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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Den Taschenbüchern insbesondre müssen wir
zum Schluß noch einige Aufmerksamkeit widmen. So
klein sie sind, sind sie doch nicht unbedeutend, denn
ihre Zahl ersetzt die Größe, und das Publikum hegt
sie als Lieblinge. Sie und die belletristischen Tag-
und Wochenblätter sind es vorzüglich, die den Ge¬
schmack verderben und das Publikum an ein ewiges
Essen ohne Verdauung, an das Übermaaß von Lek¬
türe gewöhnen, die keinen Eindruck zurückläßt, und
den Sinn für alles Hohe und Geistreiche, das einige
Anstrengung kostet, abstumpfen. Diese kleine perio¬
dische Literatur bewährt in Gehalt und Masse, daß
sie mehr auf einen ausgeweideten Magen, als auf
das kleine Herz berechnet ist. Man sollte lesen, näm¬
lich Blumen, aber man frißt, nämlich Gras. Das
System, nach welchem für das deutsche Publikum von
spekulativen Buchhändlern, denen die Dichter nur
im Schweiß ihres Angesichts dienen, die Poesie prä¬
parirt wird, läuft auf eine allgemeine Stallfütterung
hinaus. Ich habe ein schönes Kapital, spricht der
kluge Bauer, von dessen Zinsen ich gar reich werde,
einen kapitalen, fetten, wampigen nnd überaus hung¬
rigen Ochsen auf der Mastung daheim; für den sind
Blumen eine zarte, schwache Speise, er muß ein der¬
bes Fuder Heu haben. Unschuldige Kinder, die ihr
feiner Sinn mit den wenigen bunten Kelchen und
Sternen, die noch auf der Wiese gedeihen, ein hei¬
teres Spiel treiben läßt, werden billig ausgelacht.
Ein Bund Heu wiegt ja die Blumen auf im Zent¬

Den Taſchenbuͤchern insbeſondre muͤſſen wir
zum Schluß noch einige Aufmerkſamkeit widmen. So
klein ſie ſind, ſind ſie doch nicht unbedeutend, denn
ihre Zahl erſetzt die Groͤße, und das Publikum hegt
ſie als Lieblinge. Sie und die belletriſtiſchen Tag-
und Wochenblaͤtter ſind es vorzuͤglich, die den Ge¬
ſchmack verderben und das Publikum an ein ewiges
Eſſen ohne Verdauung, an das Übermaaß von Lek¬
tuͤre gewoͤhnen, die keinen Eindruck zuruͤcklaͤßt, und
den Sinn fuͤr alles Hohe und Geiſtreiche, das einige
Anſtrengung koſtet, abſtumpfen. Dieſe kleine perio¬
diſche Literatur bewaͤhrt in Gehalt und Maſſe, daß
ſie mehr auf einen ausgeweideten Magen, als auf
das kleine Herz berechnet iſt. Man ſollte leſen, naͤm¬
lich Blumen, aber man frißt, naͤmlich Gras. Das
Syſtem, nach welchem fuͤr das deutſche Publikum von
ſpekulativen Buchhaͤndlern, denen die Dichter nur
im Schweiß ihres Angeſichts dienen, die Poeſie praͤ¬
parirt wird, laͤuft auf eine allgemeine Stallfuͤtterung
hinaus. Ich habe ein ſchoͤnes Kapital, ſpricht der
kluge Bauer, von deſſen Zinſen ich gar reich werde,
einen kapitalen, fetten, wampigen nnd uͤberaus hung¬
rigen Ochſen auf der Maſtung daheim; fuͤr den ſind
Blumen eine zarte, ſchwache Speiſe, er muß ein der¬
bes Fuder Heu haben. Unſchuldige Kinder, die ihr
feiner Sinn mit den wenigen bunten Kelchen und
Sternen, die noch auf der Wieſe gedeihen, ein hei¬
teres Spiel treiben laͤßt, werden billig ausgelacht.
Ein Bund Heu wiegt ja die Blumen auf im Zent¬

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[287/0297] Den Taſchenbuͤchern insbeſondre muͤſſen wir zum Schluß noch einige Aufmerkſamkeit widmen. So klein ſie ſind, ſind ſie doch nicht unbedeutend, denn ihre Zahl erſetzt die Groͤße, und das Publikum hegt ſie als Lieblinge. Sie und die belletriſtiſchen Tag- und Wochenblaͤtter ſind es vorzuͤglich, die den Ge¬ ſchmack verderben und das Publikum an ein ewiges Eſſen ohne Verdauung, an das Übermaaß von Lek¬ tuͤre gewoͤhnen, die keinen Eindruck zuruͤcklaͤßt, und den Sinn fuͤr alles Hohe und Geiſtreiche, das einige Anſtrengung koſtet, abſtumpfen. Dieſe kleine perio¬ diſche Literatur bewaͤhrt in Gehalt und Maſſe, daß ſie mehr auf einen ausgeweideten Magen, als auf das kleine Herz berechnet iſt. Man ſollte leſen, naͤm¬ lich Blumen, aber man frißt, naͤmlich Gras. Das Syſtem, nach welchem fuͤr das deutſche Publikum von ſpekulativen Buchhaͤndlern, denen die Dichter nur im Schweiß ihres Angeſichts dienen, die Poeſie praͤ¬ parirt wird, laͤuft auf eine allgemeine Stallfuͤtterung hinaus. Ich habe ein ſchoͤnes Kapital, ſpricht der kluge Bauer, von deſſen Zinſen ich gar reich werde, einen kapitalen, fetten, wampigen nnd uͤberaus hung¬ rigen Ochſen auf der Maſtung daheim; fuͤr den ſind Blumen eine zarte, ſchwache Speiſe, er muß ein der¬ bes Fuder Heu haben. Unſchuldige Kinder, die ihr feiner Sinn mit den wenigen bunten Kelchen und Sternen, die noch auf der Wieſe gedeihen, ein hei¬ teres Spiel treiben laͤßt, werden billig ausgelacht. Ein Bund Heu wiegt ja die Blumen auf im Zent¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/297>, abgerufen am 27.11.2024.