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Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1)

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partielle Gütergemeinschaft 1) hinzielen, wird es als Pflicht des Staates
hingestellt, die Not eines ausserordentlich grofssen Teiles des Volkes durch
Krankenkassen, Unfall-, Invaliden-, Altersversicherung und so weiter der Arbeiter
zu lindern, wozu die Wohlhabenden erhöhte Opfer bringen müssen. Doch
müssen letztere auch in ihrer gesamten Lebensführung die Grundsätze echt
christlicher Nächstenliebe
an den Tag legen, um die Ungleichheit des
Besitzes und Standes möglichst wenig hervortreten zu lassen.

5. Was ein Volk über den eigenen Bedarf hinaus produciert, führt es
aus
, das heißt sucht es in einem anderen Lande zu verkaufen; der Ausfuhr steht
gegenüber die Einfuhr von Erzeugnissen, welche das eigene Land nicht
liefert. -- Das Verhältnis von Ausfuhr zu Einfuhr heisst die Handelsbilanz,
die für ein Volk günstig ist, wenn es mehr aus- als einführt; übersteigt die
Einfuhr die Ausfuhr, so geht das Nationalvermögen zurück.2)

6. Streit ist darüber entstanden, wie der Staat sich dem Handel gegen-
über zu stellen habe: von einer Seite wird für den Handel und den Einzelnen
unbeschränkte freie Bewegung, das heißt volle Freiheit der Konkurrenz ge-
fordert, da dann im Interesse der Gesamtheit die Preise aller Waren am
niedrigsten sein würden (sogenanntes Freihandels- oder Manchester-System).3)
-- Die Gegner sagen: da die uneingeschränkte Freiheit der Konkurrenz den
Schwächeren oder weniger Fähigen zu Grunde richte, so sei der Staat im
Interesse der Gesamtheit verpflichtet, die Einfuhr von Waren, welche durch
ihre Billigkeit die heimischen Preise herabdrücken, durch höhere Eingangs-
zölle (Schutzzölle) zu verhindern, wenn zu grosse Kreise der Bevölkerung
durch jene billigen Preise zu verarmen drohen.

§ 13.

Es ist bisher gezeigt, wie wir uns die Anfänge und Entwickelung der
menschlichen Kultur zu denken haben; es ist aber schon bemerkt, dass die
Kultur bestimmt sei, der Menschheit die früh verloren gegangene ursprüng-
liche Einheit zurückzugeben. Denn die Kultur der einzelnen Völker hat von
Anbeginn an das Bestreben gezeigt, sich auszudehnen und immer grössere
Räume der Erde zu umfassen, ja, hat selbst die Idee eines Weltreiches
entstehen lassen, in dem die Menschheit auch äusserlich zu einer Einheit zu-
sammengefasst und sich der Einheit bewusst werden sollte.

Infolge dieses Strebens mussten, da Kultur an verschiedenen Punkten
der Erde durch eine Mehrzahl von Völkern entstand, die ebenso verschieden
waren wie es die einzelnen Menschen sind, die verschiedenen Kulturen sich
berühren und mit einander messen: die stärkere und fortgeschrittenere blieb
Sieger, nicht ohne oft von der besiegten zu lernen.

Die eigentliche Geschichte, die da beginnt, wo uns für die Er-
kenntnis der Schicksale des zuerst auftretenden Volkes hinreichende Quellen

1) Nur an den Mitteln der Gütererzeugung (Grundstücken, Werkhäusem, Maschinen und so weiter
sowie dem zur Produktion nötigen Kapital) soll kein Privateigentum, sondern Gesamteigentum
stattfinden, ähnlich wie Strassen, Verkehrsanstalten und so weiter sich im Staatseigentum bereits be-
finden. S. Schäffle, Quintessenz des Socialismus, S. 54 ff.
2) Dieser Satz dürfte trotz allem unanfechtbar bleiben; nur ist die Handelsbilanz genau auf-
zustellen fast unmöglich.
3) So genannt, weil Manchester 1839 der Hauptsitz der Vertreter dieses Systems war.

partielle Gütergemeinschaft 1) hinzielen, wird es als Pflicht des Staates
hingestellt, die Not eines auſserordentlich grofſsen Teiles des Volkes durch
Krankenkassen, Unfall-, Invaliden-, Altersversicherung und so weiter der Arbeiter
zu lindern, wozu die Wohlhabenden erhöhte Opfer bringen müssen. Doch
müssen letztere auch in ihrer gesamten Lebensführung die Grundsätze echt
christlicher Nächstenliebe
an den Tag legen, um die Ungleichheit des
Besitzes und Standes möglichst wenig hervortreten zu lassen.

5. Was ein Volk über den eigenen Bedarf hinaus produciert, führt es
aus
, das heißt sucht es in einem anderen Lande zu verkaufen; der Ausfuhr steht
gegenüber die Einfuhr von Erzeugnissen, welche das eigene Land nicht
liefert. — Das Verhältnis von Ausfuhr zu Einfuhr heiſst die Handelsbilanz,
die für ein Volk günstig ist, wenn es mehr aus- als einführt; übersteigt die
Einfuhr die Ausfuhr, so geht das Nationalvermögen zurück.2)

6. Streit ist darüber entstanden, wie der Staat sich dem Handel gegen-
über zu stellen habe: von einer Seite wird für den Handel und den Einzelnen
unbeschränkte freie Bewegung, das heißt volle Freiheit der Konkurrenz ge-
fordert, da dann im Interesse der Gesamtheit die Preise aller Waren am
niedrigsten sein würden (sogenanntes Freihandels- oder Manchester-System).3)
— Die Gegner sagen: da die uneingeschränkte Freiheit der Konkurrenz den
Schwächeren oder weniger Fähigen zu Grunde richte, so sei der Staat im
Interesse der Gesamtheit verpflichtet, die Einfuhr von Waren, welche durch
ihre Billigkeit die heimischen Preise herabdrücken, durch höhere Eingangs-
zölle (Schutzzölle) zu verhindern, wenn zu groſse Kreise der Bevölkerung
durch jene billigen Preise zu verarmen drohen.

§ 13.

Es ist bisher gezeigt, wie wir uns die Anfänge und Entwickelung der
menschlichen Kultur zu denken haben; es ist aber schon bemerkt, daſs die
Kultur bestimmt sei, der Menschheit die früh verloren gegangene ursprüng-
liche Einheit zurückzugeben. Denn die Kultur der einzelnen Völker hat von
Anbeginn an das Bestreben gezeigt, sich auszudehnen und immer gröſsere
Räume der Erde zu umfassen, ja, hat selbst die Idee eines Weltreiches
entstehen lassen, in dem die Menschheit auch äuſserlich zu einer Einheit zu-
sammengefaſst und sich der Einheit bewuſst werden sollte.

Infolge dieses Strebens muſsten, da Kultur an verschiedenen Punkten
der Erde durch eine Mehrzahl von Völkern entstand, die ebenso verschieden
waren wie es die einzelnen Menschen sind, die verschiedenen Kulturen sich
berühren und mit einander messen: die stärkere und fortgeschrittenere blieb
Sieger, nicht ohne oft von der besiegten zu lernen.

Die eigentliche Geschichte, die da beginnt, wo uns für die Er-
kenntnis der Schicksale des zuerst auftretenden Volkes hinreichende Quellen

1) Nur an den Mitteln der Gütererzeugung (Grundstücken, Werkhäusem, Maschinen und so weiter
sowie dem zur Produktion nötigen Kapital) soll kein Privateigentum, sondern Gesamteigentum
stattfinden, ähnlich wie Straſsen, Verkehrsanstalten und so weiter sich im Staatseigentum bereits be-
finden. S. Schäffle, Quintessenz des Socialismus, S. 54 ff.
2) Dieser Satz dürfte trotz allem unanfechtbar bleiben; nur ist die Handelsbilanz genau auf-
zustellen fast unmöglich.
3) So genannt, weil Manchester 1839 der Hauptsitz der Vertreter dieses Systems war.
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[— 14 —/0024] partielle Gütergemeinschaft 1) hinzielen, wird es als Pflicht des Staates hingestellt, die Not eines auſserordentlich grofſsen Teiles des Volkes durch Krankenkassen, Unfall-, Invaliden-, Altersversicherung u. s. w. der Arbeiter zu lindern, wozu die Wohlhabenden erhöhte Opfer bringen müssen. Doch müssen letztere auch in ihrer gesamten Lebensführung die Grundsätze echt christlicher Nächstenliebe an den Tag legen, um die Ungleichheit des Besitzes und Standes möglichst wenig hervortreten zu lassen. 5. Was ein Volk über den eigenen Bedarf hinaus produciert, führt es aus, d. h. sucht es in einem anderen Lande zu verkaufen; der Ausfuhr steht gegenüber die Einfuhr von Erzeugnissen, welche das eigene Land nicht liefert. — Das Verhältnis von Ausfuhr zu Einfuhr heiſst die Handelsbilanz, die für ein Volk günstig ist, wenn es mehr aus- als einführt; übersteigt die Einfuhr die Ausfuhr, so geht das Nationalvermögen zurück. 2) 6. Streit ist darüber entstanden, wie der Staat sich dem Handel gegen- über zu stellen habe: von einer Seite wird für den Handel und den Einzelnen unbeschränkte freie Bewegung, d. h. volle Freiheit der Konkurrenz ge- fordert, da dann im Interesse der Gesamtheit die Preise aller Waren am niedrigsten sein würden (sog. Freihandels- oder Manchester-System). 3) — Die Gegner sagen: da die uneingeschränkte Freiheit der Konkurrenz den Schwächeren oder weniger Fähigen zu Grunde richte, so sei der Staat im Interesse der Gesamtheit verpflichtet, die Einfuhr von Waren, welche durch ihre Billigkeit die heimischen Preise herabdrücken, durch höhere Eingangs- zölle (Schutzzölle) zu verhindern, wenn zu groſse Kreise der Bevölkerung durch jene billigen Preise zu verarmen drohen. § 13. Es ist bisher gezeigt, wie wir uns die Anfänge und Entwickelung der menschlichen Kultur zu denken haben; es ist aber schon bemerkt, daſs die Kultur bestimmt sei, der Menschheit die früh verloren gegangene ursprüng- liche Einheit zurückzugeben. Denn die Kultur der einzelnen Völker hat von Anbeginn an das Bestreben gezeigt, sich auszudehnen und immer gröſsere Räume der Erde zu umfassen, ja, hat selbst die Idee eines Weltreiches entstehen lassen, in dem die Menschheit auch äuſserlich zu einer Einheit zu- sammengefaſst und sich der Einheit bewuſst werden sollte. Infolge dieses Strebens muſsten, da Kultur an verschiedenen Punkten der Erde durch eine Mehrzahl von Völkern entstand, die ebenso verschieden waren wie es die einzelnen Menschen sind, die verschiedenen Kulturen sich berühren und mit einander messen: die stärkere und fortgeschrittenere blieb Sieger, nicht ohne oft von der besiegten zu lernen. Die eigentliche Geschichte, die da beginnt, wo uns für die Er- kenntnis der Schicksale des zuerst auftretenden Volkes hinreichende Quellen 1) Nur an den Mitteln der Gütererzeugung (Grundstücken, Werkhäusem, Maschinen u. s. w. sowie dem zur Produktion nötigen Kapital) soll kein Privateigentum, sondern Gesamteigentum stattfinden, ähnlich wie Straſsen, Verkehrsanstalten u. s. w. sich im Staatseigentum bereits be- finden. S. Schäffle, Quintessenz des Socialismus, S. 54 ff. 2) Dieser Satz dürfte trotz allem unanfechtbar bleiben; nur ist die Handelsbilanz genau auf- zustellen fast unmöglich. 3) So genannt, weil Manchester 1839 der Hauptsitz der Vertreter dieses Systems war.

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Zitationshilfe: Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1), S. — 14 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_geschichte_1890/24>, abgerufen am 21.11.2024.