ganze Lehre beleuchtet. Steffens ging mehr von der Geognosie, Wagner von der Chemie, Görres von der Physiologie, Oken von der Anatomie, Schubert von der Psychologie aus. Nothwendigerweise kann auch nur immer eine Theilwissenschaft die andre er¬ klären, aber die Vergleichungen aller sind noch lange nicht vollständig und genau ausgeführt worden.
Hat man einmal die Parallele zwischen Makro¬ kosmus und Mikrokosmus geahndet, so ist der Ver¬ gleichung ein unermeßliches Feld eröffnet, und jede neue Entdeckung im Geist und Gemüth des Menschen fordert auf, das correspondirende Äquivalent in der Natur nachzuweisen, und umgekehrt. Darum ist die Lehre nie zu schließen, und wird unzulänglich blei¬ ben, bis alles in der Natur wie im Geist erforscht ist, also so lange, als die Menschen Menschen blei¬ ben, wenn auch die Formel des Parallelismus und die Regel jenes allgemeinen Gegensatzes in der Na¬ tur an sich unumstößlich ist. Wir würden wahrschein¬ lich gar keine Wahrheit haben, wenn jede in jeder Hinsicht ihre Anwendung erproben müßte. Hat der Mensch Anlagen zu allem, und vermag sie doch nicht alle und im höchsten Grade auszubilden, warum soll er nicht unbestreitbare Wahrheiten sich zu eigen ma¬ chen können, die er doch nie im ganzen Umfang ih¬ rer Anwendbarkeit nachweisen kann.
Die Mängel der neuern Naturphilosophie werden sich dahin bestimmen lassen. Ausgehend vom richtig¬ sten und einfachsten Grundsatz findet sie doch in der
ganze Lehre beleuchtet. Steffens ging mehr von der Geognoſie, Wagner von der Chemie, Goͤrres von der Phyſiologie, Oken von der Anatomie, Schubert von der Pſychologie aus. Nothwendigerweiſe kann auch nur immer eine Theilwiſſenſchaft die andre er¬ klaͤren, aber die Vergleichungen aller ſind noch lange nicht vollſtaͤndig und genau ausgefuͤhrt worden.
Hat man einmal die Parallele zwiſchen Makro¬ kosmus und Mikrokosmus geahndet, ſo iſt der Ver¬ gleichung ein unermeßliches Feld eroͤffnet, und jede neue Entdeckung im Geiſt und Gemuͤth des Menſchen fordert auf, das correſpondirende Äquivalent in der Natur nachzuweiſen, und umgekehrt. Darum iſt die Lehre nie zu ſchließen, und wird unzulaͤnglich blei¬ ben, bis alles in der Natur wie im Geiſt erforſcht iſt, alſo ſo lange, als die Menſchen Menſchen blei¬ ben, wenn auch die Formel des Parallelismus und die Regel jenes allgemeinen Gegenſatzes in der Na¬ tur an ſich unumſtoͤßlich iſt. Wir wuͤrden wahrſchein¬ lich gar keine Wahrheit haben, wenn jede in jeder Hinſicht ihre Anwendung erproben muͤßte. Hat der Menſch Anlagen zu allem, und vermag ſie doch nicht alle und im hoͤchſten Grade auszubilden, warum ſoll er nicht unbeſtreitbare Wahrheiten ſich zu eigen ma¬ chen koͤnnen, die er doch nie im ganzen Umfang ih¬ rer Anwendbarkeit nachweiſen kann.
Die Maͤngel der neuern Naturphiloſophie werden ſich dahin beſtimmen laſſen. Ausgehend vom richtig¬ ſten und einfachſten Grundſatz findet ſie doch in der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0028"n="18"/>
ganze Lehre beleuchtet. Steffens ging mehr von der<lb/>
Geognoſie, Wagner von der Chemie, Goͤrres von<lb/>
der Phyſiologie, Oken von der Anatomie, Schubert<lb/>
von der Pſychologie aus. Nothwendigerweiſe kann<lb/>
auch nur immer eine Theilwiſſenſchaft die andre er¬<lb/>
klaͤren, aber die Vergleichungen aller ſind noch lange<lb/>
nicht vollſtaͤndig und genau ausgefuͤhrt worden.</p><lb/><p>Hat man einmal die Parallele zwiſchen Makro¬<lb/>
kosmus und Mikrokosmus geahndet, ſo iſt der Ver¬<lb/>
gleichung ein unermeßliches Feld eroͤffnet, und jede<lb/>
neue Entdeckung im Geiſt und Gemuͤth des Menſchen<lb/>
fordert auf, das correſpondirende Äquivalent in der<lb/>
Natur nachzuweiſen, und umgekehrt. Darum iſt die<lb/>
Lehre nie zu ſchließen, und wird unzulaͤnglich blei¬<lb/>
ben, bis alles in der Natur wie im Geiſt erforſcht<lb/>
iſt, alſo ſo lange, als die Menſchen Menſchen blei¬<lb/>
ben, wenn auch die Formel des Parallelismus und<lb/>
die Regel jenes allgemeinen Gegenſatzes in der Na¬<lb/>
tur an ſich unumſtoͤßlich iſt. Wir wuͤrden wahrſchein¬<lb/>
lich gar keine Wahrheit haben, wenn jede in jeder<lb/>
Hinſicht ihre Anwendung erproben muͤßte. Hat der<lb/>
Menſch Anlagen zu allem, und vermag ſie doch nicht<lb/>
alle und im hoͤchſten Grade auszubilden, warum ſoll<lb/>
er nicht unbeſtreitbare Wahrheiten ſich zu eigen ma¬<lb/>
chen koͤnnen, die er doch nie im ganzen Umfang ih¬<lb/>
rer Anwendbarkeit nachweiſen kann.</p><lb/><p>Die Maͤngel der neuern Naturphiloſophie werden<lb/>ſich dahin beſtimmen laſſen. Ausgehend vom richtig¬<lb/>ſten und einfachſten Grundſatz findet ſie doch in der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0028]
ganze Lehre beleuchtet. Steffens ging mehr von der
Geognoſie, Wagner von der Chemie, Goͤrres von
der Phyſiologie, Oken von der Anatomie, Schubert
von der Pſychologie aus. Nothwendigerweiſe kann
auch nur immer eine Theilwiſſenſchaft die andre er¬
klaͤren, aber die Vergleichungen aller ſind noch lange
nicht vollſtaͤndig und genau ausgefuͤhrt worden.
Hat man einmal die Parallele zwiſchen Makro¬
kosmus und Mikrokosmus geahndet, ſo iſt der Ver¬
gleichung ein unermeßliches Feld eroͤffnet, und jede
neue Entdeckung im Geiſt und Gemuͤth des Menſchen
fordert auf, das correſpondirende Äquivalent in der
Natur nachzuweiſen, und umgekehrt. Darum iſt die
Lehre nie zu ſchließen, und wird unzulaͤnglich blei¬
ben, bis alles in der Natur wie im Geiſt erforſcht
iſt, alſo ſo lange, als die Menſchen Menſchen blei¬
ben, wenn auch die Formel des Parallelismus und
die Regel jenes allgemeinen Gegenſatzes in der Na¬
tur an ſich unumſtoͤßlich iſt. Wir wuͤrden wahrſchein¬
lich gar keine Wahrheit haben, wenn jede in jeder
Hinſicht ihre Anwendung erproben muͤßte. Hat der
Menſch Anlagen zu allem, und vermag ſie doch nicht
alle und im hoͤchſten Grade auszubilden, warum ſoll
er nicht unbeſtreitbare Wahrheiten ſich zu eigen ma¬
chen koͤnnen, die er doch nie im ganzen Umfang ih¬
rer Anwendbarkeit nachweiſen kann.
Die Maͤngel der neuern Naturphiloſophie werden
ſich dahin beſtimmen laſſen. Ausgehend vom richtig¬
ſten und einfachſten Grundſatz findet ſie doch in der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/28>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.