
Ehre aber, welche die Preßfreiheit, und die Schande,
welche der Preßzwang mit ſich fuͤhrt, ſie ſind es vor
allem, die uns jene Inſtitute wichtig machen muͤſſen.
Ich halte es fuͤr eine große Schande, wenn ein deut¬
ſcher Schriftſteller unvernuͤnftige Dinge in die Welt
hinein ſchreibt, aber fuͤr eine noch groͤßere, wenn er
es nicht thun darf.
Der Menſch hat von jeher ſeinen Gedanken ge¬
wiſſe Schranken vorgezogen, dieſelben aber immer
wieder uͤberſprungen. Gerade indem er aͤngſtlich au
den Schranken umhergeirrt, iſt er in wilde verzwei¬
felte Phantaſien gefallen und hat das Ärgſte ſich un¬
terfangen; indem er aber die Schranken niedergeriſ¬
ſen und allmaͤhlig weiter gekommen, hat er auch jene
Irrthuͤmer und wilden Ausbruͤche hinter ſich gelaſſen,
wie Traͤume und Unarten der Jugend. So verhaͤlt
es ſich auch mit der Literatur, dem Spiegel des
menſchlichen Denkens. An den Schranken, die ihr
Staat und Kirche ziehn, wird ſie aͤngſtlich und to¬
bend umherirren und allerlei Ausſchweifungen begehn.
Man goͤnne ihr eine dauernde Preßfreiheit, ſo wird
ſie ſich von ſelbſt beſchwichtigen; man nehme ihr den
Zuchtmeiſter, ſo wird ſie die Unarten von ſelber
laſſen.
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