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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VI. Welche Gasthöfe Sparsame meiden.
gewohnt sind, das sicherste Mittel, den Schlaf zu stören.
Was thut nun der Mann von Erfahrung in solchen harten
Nothzuständen? -- Er nimmt eine Anzahl Plaidnadeln und
stellt damit eine Verbindung her zwischen den Bestandtheilen
seiner Hülle.

Durch übermäßige Preise bei schlechten Leistungen zeichnen
sich besonders Wirthschaften aus, welche dicht an oder auf
dem Wege zu einem vielbesuchten Punkte vereinzelt liegen,
fast nur für Ein Frühstück, Ein Mittagsmal, Eine Nacht be-
nutzt werden und täglich wechselndes, buntgemischtes Publikum
haben. Solcher mit zu bezeichnender Häuser (vgl. S. 169)
könnte ich eine gute Anzahl namhaft machen, begnüge mich
jedoch mit der Bemerkung, daß Scorpione nicht blos in süd-
lichen Breiten hausen, sondern auch im Norden bis nach
Schottland und Norwegen, und daß sie sich ebenso gern in
Palästen aufhalten wie in Hütten und altem Gemäuer. In
dieselbe Kategorie gehören auch viele Wirthe, Zimmer-
vermiether, Händler, Kutscher etc. in Orten, die eben erst
angefangen haben, in Mode zu kommen, und zeitweilig in
einem Uebergangszustande sind: ihre alte, unschuldige, an-
spruchslose Dorfmäßigkeit oder Kleinbürgerlichkeit haben sie
verloren, die Gewiegtheit großer Geschäftsleute noch nicht
erworben und so sind sie in einem Zustand des Rausches und
der phantastischen Willkür. In allen von ernsthaft Kranken
vielbesuchten, seit lange dafür eingerichteten Bädern hat die
regelmäßige, stetige Nachfrage meistens gesundere, den örtlichen
Umständen angemessene Preise hervorgerufen.

Den Reisehandbüchern muß überlassen bleiben, über die
Behandlung der unsicheren Districte Näheres anzugeben, nur
eines in vielen Fällen der Art anwendbaren Schutzmittels
soll hier noch Erwähnung geschehen: der Gast macht selbst
und nennt ausdrücklich bei Bestellung den Preis, natürlich
unter Rücksicht auf die Oertlichkeit, anstatt die Speisekarte
zu fordern, nach der Table-d'hote zu fragen, oder zu be-
stellen und Berechnung abzuwarten. Zumal wenn man in

VI. Welche Gaſthöfe Sparſame meiden.
gewohnt ſind, das ſicherſte Mittel, den Schlaf zu ſtören.
Was thut nun der Mann von Erfahrung in ſolchen harten
Nothzuſtänden? — Er nimmt eine Anzahl Plaidnadeln und
ſtellt damit eine Verbindung her zwiſchen den Beſtandtheilen
ſeiner Hülle.

Durch übermäßige Preiſe bei ſchlechten Leiſtungen zeichnen
ſich beſonders Wirthſchaften aus, welche dicht an oder auf
dem Wege zu einem vielbeſuchten Punkte vereinzelt liegen,
faſt nur für Ein Frühſtück, Ein Mittagsmal, Eine Nacht be-
nutzt werden und täglich wechſelndes, buntgemiſchtes Publikum
haben. Solcher mit ♏ zu bezeichnender Häuſer (vgl. S. 169)
könnte ich eine gute Anzahl namhaft machen, begnüge mich
jedoch mit der Bemerkung, daß Scorpione nicht blos in ſüd-
lichen Breiten hauſen, ſondern auch im Norden bis nach
Schottland und Norwegen, und daß ſie ſich ebenſo gern in
Paläſten aufhalten wie in Hütten und altem Gemäuer. In
dieſelbe Kategorie gehören auch viele Wirthe, Zimmer-
vermiether, Händler, Kutſcher ꝛc. in Orten, die eben erſt
angefangen haben, in Mode zu kommen, und zeitweilig in
einem Uebergangszuſtande ſind: ihre alte, unſchuldige, an-
ſpruchsloſe Dorfmäßigkeit oder Kleinbürgerlichkeit haben ſie
verloren, die Gewiegtheit großer Geſchäftsleute noch nicht
erworben und ſo ſind ſie in einem Zuſtand des Rauſches und
der phantaſtiſchen Willkür. In allen von ernſthaft Kranken
vielbeſuchten, ſeit lange dafür eingerichteten Bädern hat die
regelmäßige, ſtetige Nachfrage meiſtens geſundere, den örtlichen
Umſtänden angemeſſene Preiſe hervorgerufen.

Den Reiſehandbüchern muß überlaſſen bleiben, über die
Behandlung der unſicheren Diſtricte Näheres anzugeben, nur
eines in vielen Fällen der Art anwendbaren Schutzmittels
ſoll hier noch Erwähnung geſchehen: der Gaſt macht ſelbſt
und nennt ausdrücklich bei Beſtellung den Preis, natürlich
unter Rückſicht auf die Oertlichkeit, anſtatt die Speiſekarte
zu fordern, nach der Table-d’hôte zu fragen, oder zu be-
ſtellen und Berechnung abzuwarten. Zumal wenn man in

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[187/0201] VI. Welche Gaſthöfe Sparſame meiden. gewohnt ſind, das ſicherſte Mittel, den Schlaf zu ſtören. Was thut nun der Mann von Erfahrung in ſolchen harten Nothzuſtänden? — Er nimmt eine Anzahl Plaidnadeln und ſtellt damit eine Verbindung her zwiſchen den Beſtandtheilen ſeiner Hülle. Durch übermäßige Preiſe bei ſchlechten Leiſtungen zeichnen ſich beſonders Wirthſchaften aus, welche dicht an oder auf dem Wege zu einem vielbeſuchten Punkte vereinzelt liegen, faſt nur für Ein Frühſtück, Ein Mittagsmal, Eine Nacht be- nutzt werden und täglich wechſelndes, buntgemiſchtes Publikum haben. Solcher mit ♏ zu bezeichnender Häuſer (vgl. S. 169) könnte ich eine gute Anzahl namhaft machen, begnüge mich jedoch mit der Bemerkung, daß Scorpione nicht blos in ſüd- lichen Breiten hauſen, ſondern auch im Norden bis nach Schottland und Norwegen, und daß ſie ſich ebenſo gern in Paläſten aufhalten wie in Hütten und altem Gemäuer. In dieſelbe Kategorie gehören auch viele Wirthe, Zimmer- vermiether, Händler, Kutſcher ꝛc. in Orten, die eben erſt angefangen haben, in Mode zu kommen, und zeitweilig in einem Uebergangszuſtande ſind: ihre alte, unſchuldige, an- ſpruchsloſe Dorfmäßigkeit oder Kleinbürgerlichkeit haben ſie verloren, die Gewiegtheit großer Geſchäftsleute noch nicht erworben und ſo ſind ſie in einem Zuſtand des Rauſches und der phantaſtiſchen Willkür. In allen von ernſthaft Kranken vielbeſuchten, ſeit lange dafür eingerichteten Bädern hat die regelmäßige, ſtetige Nachfrage meiſtens geſundere, den örtlichen Umſtänden angemeſſene Preiſe hervorgerufen. Den Reiſehandbüchern muß überlaſſen bleiben, über die Behandlung der unſicheren Diſtricte Näheres anzugeben, nur eines in vielen Fällen der Art anwendbaren Schutzmittels ſoll hier noch Erwähnung geſchehen: der Gaſt macht ſelbſt und nennt ausdrücklich bei Beſtellung den Preis, natürlich unter Rückſicht auf die Oertlichkeit, anſtatt die Speiſekarte zu fordern, nach der Table-d’hôte zu fragen, oder zu be- ſtellen und Berechnung abzuwarten. Zumal wenn man in

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/201>, abgerufen am 21.11.2024.