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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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ausgegeben, wenn ein Hochverräther die Autorität
anzutasten sich erfrecht.

Göthe weiß aber selbst am besten, daß die Bäu¬
me nicht in den Himmel wachsen. Faust wird seines
Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn
sie die natürlichen Gränzen überschreitet. Vor Weih¬
rauch sieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬
den das Herz nicht mehr, daß sie bedecken. Über¬
muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schönheit zuletzt
verächtlich. Übertriebenes Lob trägt den Tadel im
Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm höher
steigen, als der Werth, so wird die Rüge, wenn
auch spät, in demselben Verhältniß den Werth her¬
absetzen. Darum sehn wir jetzt schon mehrere Leute,
welche sich gegen die Götzendienerei erklären, und
Göthen sogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht
verdient.

Die blinden Anbeter Göthe's bilden eine herr¬
schende ästhetische Kirche, die ihren Papst, ihre Kir¬
chenväter und Scholastiker, ja sogar ihre Kirchenver¬
sammlungen hat. Natürlich findet diese Kirche nun
auch eine Opposition. Sie ist aber, gleich jeder herr¬
schenden Kirche, blind und fanatisch, und spricht
durchaus unbedingte Autorität an, verkerzert jeden,
der diese Autorität antastet. Das ist schlimm und
erweckt nothwendig einen hartnäckigen Widerspruch;
aber es ist natürlich. Die Leute glauben einmal an
die Unfehlbarkeit ihres Meisters, an sein Monopol
in der Poesie, an seine Legitimität, und dieser Glaube

ausgegeben, wenn ein Hochverraͤther die Autoritaͤt
anzutaſten ſich erfrecht.

Goͤthe weiß aber ſelbſt am beſten, daß die Baͤu¬
me nicht in den Himmel wachſen. Fauſt wird ſeines
Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn
ſie die natuͤrlichen Graͤnzen uͤberſchreitet. Vor Weih¬
rauch ſieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬
den das Herz nicht mehr, daß ſie bedecken. Über¬
muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schoͤnheit zuletzt
veraͤchtlich. Übertriebenes Lob traͤgt den Tadel im
Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm hoͤher
ſteigen, als der Werth, ſo wird die Ruͤge, wenn
auch ſpaͤt, in demſelben Verhaͤltniß den Werth her¬
abſetzen. Darum ſehn wir jetzt ſchon mehrere Leute,
welche ſich gegen die Goͤtzendienerei erklaͤren, und
Goͤthen ſogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht
verdient.

Die blinden Anbeter Goͤthe's bilden eine herr¬
ſchende aͤſthetiſche Kirche, die ihren Papſt, ihre Kir¬
chenvaͤter und Scholaſtiker, ja ſogar ihre Kirchenver¬
ſammlungen hat. Natuͤrlich findet dieſe Kirche nun
auch eine Oppoſition. Sie iſt aber, gleich jeder herr¬
ſchenden Kirche, blind und fanatiſch, und ſpricht
durchaus unbedingte Autoritaͤt an, verkerzert jeden,
der dieſe Autoritaͤt antaſtet. Das iſt ſchlimm und
erweckt nothwendig einen hartnaͤckigen Widerſpruch;
aber es iſt natuͤrlich. Die Leute glauben einmal an
die Unfehlbarkeit ihres Meiſters, an ſein Monopol
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[207/0217] ausgegeben, wenn ein Hochverraͤther die Autoritaͤt anzutaſten ſich erfrecht. Goͤthe weiß aber ſelbſt am beſten, daß die Baͤu¬ me nicht in den Himmel wachſen. Fauſt wird ſeines Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn ſie die natuͤrlichen Graͤnzen uͤberſchreitet. Vor Weih¬ rauch ſieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬ den das Herz nicht mehr, daß ſie bedecken. Über¬ muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schoͤnheit zuletzt veraͤchtlich. Übertriebenes Lob traͤgt den Tadel im Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm hoͤher ſteigen, als der Werth, ſo wird die Ruͤge, wenn auch ſpaͤt, in demſelben Verhaͤltniß den Werth her¬ abſetzen. Darum ſehn wir jetzt ſchon mehrere Leute, welche ſich gegen die Goͤtzendienerei erklaͤren, und Goͤthen ſogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht verdient. Die blinden Anbeter Goͤthe's bilden eine herr¬ ſchende aͤſthetiſche Kirche, die ihren Papſt, ihre Kir¬ chenvaͤter und Scholaſtiker, ja ſogar ihre Kirchenver¬ ſammlungen hat. Natuͤrlich findet dieſe Kirche nun auch eine Oppoſition. Sie iſt aber, gleich jeder herr¬ ſchenden Kirche, blind und fanatiſch, und ſpricht durchaus unbedingte Autoritaͤt an, verkerzert jeden, der dieſe Autoritaͤt antaſtet. Das iſt ſchlimm und erweckt nothwendig einen hartnaͤckigen Widerſpruch; aber es iſt natuͤrlich. Die Leute glauben einmal an die Unfehlbarkeit ihres Meiſters, an ſein Monopol in der Poeſie, an ſeine Legitimitaͤt, und dieſer Glaube

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/217>, abgerufen am 18.12.2024.