sten Grad entwickelt und ihr auch da, wo sie schwach und arm erschien, durch Inoculation den fremden Segen mitgetheilt. Durch Verpflanzen, Pfropfen und Vermischen ist die Vegetation wie die Thierwelt in unsern rauhen Gegenden bereichert und verfeinert worden; so wie gleichzeitig der Mensch durch die Aufnahme fremder Geistesprodukte gebildet wurde. Wie aber unser eignes geistiges Schaffen und Wir¬ ken umfassender und wichtiger ist, als jener fremde Unterricht, so ist auch in materieller Hinsicht die Fa¬ brikation, die künstliche Verarbeitung der Naturerzeug¬ nisse das wichtigste. Die Naturprodukte erhalten ih¬ ren höhern Werth erst durch den Gebrauch, den man davon zu machen weiß. Hier entsteht durch die Kunst eine zweite Natur zum nähern, feinern, zum mehr geistigen Dienst des Menschen. Durch die Fabrikate werden uns nicht nur Genüsse verschafft, die uns die Natur unmittelbar nicht darbieten kann, sondern die menschliche Kraft und Einsicht wird dadurch auch auf unendliche Weise verstärkt, und somit zugleich die Vervollkommnung des Geschlechts befördert. Ohne jene Fabrikate, die dem Geist nach allen Richtungen seiner Thätigkeit Werkzeuge leihen, würde die Cultur stets unvollkommen bleiben. Ohne sie wäre die Wis¬ senschaft und Kunst in ihren herrlichsten Erscheinungen ganz unmöglich. Wir brauchen zu unsern Erkenntnissen und Kunstwerken theils Instrumente, theils künstlich be¬ reitete Stoffe, ohne welche wir nichts ausrichten können. Nicht nur der Genuß des Lebens, auch die Bildung
ſten Grad entwickelt und ihr auch da, wo ſie ſchwach und arm erſchien, durch Inoculation den fremden Segen mitgetheilt. Durch Verpflanzen, Pfropfen und Vermiſchen iſt die Vegetation wie die Thierwelt in unſern rauhen Gegenden bereichert und verfeinert worden; ſo wie gleichzeitig der Menſch durch die Aufnahme fremder Geiſtesprodukte gebildet wurde. Wie aber unſer eignes geiſtiges Schaffen und Wir¬ ken umfaſſender und wichtiger iſt, als jener fremde Unterricht, ſo iſt auch in materieller Hinſicht die Fa¬ brikation, die kuͤnſtliche Verarbeitung der Naturerzeug¬ niſſe das wichtigſte. Die Naturprodukte erhalten ih¬ ren hoͤhern Werth erſt durch den Gebrauch, den man davon zu machen weiß. Hier entſteht durch die Kunſt eine zweite Natur zum naͤhern, feinern, zum mehr geiſtigen Dienſt des Menſchen. Durch die Fabrikate werden uns nicht nur Genuͤſſe verſchafft, die uns die Natur unmittelbar nicht darbieten kann, ſondern die menſchliche Kraft und Einſicht wird dadurch auch auf unendliche Weiſe verſtaͤrkt, und ſomit zugleich die Vervollkommnung des Geſchlechts befoͤrdert. Ohne jene Fabrikate, die dem Geiſt nach allen Richtungen ſeiner Thaͤtigkeit Werkzeuge leihen, wuͤrde die Cultur ſtets unvollkommen bleiben. Ohne ſie waͤre die Wiſ¬ ſenſchaft und Kunſt in ihren herrlichſten Erſcheinungen ganz unmoͤglich. Wir brauchen zu unſern Erkenntniſſen und Kunſtwerken theils Inſtrumente, theils kuͤnſtlich be¬ reitete Stoffe, ohne welche wir nichts ausrichten koͤnnen. Nicht nur der Genuß des Lebens, auch die Bildung
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ſten Grad entwickelt und ihr auch da, wo ſie ſchwach
und arm erſchien, durch Inoculation den fremden
Segen mitgetheilt. Durch Verpflanzen, Pfropfen und
Vermiſchen iſt die Vegetation wie die Thierwelt in
unſern rauhen Gegenden bereichert und verfeinert
worden; ſo wie gleichzeitig der Menſch durch die
Aufnahme fremder Geiſtesprodukte gebildet wurde.
Wie aber unſer eignes geiſtiges Schaffen und Wir¬
ken umfaſſender und wichtiger iſt, als jener fremde
Unterricht, ſo iſt auch in materieller Hinſicht die Fa¬
brikation, die kuͤnſtliche Verarbeitung der Naturerzeug¬
niſſe das wichtigſte. Die Naturprodukte erhalten ih¬
ren hoͤhern Werth erſt durch den Gebrauch, den man
davon zu machen weiß. Hier entſteht durch die Kunſt
eine zweite Natur zum naͤhern, feinern, zum mehr
geiſtigen Dienſt des Menſchen. Durch die Fabrikate
werden uns nicht nur Genuͤſſe verſchafft, die uns
die Natur unmittelbar nicht darbieten kann, ſondern
die menſchliche Kraft und Einſicht wird dadurch auch
auf unendliche Weiſe verſtaͤrkt, und ſomit zugleich
die Vervollkommnung des Geſchlechts befoͤrdert. Ohne
jene Fabrikate, die dem Geiſt nach allen Richtungen
ſeiner Thaͤtigkeit Werkzeuge leihen, wuͤrde die Cultur
ſtets unvollkommen bleiben. Ohne ſie waͤre die Wiſ¬
ſenſchaft und Kunſt in ihren herrlichſten Erſcheinungen
ganz unmoͤglich. Wir brauchen zu unſern Erkenntniſſen
und Kunſtwerken theils Inſtrumente, theils kuͤnſtlich be¬
reitete Stoffe, ohne welche wir nichts ausrichten koͤnnen.
Nicht nur der Genuß des Lebens, auch die Bildung
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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