umklammert man mit allen Sinnen die Natur, und Weltgenuß ist das Höchste geworden. Der Verstand hat es sich zur dringendsten Aufgabe gemacht, dem Sinnengenuß, darum auch dem physischen Wohlstande zu dienen. Allen Scharfsinn und alles Combinations¬ vermögen wenden wir auf, die Natur zu benutzen, ihr die Schätze und Genüsse abzuzwingen, die uns erfreuen sollen. Dieses Streben ist natürlich und löblich, wenn über den irdischen Gütern die höhern des Geistes nicht gänzlich verabsäumt werden.
Melioration ist die Absicht der Physiokraten. Sie wollen die Zeugungskraft der Natur verstärken und veredeln, ihre Produkte vermehren und verfei¬ nern. Die Aufgabe ist doppelt. Man nöthigt der Na¬ tur theils ihre einfachen Produkte ab, theils veredelt man sie durch künstliches Verarbeiten. Landbau, im weitesten Sinn des Wortes, und Fabrikation sind die beiden Hauptzweige der Industrie. In beiden hat die Intelligenz Wunder gethan. Die Erziehungs¬ kunst der Erde hat reichere Früchte getragen, als die der Menschen. Der Boden, die Pflanzen- und Thier¬ welt haben der Veredlung sich willig und dankbar gefügt. Des Menschen Anstrengung und Kunst strebt die rauhe Erde, die Adam zuerst bestellte, wieder in ein Paradies umzuschaffen. Auf der Stätte, wo Sumpf und Wüsten waren, erheben sich blühende Gärten, mit fremden und edlen Früchten und Thie¬ ren angefüllt. Landbau und Viehzucht haben die Na¬ tur erzogen und gebildet, ihre Kräfte bis zum höch¬
umklammert man mit allen Sinnen die Natur, und Weltgenuß iſt das Hoͤchſte geworden. Der Verſtand hat es ſich zur dringendſten Aufgabe gemacht, dem Sinnengenuß, darum auch dem phyſiſchen Wohlſtande zu dienen. Allen Scharfſinn und alles Combinations¬ vermoͤgen wenden wir auf, die Natur zu benutzen, ihr die Schaͤtze und Genuͤſſe abzuzwingen, die uns erfreuen ſollen. Dieſes Streben iſt natuͤrlich und loͤblich, wenn uͤber den irdiſchen Guͤtern die hoͤhern des Geiſtes nicht gaͤnzlich verabſaͤumt werden.
Melioration iſt die Abſicht der Phyſiokraten. Sie wollen die Zeugungskraft der Natur verſtaͤrken und veredeln, ihre Produkte vermehren und verfei¬ nern. Die Aufgabe iſt doppelt. Man noͤthigt der Na¬ tur theils ihre einfachen Produkte ab, theils veredelt man ſie durch kuͤnſtliches Verarbeiten. Landbau, im weiteſten Sinn des Wortes, und Fabrikation ſind die beiden Hauptzweige der Induſtrie. In beiden hat die Intelligenz Wunder gethan. Die Erziehungs¬ kunſt der Erde hat reichere Fruͤchte getragen, als die der Menſchen. Der Boden, die Pflanzen- und Thier¬ welt haben der Veredlung ſich willig und dankbar gefuͤgt. Des Menſchen Anſtrengung und Kunſt ſtrebt die rauhe Erde, die Adam zuerſt beſtellte, wieder in ein Paradies umzuſchaffen. Auf der Staͤtte, wo Sumpf und Wuͤſten waren, erheben ſich bluͤhende Gaͤrten, mit fremden und edlen Fruͤchten und Thie¬ ren angefuͤllt. Landbau und Viehzucht haben die Na¬ tur erzogen und gebildet, ihre Kraͤfte bis zum hoͤch¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0046"n="36"/>
umklammert man mit allen Sinnen die Natur, und<lb/>
Weltgenuß iſt das Hoͤchſte geworden. Der Verſtand<lb/>
hat es ſich zur dringendſten Aufgabe gemacht, dem<lb/>
Sinnengenuß, darum auch dem phyſiſchen Wohlſtande<lb/>
zu dienen. Allen Scharfſinn und alles Combinations¬<lb/>
vermoͤgen wenden wir auf, die Natur zu benutzen,<lb/>
ihr die Schaͤtze und Genuͤſſe abzuzwingen, die uns<lb/>
erfreuen ſollen. Dieſes Streben iſt natuͤrlich und<lb/>
loͤblich, wenn uͤber den irdiſchen Guͤtern die hoͤhern<lb/>
des Geiſtes nicht gaͤnzlich verabſaͤumt werden.</p><lb/><p>Melioration iſt die Abſicht der Phyſiokraten.<lb/>
Sie wollen die Zeugungskraft der Natur verſtaͤrken<lb/>
und veredeln, ihre Produkte vermehren und verfei¬<lb/>
nern. Die Aufgabe iſt doppelt. Man noͤthigt der Na¬<lb/>
tur theils ihre einfachen Produkte ab, theils veredelt<lb/>
man ſie durch kuͤnſtliches Verarbeiten. Landbau, im<lb/>
weiteſten Sinn des Wortes, und Fabrikation ſind<lb/>
die beiden Hauptzweige der Induſtrie. In beiden<lb/>
hat die Intelligenz Wunder gethan. Die Erziehungs¬<lb/>
kunſt der Erde hat reichere Fruͤchte getragen, als die<lb/>
der Menſchen. Der Boden, die Pflanzen- und Thier¬<lb/>
welt haben der Veredlung ſich willig und dankbar<lb/>
gefuͤgt. Des Menſchen Anſtrengung und Kunſt ſtrebt<lb/>
die rauhe Erde, die Adam zuerſt beſtellte, wieder in<lb/>
ein Paradies umzuſchaffen. Auf der Staͤtte, wo<lb/>
Sumpf und Wuͤſten waren, erheben ſich bluͤhende<lb/>
Gaͤrten, mit fremden und edlen Fruͤchten und Thie¬<lb/>
ren angefuͤllt. Landbau und Viehzucht haben die Na¬<lb/>
tur erzogen und gebildet, ihre Kraͤfte bis zum hoͤch¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[36/0046]
umklammert man mit allen Sinnen die Natur, und
Weltgenuß iſt das Hoͤchſte geworden. Der Verſtand
hat es ſich zur dringendſten Aufgabe gemacht, dem
Sinnengenuß, darum auch dem phyſiſchen Wohlſtande
zu dienen. Allen Scharfſinn und alles Combinations¬
vermoͤgen wenden wir auf, die Natur zu benutzen,
ihr die Schaͤtze und Genuͤſſe abzuzwingen, die uns
erfreuen ſollen. Dieſes Streben iſt natuͤrlich und
loͤblich, wenn uͤber den irdiſchen Guͤtern die hoͤhern
des Geiſtes nicht gaͤnzlich verabſaͤumt werden.
Melioration iſt die Abſicht der Phyſiokraten.
Sie wollen die Zeugungskraft der Natur verſtaͤrken
und veredeln, ihre Produkte vermehren und verfei¬
nern. Die Aufgabe iſt doppelt. Man noͤthigt der Na¬
tur theils ihre einfachen Produkte ab, theils veredelt
man ſie durch kuͤnſtliches Verarbeiten. Landbau, im
weiteſten Sinn des Wortes, und Fabrikation ſind
die beiden Hauptzweige der Induſtrie. In beiden
hat die Intelligenz Wunder gethan. Die Erziehungs¬
kunſt der Erde hat reichere Fruͤchte getragen, als die
der Menſchen. Der Boden, die Pflanzen- und Thier¬
welt haben der Veredlung ſich willig und dankbar
gefuͤgt. Des Menſchen Anſtrengung und Kunſt ſtrebt
die rauhe Erde, die Adam zuerſt beſtellte, wieder in
ein Paradies umzuſchaffen. Auf der Staͤtte, wo
Sumpf und Wuͤſten waren, erheben ſich bluͤhende
Gaͤrten, mit fremden und edlen Fruͤchten und Thie¬
ren angefuͤllt. Landbau und Viehzucht haben die Na¬
tur erzogen und gebildet, ihre Kraͤfte bis zum hoͤch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/46>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.