Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.V. Ernste Ueberlegungen -- Waffen gegen Langeweile. legen, wenn ihm eine berathende Stimme über die Auswahlzugestanden würde. Jeder, der im Süden sein Winterquartier als Curgast Eine Ideenverbindung, die keiner Erläuterung bedarf, führt So Mancher, der durch Noth, Ehrgeiz, Pflichtgefühl V. Ernſte Ueberlegungen — Waffen gegen Langeweile. legen, wenn ihm eine berathende Stimme über die Auswahlzugeſtanden würde. Jeder, der im Süden ſein Winterquartier als Curgaſt Eine Ideenverbindung, die keiner Erläuterung bedarf, führt So Mancher, der durch Noth, Ehrgeiz, Pflichtgefühl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0167" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Ernſte Ueberlegungen — Waffen gegen Langeweile.</fw><lb/> legen, wenn ihm eine berathende Stimme über die Auswahl<lb/> zugeſtanden würde.</p><lb/> <p>Jeder, der im Süden ſein Winterquartier als Curgaſt<lb/> nehmen will, hat übrigens vorher alles Ernſtes nicht nur<lb/> mit ſeinem Hausarzte, ſondern auch <hi rendition="#g">mit ſich ſelber zu<lb/> Rathe zu gehen</hi>. Unter Umſtänden, z. B. wenn ſeine<lb/> Krankheit ſchon ſehr weit vorgeſchritten, oder es ihm gar zu<lb/> ſchwer wird, ſich von den Seinigen zu trennen, oder wenn<lb/> er überaus weichlich und abhängig von Gewohnheiten iſt,<lb/> thut er gewiß oft beſſer, daheim zu bleiben. In vielen<lb/> Winterſtationen (der Buchſtabe M. führt deren allein vier<lb/> erſten Ranges auf: <placeName>Meran</placeName>, <placeName>Montreux</placeName>, <placeName>Mentone</placeName>, <placeName>Madeira</placeName>)<lb/> ſieht man nur zu häufig Geſtalten, denen im Geſicht ge-<lb/> ſchrieben ſteht, daß an ihrem Herzen der Gram des Heimweh<lb/> nagt, verheerender noch als die Tuberculoſe an ihrer Lunge.<lb/> Ich glaube, einige von Euch, Ihr Herren Hausärzte, geben<lb/> das <hi rendition="#aq">consilium abeundi</hi> etwas zu raſch. Nichts für ungut! —</p><lb/> <p>Eine Ideenverbindung, die keiner Erläuterung bedarf, führt<lb/> uns von Curorten und Penſionen auf — die <hi rendition="#g">Langeweile</hi>.</p><lb/> <p>So Mancher, der durch Noth, Ehrgeiz, Pflichtgefühl<lb/> oder andere ſtarke Triebfedern Jahr aus Jahr ein in an-<lb/> geſtrengter Thätigkeit gehalten wird, benutzt gern die kurzen<lb/> Raſten, die ihm bei ſeiner Familie und ſeinen Freunden<lb/> vergönnt ſind, um über die „Laſt der Arbeit“ zu klagen und<lb/> ſeine brennende Sehnſucht nach Ruhe auszuſprechen. Erſt<lb/> wenn ihm einmal dieſe Ruhe für längere Zeit auferlegt iſt,<lb/> ſei es zwangsweiſe, durch Kränklichkeit, Alter, Verhältniſſe,<lb/> Perſonen, oder ſei es, daß ihn ſein eigener freier Entſchluß<lb/> in Ruheſtand verſetzt hat, weil er „nun endlich einmal ſein<lb/> Leben, die Früchte ſeiner Thätigkeit, genießen möchte“ — erſt<lb/> dann bemerkt er, welcher Segen auf der Arbeit, der berufs-<lb/> mäßigen, geregelten, zwingenden Arbeit liegt. Selbſt das<lb/> ehemalige Uebermaß, welches er ſo oft verwünſchte, tauſchte<lb/> er gern ein gegen den jetzigen völligen Mangel. Bevorzugte,<lb/> hochgeborene Naturen gibt es zwar, Dichter und Denker, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0167]
V. Ernſte Ueberlegungen — Waffen gegen Langeweile.
legen, wenn ihm eine berathende Stimme über die Auswahl
zugeſtanden würde.
Jeder, der im Süden ſein Winterquartier als Curgaſt
nehmen will, hat übrigens vorher alles Ernſtes nicht nur
mit ſeinem Hausarzte, ſondern auch mit ſich ſelber zu
Rathe zu gehen. Unter Umſtänden, z. B. wenn ſeine
Krankheit ſchon ſehr weit vorgeſchritten, oder es ihm gar zu
ſchwer wird, ſich von den Seinigen zu trennen, oder wenn
er überaus weichlich und abhängig von Gewohnheiten iſt,
thut er gewiß oft beſſer, daheim zu bleiben. In vielen
Winterſtationen (der Buchſtabe M. führt deren allein vier
erſten Ranges auf: Meran, Montreux, Mentone, Madeira)
ſieht man nur zu häufig Geſtalten, denen im Geſicht ge-
ſchrieben ſteht, daß an ihrem Herzen der Gram des Heimweh
nagt, verheerender noch als die Tuberculoſe an ihrer Lunge.
Ich glaube, einige von Euch, Ihr Herren Hausärzte, geben
das consilium abeundi etwas zu raſch. Nichts für ungut! —
Eine Ideenverbindung, die keiner Erläuterung bedarf, führt
uns von Curorten und Penſionen auf — die Langeweile.
So Mancher, der durch Noth, Ehrgeiz, Pflichtgefühl
oder andere ſtarke Triebfedern Jahr aus Jahr ein in an-
geſtrengter Thätigkeit gehalten wird, benutzt gern die kurzen
Raſten, die ihm bei ſeiner Familie und ſeinen Freunden
vergönnt ſind, um über die „Laſt der Arbeit“ zu klagen und
ſeine brennende Sehnſucht nach Ruhe auszuſprechen. Erſt
wenn ihm einmal dieſe Ruhe für längere Zeit auferlegt iſt,
ſei es zwangsweiſe, durch Kränklichkeit, Alter, Verhältniſſe,
Perſonen, oder ſei es, daß ihn ſein eigener freier Entſchluß
in Ruheſtand verſetzt hat, weil er „nun endlich einmal ſein
Leben, die Früchte ſeiner Thätigkeit, genießen möchte“ — erſt
dann bemerkt er, welcher Segen auf der Arbeit, der berufs-
mäßigen, geregelten, zwingenden Arbeit liegt. Selbſt das
ehemalige Uebermaß, welches er ſo oft verwünſchte, tauſchte
er gern ein gegen den jetzigen völligen Mangel. Bevorzugte,
hochgeborene Naturen gibt es zwar, Dichter und Denker, die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |