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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Mannigfaltigkeit der Ansichten, diese Mannigfaltig¬
keit hebt die Einheit der Idee nicht auf. Die Reli¬
gion hat das Eigenthümliche, daß sie Kraft der in
ihr liegenden Idee immer eine ausschließliche, Kraft
der irdischen Bedingung immer eine einseitige Ansicht
des höchsten Wesens enthält.

Die allen Menschen angeborne Anerkennung eines
höchsten Wesens nennen wir den Glauben. Jeder
Mensch glaubt an das höchste Wesen, an Gott, und
die Idee desselben liegt allen noch so verschiednen
Ansichten zu Grunde, der Glaube geht der Art, wie
man glaubt, unmittelbar voraus. Dieser Glauben
an Gott liegt allen religiösen Ansichten zu Grunde,
die Ansichten aber sind verschieden, je nach dem
menschlichen Vermögen und deren Ausbildung. Wir
dürfen alle menschlichen Vermögen, in welchen der
Glaube sich aussprechen kann, als sinnliche, gemüth¬
liche und geistige bezeichnen. Der sinnliche Gläubige
sieht Gott in der Sonne oder in der ganzen Natur,
oder schafft sich ein künstliches Bild von ihm, und
dient ihm in sinnlichen Handlungen. Der Gemüth¬
liche empfindet Gott in den Gefühlen der Ehrfurcht,
Liebe, des Danks, der Furcht. Der Geistige denkt
Gott und abstrahirt sich aus dem Begriff des höch¬
sten Wesens die höchsten Gesetze der Natur und des
Lebens. Diese Ansichten erscheinen wieder nach dem
Maaß der menschlichen Ausbildung mehr oder weni¬
ger vermischt, und die Mystik in der Blüthe des
Mittelalters erkannte eine vollkommene organische

Mannigfaltigkeit der Anſichten, dieſe Mannigfaltig¬
keit hebt die Einheit der Idee nicht auf. Die Reli¬
gion hat das Eigenthuͤmliche, daß ſie Kraft der in
ihr liegenden Idee immer eine ausſchließliche, Kraft
der irdiſchen Bedingung immer eine einſeitige Anſicht
des hoͤchſten Weſens enthaͤlt.

Die allen Menſchen angeborne Anerkennung eines
hoͤchſten Weſens nennen wir den Glauben. Jeder
Menſch glaubt an das hoͤchſte Weſen, an Gott, und
die Idee deſſelben liegt allen noch ſo verſchiednen
Anſichten zu Grunde, der Glaube geht der Art, wie
man glaubt, unmittelbar voraus. Dieſer Glauben
an Gott liegt allen religioͤſen Anſichten zu Grunde,
die Anſichten aber ſind verſchieden, je nach dem
menſchlichen Vermoͤgen und deren Ausbildung. Wir
duͤrfen alle menſchlichen Vermoͤgen, in welchen der
Glaube ſich ausſprechen kann, als ſinnliche, gemuͤth¬
liche und geiſtige bezeichnen. Der ſinnliche Glaͤubige
ſieht Gott in der Sonne oder in der ganzen Natur,
oder ſchafft ſich ein kuͤnſtliches Bild von ihm, und
dient ihm in ſinnlichen Handlungen. Der Gemuͤth¬
liche empfindet Gott in den Gefuͤhlen der Ehrfurcht,
Liebe, des Danks, der Furcht. Der Geiſtige denkt
Gott und abſtrahirt ſich aus dem Begriff des hoͤch¬
ſten Weſens die hoͤchſten Geſetze der Natur und des
Lebens. Dieſe Anſichten erſcheinen wieder nach dem
Maaß der menſchlichen Ausbildung mehr oder weni¬
ger vermiſcht, und die Myſtik in der Bluͤthe des
Mittelalters erkannte eine vollkommene organiſche

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[83/0093] Mannigfaltigkeit der Anſichten, dieſe Mannigfaltig¬ keit hebt die Einheit der Idee nicht auf. Die Reli¬ gion hat das Eigenthuͤmliche, daß ſie Kraft der in ihr liegenden Idee immer eine ausſchließliche, Kraft der irdiſchen Bedingung immer eine einſeitige Anſicht des hoͤchſten Weſens enthaͤlt. Die allen Menſchen angeborne Anerkennung eines hoͤchſten Weſens nennen wir den Glauben. Jeder Menſch glaubt an das hoͤchſte Weſen, an Gott, und die Idee deſſelben liegt allen noch ſo verſchiednen Anſichten zu Grunde, der Glaube geht der Art, wie man glaubt, unmittelbar voraus. Dieſer Glauben an Gott liegt allen religioͤſen Anſichten zu Grunde, die Anſichten aber ſind verſchieden, je nach dem menſchlichen Vermoͤgen und deren Ausbildung. Wir duͤrfen alle menſchlichen Vermoͤgen, in welchen der Glaube ſich ausſprechen kann, als ſinnliche, gemuͤth¬ liche und geiſtige bezeichnen. Der ſinnliche Glaͤubige ſieht Gott in der Sonne oder in der ganzen Natur, oder ſchafft ſich ein kuͤnſtliches Bild von ihm, und dient ihm in ſinnlichen Handlungen. Der Gemuͤth¬ liche empfindet Gott in den Gefuͤhlen der Ehrfurcht, Liebe, des Danks, der Furcht. Der Geiſtige denkt Gott und abſtrahirt ſich aus dem Begriff des hoͤch¬ ſten Weſens die hoͤchſten Geſetze der Natur und des Lebens. Dieſe Anſichten erſcheinen wieder nach dem Maaß der menſchlichen Ausbildung mehr oder weni¬ ger vermiſcht, und die Myſtik in der Bluͤthe des Mittelalters erkannte eine vollkommene organiſche

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/93>, abgerufen am 18.12.2024.