den Spruch Hamlet's zurückziehen: Unter dem Monde gibt es noch viel, wovon unsre Philosophen sich nichts träumen lassen. Auch Hoffmann war überspannt, wie Werner, und gemüthskrank. Seine ganze Poesie ist von dieser Krankheit angesteckt, und ihr Gegenstand selbst ist die Krankheit. Er vertiefte sich in jene Nachtseite der Natur, die Schubert wissenschaftlich dargestellt, und malte sie poetisch aus. Er machte den Menschen zu einem Spielball der in ihm selber schlummernden dämonischen Gewalten, des Wahn¬ sinns, der Phantasmorasie, der magnetischen und sympathetischen oder antipathetischen Naturkräfte. So unsinnig und unwürdig er indeß seine Helden behan¬ delt, indem er ihnen alle Freiheit und Vernunft raubt, so daß sie sich oft wie tolle Schafe im Zirkel zu drehn scheinen, so kann ihm doch ein großes Talent in der Schilderung des Grauenhaften und besonders der Seelenpein nicht abgesprochen werden. Der psy¬ chologische Kampf seiner Helden, ihr Schwanken zwi¬ schen Vernunft und Wahnsinn, Humor und Todes¬ angst, ist meisterhaft dargestellt und die Dramatiker sollten von ihm lernen, wie vom Hamlet. Damit verbindet sich auch sein musikalisches Element; die Seele seines Helden wird von dunkeln übernatürli¬ chen Kräften bewegt und im Sturm aller Leidenschaf¬ ten aufgerührt, wie eine Äolsharfe. In der Kunst der Dissonanzen und des Schrecklichen kann er mit Mozart verglichen werden.
den Spruch Hamlet's zuruͤckziehen: Unter dem Monde gibt es noch viel, wovon unſre Philoſophen ſich nichts traͤumen laſſen. Auch Hoffmann war uͤberſpannt, wie Werner, und gemuͤthskrank. Seine ganze Poeſie iſt von dieſer Krankheit angeſteckt, und ihr Gegenſtand ſelbſt iſt die Krankheit. Er vertiefte ſich in jene Nachtſeite der Natur, die Schubert wiſſenſchaftlich dargeſtellt, und malte ſie poetiſch aus. Er machte den Menſchen zu einem Spielball der in ihm ſelber ſchlummernden daͤmoniſchen Gewalten, des Wahn¬ ſinns, der Phantasmoraſie, der magnetiſchen und ſympathetiſchen oder antipathetiſchen Naturkraͤfte. So unſinnig und unwuͤrdig er indeß ſeine Helden behan¬ delt, indem er ihnen alle Freiheit und Vernunft raubt, ſo daß ſie ſich oft wie tolle Schafe im Zirkel zu drehn ſcheinen, ſo kann ihm doch ein großes Talent in der Schilderung des Grauenhaften und beſonders der Seelenpein nicht abgeſprochen werden. Der pſy¬ chologiſche Kampf ſeiner Helden, ihr Schwanken zwi¬ ſchen Vernunft und Wahnſinn, Humor und Todes¬ angſt, iſt meiſterhaft dargeſtellt und die Dramatiker ſollten von ihm lernen, wie vom Hamlet. Damit verbindet ſich auch ſein muſikaliſches Element; die Seele ſeines Helden wird von dunkeln uͤbernatuͤrli¬ chen Kraͤften bewegt und im Sturm aller Leidenſchaf¬ ten aufgeruͤhrt, wie eine Äolsharfe. In der Kunſt der Diſſonanzen und des Schrecklichen kann er mit Mozart verglichen werden.
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den Spruch Hamlet's zuruͤckziehen: Unter dem Monde
gibt es noch viel, wovon unſre Philoſophen ſich nichts
traͤumen laſſen. Auch Hoffmann war uͤberſpannt, wie
Werner, und gemuͤthskrank. Seine ganze Poeſie iſt
von dieſer Krankheit angeſteckt, und ihr Gegenſtand
ſelbſt iſt die Krankheit. Er vertiefte ſich in jene
Nachtſeite der Natur, die Schubert wiſſenſchaftlich
dargeſtellt, und malte ſie poetiſch aus. Er machte
den Menſchen zu einem Spielball der in ihm ſelber
ſchlummernden daͤmoniſchen Gewalten, des Wahn¬
ſinns, der Phantasmoraſie, der magnetiſchen und
ſympathetiſchen oder antipathetiſchen Naturkraͤfte. So
unſinnig und unwuͤrdig er indeß ſeine Helden behan¬
delt, indem er ihnen alle Freiheit und Vernunft raubt,
ſo daß ſie ſich oft wie tolle Schafe im Zirkel zu
drehn ſcheinen, ſo kann ihm doch ein großes Talent
in der Schilderung des Grauenhaften und beſonders
der Seelenpein nicht abgeſprochen werden. Der pſy¬
chologiſche Kampf ſeiner Helden, ihr Schwanken zwi¬
ſchen Vernunft und Wahnſinn, Humor und Todes¬
angſt, iſt meiſterhaft dargeſtellt und die Dramatiker
ſollten von ihm lernen, wie vom Hamlet. Damit
verbindet ſich auch ſein muſikaliſches Element; die
Seele ſeines Helden wird von dunkeln uͤbernatuͤrli¬
chen Kraͤften bewegt und im Sturm aller Leidenſchaf¬
ten aufgeruͤhrt, wie eine Äolsharfe. In der Kunſt
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/116>, abgerufen am 25.11.2024.
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