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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Die Censur erscheint sehr oft dem Autor lächer¬
lich, indem sie die unschuldigsten Stellen eines Wer¬
kes durchstreicht, und noch öfter der ganzen Lesewelt,
indem sie nicht nur einzelne Stellen, sondern ganze
Werke passiren läßt, die, wenn nicht unmittelbar,
doch desto sicherer auf mittelbare Weise, den Geist
fördern, gegen den alle Censur gerichtet ist. Die
Censur ist eines von den Instituten, welche die Halb¬
heit erfunden hat und die ihres Zweckes auf die Dauer
beständig verfehlen müssen. Wollte sie consequent ver¬
fahren und ihrem Zwecke genügen, so müßte sie ge¬
radezu die ganze Literatur ausrotten, denn was sie
in neuen Werken ausstreicht, lesen wir in alten, was
sie billigt, läßt uns auf das schließen, was sie nicht
billigt, und je strenger sie nur eine Ansicht der Dinge
geltend machen will, desto schärfer wird durch den
Gegensatz die andre hervorgehoben.


Die Cenſur erſcheint ſehr oft dem Autor laͤcher¬
lich, indem ſie die unſchuldigſten Stellen eines Wer¬
kes durchſtreicht, und noch oͤfter der ganzen Leſewelt,
indem ſie nicht nur einzelne Stellen, ſondern ganze
Werke paſſiren laͤßt, die, wenn nicht unmittelbar,
doch deſto ſicherer auf mittelbare Weiſe, den Geiſt
foͤrdern, gegen den alle Cenſur gerichtet iſt. Die
Cenſur iſt eines von den Inſtituten, welche die Halb¬
heit erfunden hat und die ihres Zweckes auf die Dauer
beſtaͤndig verfehlen muͤſſen. Wollte ſie conſequent ver¬
fahren und ihrem Zwecke genuͤgen, ſo muͤßte ſie ge¬
radezu die ganze Literatur ausrotten, denn was ſie
in neuen Werken ausſtreicht, leſen wir in alten, was
ſie billigt, laͤßt uns auf das ſchließen, was ſie nicht
billigt, und je ſtrenger ſie nur eine Anſicht der Dinge
geltend machen will, deſto ſchaͤrfer wird durch den
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[81/0091] Die Cenſur erſcheint ſehr oft dem Autor laͤcher¬ lich, indem ſie die unſchuldigſten Stellen eines Wer¬ kes durchſtreicht, und noch oͤfter der ganzen Leſewelt, indem ſie nicht nur einzelne Stellen, ſondern ganze Werke paſſiren laͤßt, die, wenn nicht unmittelbar, doch deſto ſicherer auf mittelbare Weiſe, den Geiſt foͤrdern, gegen den alle Cenſur gerichtet iſt. Die Cenſur iſt eines von den Inſtituten, welche die Halb¬ heit erfunden hat und die ihres Zweckes auf die Dauer beſtaͤndig verfehlen muͤſſen. Wollte ſie conſequent ver¬ fahren und ihrem Zwecke genuͤgen, ſo muͤßte ſie ge¬ radezu die ganze Literatur ausrotten, denn was ſie in neuen Werken ausſtreicht, leſen wir in alten, was ſie billigt, laͤßt uns auf das ſchließen, was ſie nicht billigt, und je ſtrenger ſie nur eine Anſicht der Dinge geltend machen will, deſto ſchaͤrfer wird durch den Gegenſatz die andre hervorgehoben.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/91>, abgerufen am 21.11.2024.