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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Geduld, Geduld, Geduld! -- Pensionswesen -- Wintercurorte.
empfiehlt, mit Goldperlen darauf zu sticken. Alle Dichter
sind reich daran. Z. B. sagt Rückert:

Wenn dir es übel geht, nimm es für gut nur immer,
Wenn du es übel nimmst, so geht es dir noch schlimmer,
Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih's ihm und versteh,
Es ist ihm selbst nicht wohl, sonst thät' er dir nicht weh.

Die folgenden Zeilen:

Und wenn die Lieb' dich kränkt, sei's dir zur Lieb' ein Sporn,
Daß du die Rose hast, das spürst du erst am Dorn.

dürfen sie für sich behalten. Auch an Sprüchwörtern fehlt's
nicht, z. B. "Leichter trägt, was er trägt, wer Geduld zur
Bürde legt," oder "Schweig, leid' und lach', Geduld über-
wind't all' Sach'." -- --

In Curorten jeder Art, namentlich den für den Winter-
aufenthalt bestimmten klimatischen, spielt eine große Rolle
das Pensionswesen. Ursprünglich schweizer Erfindung,
breitet es sich von Jahr zu Jahr weiter aus über die Touristen-
gebiete, obwohl die wahre, echte Pension allerwärts selten ist.
Eine solche nur für ständige Gäste berechnete Anstalt halte
ich für kaum vereinbar mit dem eigentlichen Wirthshause,
denn das Wesen derselben sehe ich nicht darin, daß ein Hotel
mit großen Buchstaben zugleich als Pension Suisse und
Boarding House bezeichnet ist, noch darin, daß länger ver-
weilende Gäste ermäßigte Pauschpreise ausmachen können.
Eine Pension im engern Sinne kann schon ein Wirth, der
nur einige Zimmer der Sache widmet, um ein paar Wochen
vor und nach der Fremdenschwarmzeit sein Haus mehr zu
füllen, beim besten Willen nicht leicht zu Stande bringen,
denn die täglich sich verändernde Gesellschaft am Eßtisch, die
Störungen spät Abends und früh Morgens, das unablässige
Klingelsturmgeläute im zwei-, drei- und vierschlägigen Rhyth-
mus, das Auf- und Abrennen der Kellner und Hausknechte,
das geschäftige und geschäftliche Wesen des Wirths u. s. w.
verscheuchen die Genien des Friedens und der Ruhe, die in
einer Pension wohnen und walten sollen. Eine solche glücklich

V. Geduld, Geduld, Geduld! — Penſionsweſen — Wintercurorte.
empfiehlt, mit Goldperlen darauf zu ſticken. Alle Dichter
ſind reich daran. Z. B. ſagt Rückert:

Wenn dir es übel geht, nimm es für gut nur immer,
Wenn du es übel nimmſt, ſo geht es dir noch ſchlimmer,
Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih’s ihm und verſteh,
Es iſt ihm ſelbſt nicht wohl, ſonſt thät’ er dir nicht weh.

Die folgenden Zeilen:

Und wenn die Lieb’ dich kränkt, ſei’s dir zur Lieb’ ein Sporn,
Daß du die Roſe haſt, das ſpürſt du erſt am Dorn.

dürfen ſie für ſich behalten. Auch an Sprüchwörtern fehlt’s
nicht, z. B. „Leichter trägt, was er trägt, wer Geduld zur
Bürde legt,“ oder „Schweig, leid’ und lach’, Geduld über-
wind’t all’ Sach’.“ — —

In Curorten jeder Art, namentlich den für den Winter-
aufenthalt beſtimmten klimatiſchen, ſpielt eine große Rolle
das Penſionsweſen. Urſprünglich ſchweizer Erfindung,
breitet es ſich von Jahr zu Jahr weiter aus über die Touriſten-
gebiete, obwohl die wahre, echte Penſion allerwärts ſelten iſt.
Eine ſolche nur für ſtändige Gäſte berechnete Anſtalt halte
ich für kaum vereinbar mit dem eigentlichen Wirthshauſe,
denn das Weſen derſelben ſehe ich nicht darin, daß ein Hôtel
mit großen Buchſtaben zugleich als Pension Suisse und
Boarding House bezeichnet iſt, noch darin, daß länger ver-
weilende Gäſte ermäßigte Pauſchpreiſe ausmachen können.
Eine Penſion im engern Sinne kann ſchon ein Wirth, der
nur einige Zimmer der Sache widmet, um ein paar Wochen
vor und nach der Fremdenſchwarmzeit ſein Haus mehr zu
füllen, beim beſten Willen nicht leicht zu Stande bringen,
denn die täglich ſich verändernde Geſellſchaft am Eßtiſch, die
Störungen ſpät Abends und früh Morgens, das unabläſſige
Klingelſturmgeläute im zwei-, drei- und vierſchlägigen Rhyth-
mus, das Auf- und Abrennen der Kellner und Hausknechte,
das geſchäftige und geſchäftliche Weſen des Wirths u. ſ. w.
verſcheuchen die Genien des Friedens und der Ruhe, die in
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[141/0155] V. Geduld, Geduld, Geduld! — Penſionsweſen — Wintercurorte. empfiehlt, mit Goldperlen darauf zu ſticken. Alle Dichter ſind reich daran. Z. B. ſagt Rückert: Wenn dir es übel geht, nimm es für gut nur immer, Wenn du es übel nimmſt, ſo geht es dir noch ſchlimmer, Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih’s ihm und verſteh, Es iſt ihm ſelbſt nicht wohl, ſonſt thät’ er dir nicht weh. Die folgenden Zeilen: Und wenn die Lieb’ dich kränkt, ſei’s dir zur Lieb’ ein Sporn, Daß du die Roſe haſt, das ſpürſt du erſt am Dorn. dürfen ſie für ſich behalten. Auch an Sprüchwörtern fehlt’s nicht, z. B. „Leichter trägt, was er trägt, wer Geduld zur Bürde legt,“ oder „Schweig, leid’ und lach’, Geduld über- wind’t all’ Sach’.“ — — In Curorten jeder Art, namentlich den für den Winter- aufenthalt beſtimmten klimatiſchen, ſpielt eine große Rolle das Penſionsweſen. Urſprünglich ſchweizer Erfindung, breitet es ſich von Jahr zu Jahr weiter aus über die Touriſten- gebiete, obwohl die wahre, echte Penſion allerwärts ſelten iſt. Eine ſolche nur für ſtändige Gäſte berechnete Anſtalt halte ich für kaum vereinbar mit dem eigentlichen Wirthshauſe, denn das Weſen derſelben ſehe ich nicht darin, daß ein Hôtel mit großen Buchſtaben zugleich als Pension Suisse und Boarding House bezeichnet iſt, noch darin, daß länger ver- weilende Gäſte ermäßigte Pauſchpreiſe ausmachen können. Eine Penſion im engern Sinne kann ſchon ein Wirth, der nur einige Zimmer der Sache widmet, um ein paar Wochen vor und nach der Fremdenſchwarmzeit ſein Haus mehr zu füllen, beim beſten Willen nicht leicht zu Stande bringen, denn die täglich ſich verändernde Geſellſchaft am Eßtiſch, die Störungen ſpät Abends und früh Morgens, das unabläſſige Klingelſturmgeläute im zwei-, drei- und vierſchlägigen Rhyth- mus, das Auf- und Abrennen der Kellner und Hausknechte, das geſchäftige und geſchäftliche Weſen des Wirths u. ſ. w. verſcheuchen die Genien des Friedens und der Ruhe, die in einer Penſion wohnen und walten ſollen. Eine ſolche glücklich

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/155>, abgerufen am 21.11.2024.