Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.Kunst gesagt worden, finden wir zerstreut bei Phi¬ Die beste Ästhetik gehört freilich so sehr zu den Deutsche Literatur. II. 3
Kunſt geſagt worden, finden wir zerſtreut bei Phi¬ Die beſte Äſthetik gehoͤrt freilich ſo ſehr zu den Deutſche Literatur. II. 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="49"/> Kunſt geſagt worden, finden wir zerſtreut bei Phi¬<lb/> loſophen und Dichtern. Es hat ſich aber noch immer<lb/> in kein eigentliches Lehrbuch vereinigen laſſen. Dieſe<lb/> Lehrbuͤcher muͤſſen vielmehr in der Regel alle Tiefe<lb/> aufopfern, um in der Breite wenigſtens die Faͤcher<lb/> auseinanderzulegen, in welche man die Gegenſtaͤnde<lb/> der Kunſt zu ordnen pflegt. Wie der goͤttliche Plato,<lb/> ſo haben Winkelmann, Herder, Leſſing, Schiller,<lb/> Schelling, die Bruͤder Schlegel, Novalis, Goͤrres,<lb/> Tieck und andre die tiefſten Ideen uͤber die Kunſt<lb/> ausgeſprochen, die Philoſophen haben ſie auch in ein<lb/> philoſophiſches Syſtem gebracht, aber eine praktiſche<lb/> Äſthetik iſt daraus noch nicht erwachſen, und wer ſie<lb/> verſucht hat, iſt entweder wie Jean Paul vorſichtig<lb/> genug geweſen, nur Fragmente geben zu wollen, oder<lb/> hat ein trocknes Regiſter geliefert wie Sulzer, oder<lb/> ein noch kuͤmmerlicheres Fachwerk, wie Bouterweck,<lb/> Eberhard, Schreiber und andre.</p><lb/> <p>Die beſte Äſthetik gehoͤrt freilich ſo ſehr zu den<lb/> Idealen, wie die beſte Philoſophie, und die beſte<lb/> Darſtellung der Geſchichte. Doch ſind unſre philoſo¬<lb/> phiſchen und hiſtoriſchen Werke ohne allen Zweifel<lb/> beſſer, als die aͤſthetiſchen und deßhalb ſind wir auch<lb/> uͤber gewiſſe philoſophiſche Wahrheiten und geſchicht¬<lb/> liche Begebenheiten weit beſſer unterrichtet, als ſelbſt<lb/> uͤber die Rudimente der Kunſt. Nirgends herrſcht<lb/> ſo ſehr Willkuͤr und Beſchraͤnktheit, als in den Ur¬<lb/> theilen uͤber einzelne Kunſtwerke oder das ganze Ge¬<lb/> biet der Kunſt. Freilich muß das aͤſthetiſche Urtheil<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Deutſche Literatur. <hi rendition="#aq">II</hi>. 3<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0059]
Kunſt geſagt worden, finden wir zerſtreut bei Phi¬
loſophen und Dichtern. Es hat ſich aber noch immer
in kein eigentliches Lehrbuch vereinigen laſſen. Dieſe
Lehrbuͤcher muͤſſen vielmehr in der Regel alle Tiefe
aufopfern, um in der Breite wenigſtens die Faͤcher
auseinanderzulegen, in welche man die Gegenſtaͤnde
der Kunſt zu ordnen pflegt. Wie der goͤttliche Plato,
ſo haben Winkelmann, Herder, Leſſing, Schiller,
Schelling, die Bruͤder Schlegel, Novalis, Goͤrres,
Tieck und andre die tiefſten Ideen uͤber die Kunſt
ausgeſprochen, die Philoſophen haben ſie auch in ein
philoſophiſches Syſtem gebracht, aber eine praktiſche
Äſthetik iſt daraus noch nicht erwachſen, und wer ſie
verſucht hat, iſt entweder wie Jean Paul vorſichtig
genug geweſen, nur Fragmente geben zu wollen, oder
hat ein trocknes Regiſter geliefert wie Sulzer, oder
ein noch kuͤmmerlicheres Fachwerk, wie Bouterweck,
Eberhard, Schreiber und andre.
Die beſte Äſthetik gehoͤrt freilich ſo ſehr zu den
Idealen, wie die beſte Philoſophie, und die beſte
Darſtellung der Geſchichte. Doch ſind unſre philoſo¬
phiſchen und hiſtoriſchen Werke ohne allen Zweifel
beſſer, als die aͤſthetiſchen und deßhalb ſind wir auch
uͤber gewiſſe philoſophiſche Wahrheiten und geſchicht¬
liche Begebenheiten weit beſſer unterrichtet, als ſelbſt
uͤber die Rudimente der Kunſt. Nirgends herrſcht
ſo ſehr Willkuͤr und Beſchraͤnktheit, als in den Ur¬
theilen uͤber einzelne Kunſtwerke oder das ganze Ge¬
biet der Kunſt. Freilich muß das aͤſthetiſche Urtheil
Deutſche Literatur. II. 3
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