hätten sie es sonst gewagt, mir spanischerseits Bündens Unabhängigkeit in seinen alten Grenzen als Preis un¬ serer Trennung von Frankreich anzubieten, ja versucht, mich durch gemeines Gold von Euch zu scheiden! . . Ich beschwöre Euch, edler Herr, macht diesen Vorspie¬ gelungen ein Ende, indem Ihr die zwischen uns verein¬ barte und von Eurem König unterschriebene Akte allem Volke kund gebt. Sonst wird Bünden an Frankreichs Absichten irre, die spanischen Versprechungen verwirren die Gemüther und wir versinken wieder in das Blutbad des Bürgerkrieges, aus dem Ihr uns emporzogt!"
Der Herzog antwortete nicht. Er erhob sich rasch, trat ans Fenster und blickte nachdenklich in die Berg¬ landschaft hinaus, deren untere Stufen im Schatten lagen, während die höchst gelegenen Weiler noch in der Sonne glitzerten.
"Gott weiß, wie lieb mir dieses Land ist," wandte er sich jetzt zu Jenatsch, "und wie gern ich Alles daran setze, um es wieder glücklich und frei zu machen! . . Darum versteht niemand besser als ich Eure eifersüch¬ tige Vaterlandsliebe, auch wo sie sich ungeduldig und rauh, und heute mir, dem redlichsten Freunde Bündens gegenüber, ehrlich gestanden, grausam äußert. Doch gebt Ihr mir zugleich so überzeugende Beweise von Eurer Aufopferung und Treue, da Ihr bei Euren Ka¬
hätten ſie es ſonſt gewagt, mir ſpaniſcherſeits Bündens Unabhängigkeit in ſeinen alten Grenzen als Preis un¬ ſerer Trennung von Frankreich anzubieten, ja verſucht, mich durch gemeines Gold von Euch zu ſcheiden! . . Ich beſchwöre Euch, edler Herr, macht dieſen Vorſpie¬ gelungen ein Ende, indem Ihr die zwiſchen uns verein¬ barte und von Eurem König unterſchriebene Akte allem Volke kund gebt. Sonſt wird Bünden an Frankreichs Abſichten irre, die ſpaniſchen Verſprechungen verwirren die Gemüther und wir verſinken wieder in das Blutbad des Bürgerkrieges, aus dem Ihr uns emporzogt!“
Der Herzog antwortete nicht. Er erhob ſich raſch, trat ans Fenſter und blickte nachdenklich in die Berg¬ landſchaft hinaus, deren untere Stufen im Schatten lagen, während die höchſt gelegenen Weiler noch in der Sonne glitzerten.
„Gott weiß, wie lieb mir dieſes Land iſt,“ wandte er ſich jetzt zu Jenatſch, „und wie gern ich Alles daran ſetze, um es wieder glücklich und frei zu machen! . . Darum verſteht niemand beſſer als ich Eure eiferſüch¬ tige Vaterlandsliebe, auch wo ſie ſich ungeduldig und rauh, und heute mir, dem redlichſten Freunde Bündens gegenüber, ehrlich geſtanden, grauſam äußert. Doch gebt Ihr mir zugleich ſo überzeugende Beweiſe von Eurer Aufopferung und Treue, da Ihr bei Euren Ka¬
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hätten ſie es ſonſt gewagt, mir ſpaniſcherſeits Bündens
Unabhängigkeit in ſeinen alten Grenzen als Preis un¬
ſerer Trennung von Frankreich anzubieten, ja verſucht,
mich durch gemeines Gold von Euch zu ſcheiden! . .
Ich beſchwöre Euch, edler Herr, macht dieſen Vorſpie¬
gelungen ein Ende, indem Ihr die zwiſchen uns verein¬
barte und von Eurem König unterſchriebene Akte allem
Volke kund gebt. Sonſt wird Bünden an Frankreichs
Abſichten irre, die ſpaniſchen Verſprechungen verwirren
die Gemüther und wir verſinken wieder in das Blutbad
des Bürgerkrieges, aus dem Ihr uns emporzogt!“
Der Herzog antwortete nicht. Er erhob ſich raſch,
trat ans Fenſter und blickte nachdenklich in die Berg¬
landſchaft hinaus, deren untere Stufen im Schatten
lagen, während die höchſt gelegenen Weiler noch in der
Sonne glitzerten.
„Gott weiß, wie lieb mir dieſes Land iſt,“ wandte
er ſich jetzt zu Jenatſch, „und wie gern ich Alles daran
ſetze, um es wieder glücklich und frei zu machen! . .
Darum verſteht niemand beſſer als ich Eure eiferſüch¬
tige Vaterlandsliebe, auch wo ſie ſich ungeduldig und
rauh, und heute mir, dem redlichſten Freunde Bündens
gegenüber, ehrlich geſtanden, grauſam äußert. Doch
gebt Ihr mir zugleich ſo überzeugende Beweiſe von
Eurer Aufopferung und Treue, da Ihr bei Euren Ka¬
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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