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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VI. Zeche -- Kleingeld -- Kellner -- Verschwendung.
das Begehrte jedoch, wenn die Aufforderung mit Nachdruck
wiederholt wird. Bei der Zahlung ist es so einzurichten,
daß eine reichliche Menge Kleingeld zurückerfolgt. Hat der
Kellner augenblicklich nicht so viel, so streichen wir, was er
zurückgibt, ein, und bemerken, daß er morgen seinen Tribut
empfangen werde, sobald er Münze bringe. Im Uebrigen
beschränke ich den mündlichen Verkehr mit Kellnern auf das
Nothwendige, denn er ist durch die Bank unergiebig und
unerfreulich. Ohne Unfreundlichkeit begegne ich ihnen kurz,
ernst, ermuntere sie nie zu Plaudereien, titulire sie auch
nicht, wie die höflichen Sachsen und ihre Nachahmer, "Herr
Oberkellner", erlaube ihnen endlich nie, wenn sie mit mir
Billard spielen, französisch zu zählen (diese abgeschmackte
Lächerlichkeit erster Classe nistet überhaupt nur noch in
Kneipen letzter Classe). Ein Unrecht ist es dagegen, dem
Kellner, wenn nicht "Service" auf der Rechnung steht, ein
Trinkgeld vorzuenthalten, denn er ist darauf angewiesen und
oft in seinen Einnahmen schlechter gestellt, als Hausknechte.

Um Kindern die Sparsamkeit zu erleichtern, pflegt man
ihnen wohl größere Geldstücke für ihre Baarschaft ein-
zuwechseln. Für den Reisenden ist zu gleichem Zwecke das
Umgekehrte der richtige Weg, und er kann, wenn er sparen
will, nicht leicht zu viel Münze bei sich haben. Darum
zahlt man in Gasthöfen immer größere Stücke, um mit dem
Herausgegebenen den eigenen Vorrath von Kleingeld zu ver-
stärken, und greift ihn nur an, wenn es nöthig wird. Dieser
kleine Schatz darf profanen Blicken so wenig preisgegeben
werden wie der große, nur aus anderen Gründen.

In der Verschwendung (u. A. von Trinkgeldern,
welche schon im Interesse der Beschenkten, die man dadurch
verderben hilft, vermieden werden sollte) pflegen Russen,
Ungarn, junge Franzosen und Hanseaten am weitesten zu
gehen. Einzelne suchen in Freigebigkeit mit depossedirten
Fürsten (!) zu wetteifern. Ein charakteristischer Unterschied
zwischen reichen Russen und Südslaven einerseits und reichen

VI. Zeche — Kleingeld — Kellner — Verſchwendung.
das Begehrte jedoch, wenn die Aufforderung mit Nachdruck
wiederholt wird. Bei der Zahlung iſt es ſo einzurichten,
daß eine reichliche Menge Kleingeld zurückerfolgt. Hat der
Kellner augenblicklich nicht ſo viel, ſo ſtreichen wir, was er
zurückgibt, ein, und bemerken, daß er morgen ſeinen Tribut
empfangen werde, ſobald er Münze bringe. Im Uebrigen
beſchränke ich den mündlichen Verkehr mit Kellnern auf das
Nothwendige, denn er iſt durch die Bank unergiebig und
unerfreulich. Ohne Unfreundlichkeit begegne ich ihnen kurz,
ernſt, ermuntere ſie nie zu Plaudereien, titulire ſie auch
nicht, wie die höflichen Sachſen und ihre Nachahmer, „Herr
Oberkellner“, erlaube ihnen endlich nie, wenn ſie mit mir
Billard ſpielen, franzöſiſch zu zählen (dieſe abgeſchmackte
Lächerlichkeit erſter Claſſe niſtet überhaupt nur noch in
Kneipen letzter Claſſe). Ein Unrecht iſt es dagegen, dem
Kellner, wenn nicht „Service“ auf der Rechnung ſteht, ein
Trinkgeld vorzuenthalten, denn er iſt darauf angewieſen und
oft in ſeinen Einnahmen ſchlechter geſtellt, als Hausknechte.

Um Kindern die Sparſamkeit zu erleichtern, pflegt man
ihnen wohl größere Geldſtücke für ihre Baarſchaft ein-
zuwechſeln. Für den Reiſenden iſt zu gleichem Zwecke das
Umgekehrte der richtige Weg, und er kann, wenn er ſparen
will, nicht leicht zu viel Münze bei ſich haben. Darum
zahlt man in Gaſthöfen immer größere Stücke, um mit dem
Herausgegebenen den eigenen Vorrath von Kleingeld zu ver-
ſtärken, und greift ihn nur an, wenn es nöthig wird. Dieſer
kleine Schatz darf profanen Blicken ſo wenig preisgegeben
werden wie der große, nur aus anderen Gründen.

In der Verſchwendung (u. A. von Trinkgeldern,
welche ſchon im Intereſſe der Beſchenkten, die man dadurch
verderben hilft, vermieden werden ſollte) pflegen Ruſſen,
Ungarn, junge Franzoſen und Hanſeaten am weiteſten zu
gehen. Einzelne ſuchen in Freigebigkeit mit depoſſedirten
Fürſten (!) zu wetteifern. Ein charakteriſtiſcher Unterſchied
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[189/0203] VI. Zeche — Kleingeld — Kellner — Verſchwendung. das Begehrte jedoch, wenn die Aufforderung mit Nachdruck wiederholt wird. Bei der Zahlung iſt es ſo einzurichten, daß eine reichliche Menge Kleingeld zurückerfolgt. Hat der Kellner augenblicklich nicht ſo viel, ſo ſtreichen wir, was er zurückgibt, ein, und bemerken, daß er morgen ſeinen Tribut empfangen werde, ſobald er Münze bringe. Im Uebrigen beſchränke ich den mündlichen Verkehr mit Kellnern auf das Nothwendige, denn er iſt durch die Bank unergiebig und unerfreulich. Ohne Unfreundlichkeit begegne ich ihnen kurz, ernſt, ermuntere ſie nie zu Plaudereien, titulire ſie auch nicht, wie die höflichen Sachſen und ihre Nachahmer, „Herr Oberkellner“, erlaube ihnen endlich nie, wenn ſie mit mir Billard ſpielen, franzöſiſch zu zählen (dieſe abgeſchmackte Lächerlichkeit erſter Claſſe niſtet überhaupt nur noch in Kneipen letzter Claſſe). Ein Unrecht iſt es dagegen, dem Kellner, wenn nicht „Service“ auf der Rechnung ſteht, ein Trinkgeld vorzuenthalten, denn er iſt darauf angewieſen und oft in ſeinen Einnahmen ſchlechter geſtellt, als Hausknechte. Um Kindern die Sparſamkeit zu erleichtern, pflegt man ihnen wohl größere Geldſtücke für ihre Baarſchaft ein- zuwechſeln. Für den Reiſenden iſt zu gleichem Zwecke das Umgekehrte der richtige Weg, und er kann, wenn er ſparen will, nicht leicht zu viel Münze bei ſich haben. Darum zahlt man in Gaſthöfen immer größere Stücke, um mit dem Herausgegebenen den eigenen Vorrath von Kleingeld zu ver- ſtärken, und greift ihn nur an, wenn es nöthig wird. Dieſer kleine Schatz darf profanen Blicken ſo wenig preisgegeben werden wie der große, nur aus anderen Gründen. In der Verſchwendung (u. A. von Trinkgeldern, welche ſchon im Intereſſe der Beſchenkten, die man dadurch verderben hilft, vermieden werden ſollte) pflegen Ruſſen, Ungarn, junge Franzoſen und Hanſeaten am weiteſten zu gehen. Einzelne ſuchen in Freigebigkeit mit depoſſedirten Fürſten (!) zu wetteifern. Ein charakteriſtiſcher Unterſchied zwiſchen reichen Ruſſen und Südſlaven einerſeits und reichen

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/203>, abgerufen am 21.11.2024.