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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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war an der Rückseite des Hauses das einzelne Seiten¬
fenster mit seiner durch ein schweres Eisengitter flam¬
menden Helle. Er schwang sich auf die Ruine eines
an die Hausmauer gelehnten Ziegenstalles und es gelang
ihm, in die Tiefe des rauchigen Gemaches zu blicken.

Da stand am lodernden Herdfeuer eine stein¬
alte Frau mit einem grundehrlichen Gesichte und hielt
eine Eisenpfanne in der Hand, worin Bergforellen im
prasselnden Fette brieten. Ein bleicher Bursche, dessen
krankhaft starre Züge in dem Schwalle des dunkeln
verwirrten Lockenhaares fast verschwanden, schlief, in
eine Schafhaut gewickelt, auf einer Steinbank im Hinter¬
grunde.

Jetzt galt es klug sein. Waser, als angehender
Diplomat, suchte erst lauschend sich die Situation klar
zu machen und dann den Punkt zu finden, von welchem
aus er sich derselben bemächtigen könnte. Der Zufall
war ihm günstig. Der bleiche Schläfer begann mit
einem ängstlichen Traume zu kämpfen; erst warf er sich
ächzend hin und her, von einer Seite auf die andere,
dann richtete er sich plötzlich mit geschlossenen Augen
und einem Ausdrucke stumpfen Seelenleidens auf, ballte
die Faust, als umschlösse sie eine Waffe, führte einen
Stoß und stöhnte mit dumpfer Traumstimme: "Du
wolltest es, Santissima!"

war an der Rückſeite des Hauſes das einzelne Seiten¬
fenſter mit ſeiner durch ein ſchweres Eiſengitter flam¬
menden Helle. Er ſchwang ſich auf die Ruine eines
an die Hausmauer gelehnten Ziegenſtalles und es gelang
ihm, in die Tiefe des rauchigen Gemaches zu blicken.

Da ſtand am lodernden Herdfeuer eine ſtein¬
alte Frau mit einem grundehrlichen Geſichte und hielt
eine Eiſenpfanne in der Hand, worin Bergforellen im
praſſelnden Fette brieten. Ein bleicher Burſche, deſſen
krankhaft ſtarre Züge in dem Schwalle des dunkeln
verwirrten Lockenhaares faſt verſchwanden, ſchlief, in
eine Schafhaut gewickelt, auf einer Steinbank im Hinter¬
grunde.

Jetzt galt es klug ſein. Waſer, als angehender
Diplomat, ſuchte erſt lauſchend ſich die Situation klar
zu machen und dann den Punkt zu finden, von welchem
aus er ſich derſelben bemächtigen könnte. Der Zufall
war ihm günſtig. Der bleiche Schläfer begann mit
einem ängſtlichen Traume zu kämpfen; erſt warf er ſich
ächzend hin und her, von einer Seite auf die andere,
dann richtete er ſich plötzlich mit geſchloſſenen Augen
und einem Ausdrucke ſtumpfen Seelenleidens auf, ballte
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Stoß und ſtöhnte mit dumpfer Traumſtimme: „Du
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[34/0044] war an der Rückſeite des Hauſes das einzelne Seiten¬ fenſter mit ſeiner durch ein ſchweres Eiſengitter flam¬ menden Helle. Er ſchwang ſich auf die Ruine eines an die Hausmauer gelehnten Ziegenſtalles und es gelang ihm, in die Tiefe des rauchigen Gemaches zu blicken. Da ſtand am lodernden Herdfeuer eine ſtein¬ alte Frau mit einem grundehrlichen Geſichte und hielt eine Eiſenpfanne in der Hand, worin Bergforellen im praſſelnden Fette brieten. Ein bleicher Burſche, deſſen krankhaft ſtarre Züge in dem Schwalle des dunkeln verwirrten Lockenhaares faſt verſchwanden, ſchlief, in eine Schafhaut gewickelt, auf einer Steinbank im Hinter¬ grunde. Jetzt galt es klug ſein. Waſer, als angehender Diplomat, ſuchte erſt lauſchend ſich die Situation klar zu machen und dann den Punkt zu finden, von welchem aus er ſich derſelben bemächtigen könnte. Der Zufall war ihm günſtig. Der bleiche Schläfer begann mit einem ängſtlichen Traume zu kämpfen; erſt warf er ſich ächzend hin und her, von einer Seite auf die andere, dann richtete er ſich plötzlich mit geſchloſſenen Augen und einem Ausdrucke ſtumpfen Seelenleidens auf, ballte die Fauſt, als umſchlöſſe ſie eine Waffe, führte einen Stoß und ſtöhnte mit dumpfer Traumſtimme: „Du wollteſt es, Santiſſima!“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/44>, abgerufen am 21.11.2024.