als Kunstwerk, der Dichter als Gedicht ein rein äst¬ hetisches Interesse gewähren müssen. Von dieser Art sind Heinse's Romane und Tieck's Novellen das ausgezeichnetste. Vollendet wurde der philosophische Roman nur durch Tieck. Seine Novellen sind im Romantischen, was Platon's Dialoge im Antiken waren.
Die wichtigsten und zahlreichsten neuesten Ro¬ mane sind historische; da wir indeß über die herr¬ schende historische Richtung schon oben ausführlich ge¬ sprochen, wollen wir hier nur noch einen Blick auf die äußre Form der Romane werfen. Es ist auf¬ fallend, daß auch hier wie bei den Lustspielen, kurz bei allem, was unterhalten soll, die kürzeste Waare und der schnellste Wechsel am beliebtesten ist. Die größern Romane nehmen bereits ab, und die Samm¬ lungen kleiner Erzählungen und Novellen unverhält¬ nißmäßig zu. Die dreißig Taschenbücher, die vielen Morgen-, Abend-, Mittag- und Mitternachtsblätter etc. reichen bei weitem nicht hin, diese Baggatellen jährlich aufzunehmen; es erscheinen noch insbesondre viele hundert einzelne oder gesammelte Novellen. Hier ist fast alles Fabrikarbeit, und immer wird das Alte, Längstbekannte wieder aufgewärmt. Es geht diesen Erzählungen wie den lyrischen Gedichten. Ihrer gro¬ ßen Menge und ihres alltäglichen abgedroschnen In¬ halts wegen werden sie eben so schnell vergessen, als gelesen.
als Kunſtwerk, der Dichter als Gedicht ein rein aͤſt¬ hetiſches Intereſſe gewaͤhren muͤſſen. Von dieſer Art ſind Heinſe's Romane und Tieck's Novellen das ausgezeichnetſte. Vollendet wurde der philoſophiſche Roman nur durch Tieck. Seine Novellen ſind im Romantiſchen, was Platon's Dialoge im Antiken waren.
Die wichtigſten und zahlreichſten neueſten Ro¬ mane ſind hiſtoriſche; da wir indeß uͤber die herr¬ ſchende hiſtoriſche Richtung ſchon oben ausfuͤhrlich ge¬ ſprochen, wollen wir hier nur noch einen Blick auf die aͤußre Form der Romane werfen. Es iſt auf¬ fallend, daß auch hier wie bei den Luſtſpielen, kurz bei allem, was unterhalten ſoll, die kuͤrzeſte Waare und der ſchnellſte Wechſel am beliebteſten iſt. Die groͤßern Romane nehmen bereits ab, und die Samm¬ lungen kleiner Erzaͤhlungen und Novellen unverhaͤlt¬ nißmaͤßig zu. Die dreißig Taſchenbuͤcher, die vielen Morgen-, Abend-, Mittag- und Mitternachtsblaͤtter ꝛc. reichen bei weitem nicht hin, dieſe Baggatellen jaͤhrlich aufzunehmen; es erſcheinen noch insbeſondre viele hundert einzelne oder geſammelte Novellen. Hier iſt faſt alles Fabrikarbeit, und immer wird das Alte, Laͤngſtbekannte wieder aufgewaͤrmt. Es geht dieſen Erzaͤhlungen wie den lyriſchen Gedichten. Ihrer gro¬ ßen Menge und ihres alltaͤglichen abgedroſchnen In¬ halts wegen werden ſie eben ſo ſchnell vergeſſen, als geleſen.
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als Kunſtwerk, der Dichter als Gedicht ein rein aͤſt¬
hetiſches Intereſſe gewaͤhren muͤſſen. Von dieſer Art
ſind Heinſe's Romane und Tieck's Novellen das
ausgezeichnetſte. Vollendet wurde der philoſophiſche
Roman nur durch Tieck. Seine Novellen ſind im
Romantiſchen, was Platon's Dialoge im Antiken
waren.
Die wichtigſten und zahlreichſten neueſten Ro¬
mane ſind hiſtoriſche; da wir indeß uͤber die herr¬
ſchende hiſtoriſche Richtung ſchon oben ausfuͤhrlich ge¬
ſprochen, wollen wir hier nur noch einen Blick auf
die aͤußre Form der Romane werfen. Es iſt auf¬
fallend, daß auch hier wie bei den Luſtſpielen, kurz
bei allem, was unterhalten ſoll, die kuͤrzeſte Waare
und der ſchnellſte Wechſel am beliebteſten iſt. Die
groͤßern Romane nehmen bereits ab, und die Samm¬
lungen kleiner Erzaͤhlungen und Novellen unverhaͤlt¬
nißmaͤßig zu. Die dreißig Taſchenbuͤcher, die vielen
Morgen-, Abend-, Mittag- und Mitternachtsblaͤtter
ꝛc. reichen bei weitem nicht hin, dieſe Baggatellen
jaͤhrlich aufzunehmen; es erſcheinen noch insbeſondre
viele hundert einzelne oder geſammelte Novellen. Hier
iſt faſt alles Fabrikarbeit, und immer wird das Alte,
Laͤngſtbekannte wieder aufgewaͤrmt. Es geht dieſen
Erzaͤhlungen wie den lyriſchen Gedichten. Ihrer gro¬
ßen Menge und ihres alltaͤglichen abgedroſchnen In¬
halts wegen werden ſie eben ſo ſchnell vergeſſen, als
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/296>, abgerufen am 26.11.2024.
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