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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Schuhwerk.
Tragen auf tüchtigen Märschen herbeigeführt wird. Schon
mit Rücksicht hierauf ist es wohlgethan, die Bergschuhe (ohne
Benagelung) zu Hause fertigen zu lassen, nicht im ersten
besten Gebirgsörtchen; ein zweiter Grund ist der, daß die
meisten Dorfschuster sich gewöhnen, Wohlfeilheit als das
Ausschlaggebende anzusehen, hiernach den Rohstoff kaufen und
arbeiten, mithin Großstädter nicht leicht befriedigen können.
Unterwegs ziehe der Ungewohnte die schweren Bergschuhe
nur an, wenn es nothwendig ist, und schicke sie unter Um-
ständen voraus. Um das Leder durchaus weich, geschmeidig
und wasserdicht zu machen und so zu erhalten, inmitten der
härtesten Prüfungen durch Regen, Eiswasser und Sonnen-
glut, genügt nicht eine flüchtige Bestreichung, sondern es muß
mit sogenannter Schmiere bis zur Sättigung eingerieben
und das Verfahren dann und wann wiederholt werden, zu
welchem Behufe man etwas davon bei sich führt. *) Ich will
kein Hehl daraus machen, daß meine Hände, als es zum
ersten Male nöthig wurde, die unholde Arbeit selbst zu ver-
richten, einen horror naturalis kundgaben und den Dienst
versagen wollten, ich hielt ihnen aber, wie Reiter mit
scheuen Pferden thun, eine kleine Standrede in liebreichem,
nachdrücklichem Tone: wißt ihr Unbesonnenen nicht, welch'
wichtige Sache auf Gletscherwanderungen warme, trockene,

*) In England wird folgendes Recept empfohlen: 2 Gewichtstheile Theer,
6 Talg, 6 Schweinefett, 5 Thran, 5 Butter, 5 Olivenöl, 1 Terpentin, 2 aufgelöster
Kautschuk, 2 Wachs. Der Brennbarkeit wegen geschieht die Bereitung im Freien.
Sobald der Theer kocht, wird der Talg hinzugethan und so fortgefahren, bei jedem
Aufkochen der Masse der nächste Bestandtheil unter Rühren zugefügt; Terpentin und
Kautschuk werden vorher in einem besondern Gefäße zusammengekocht und siedend
zugesetzt. Die Schuhe stellt man nach jeder Einreibung zum Trocknen warm
(nicht heiß). Zum täglichen Gebrauche in den Zwischenzeiten dient auch Talg
oder anderes ungesalzenes Fett. Die Nähte sind besonders reichlich zu bedenken.
In halbfeuchtem Zustande nimmt das Leder die Masse besser an, als wenn
es nach starker Durchnässung hart und trocken geworden ist. Ein einfacheres,
in der Schweiz beliebtes Recept ist: 1/2 Loth Kautschuk, in kleine Stücke ge-
schnitten, in 11/2 Loth Schweinefett über gelindem Feuer zerlassen und um-
gerührt; dann kommen 2 Loth Thran hinzu.
5*

IV. Schuhwerk.
Tragen auf tüchtigen Märſchen herbeigeführt wird. Schon
mit Rückſicht hierauf iſt es wohlgethan, die Bergſchuhe (ohne
Benagelung) zu Hauſe fertigen zu laſſen, nicht im erſten
beſten Gebirgsörtchen; ein zweiter Grund iſt der, daß die
meiſten Dorfſchuſter ſich gewöhnen, Wohlfeilheit als das
Ausſchlaggebende anzuſehen, hiernach den Rohſtoff kaufen und
arbeiten, mithin Großſtädter nicht leicht befriedigen können.
Unterwegs ziehe der Ungewohnte die ſchweren Bergſchuhe
nur an, wenn es nothwendig iſt, und ſchicke ſie unter Um-
ſtänden voraus. Um das Leder durchaus weich, geſchmeidig
und waſſerdicht zu machen und ſo zu erhalten, inmitten der
härteſten Prüfungen durch Regen, Eiswaſſer und Sonnen-
glut, genügt nicht eine flüchtige Beſtreichung, ſondern es muß
mit ſogenannter Schmiere bis zur Sättigung eingerieben
und das Verfahren dann und wann wiederholt werden, zu
welchem Behufe man etwas davon bei ſich führt. *) Ich will
kein Hehl daraus machen, daß meine Hände, als es zum
erſten Male nöthig wurde, die unholde Arbeit ſelbſt zu ver-
richten, einen horror naturalis kundgaben und den Dienſt
verſagen wollten, ich hielt ihnen aber, wie Reiter mit
ſcheuen Pferden thun, eine kleine Standrede in liebreichem,
nachdrücklichem Tone: wißt ihr Unbeſonnenen nicht, welch’
wichtige Sache auf Gletſcherwanderungen warme, trockene,

*) In England wird folgendes Recept empfohlen: 2 Gewichtstheile Theer,
6 Talg, 6 Schweinefett, 5 Thran, 5 Butter, 5 Olivenöl, 1 Terpentin, 2 aufgelöſter
Kautſchuk, 2 Wachs. Der Brennbarkeit wegen geſchieht die Bereitung im Freien.
Sobald der Theer kocht, wird der Talg hinzugethan und ſo fortgefahren, bei jedem
Aufkochen der Maſſe der nächſte Beſtandtheil unter Rühren zugefügt; Terpentin und
Kautſchuk werden vorher in einem beſondern Gefäße zuſammengekocht und ſiedend
zugeſetzt. Die Schuhe ſtellt man nach jeder Einreibung zum Trocknen warm
(nicht heiß). Zum täglichen Gebrauche in den Zwiſchenzeiten dient auch Talg
oder anderes ungeſalzenes Fett. Die Nähte ſind beſonders reichlich zu bedenken.
In halbfeuchtem Zuſtande nimmt das Leder die Maſſe beſſer an, als wenn
es nach ſtarker Durchnäſſung hart und trocken geworden iſt. Ein einfacheres,
in der Schweiz beliebtes Recept iſt: ½ Loth Kautſchuk, in kleine Stücke ge-
ſchnitten, in 1½ Loth Schweinefett über gelindem Feuer zerlaſſen und um-
gerührt; dann kommen 2 Loth Thran hinzu.
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[67/0081] IV. Schuhwerk. Tragen auf tüchtigen Märſchen herbeigeführt wird. Schon mit Rückſicht hierauf iſt es wohlgethan, die Bergſchuhe (ohne Benagelung) zu Hauſe fertigen zu laſſen, nicht im erſten beſten Gebirgsörtchen; ein zweiter Grund iſt der, daß die meiſten Dorfſchuſter ſich gewöhnen, Wohlfeilheit als das Ausſchlaggebende anzuſehen, hiernach den Rohſtoff kaufen und arbeiten, mithin Großſtädter nicht leicht befriedigen können. Unterwegs ziehe der Ungewohnte die ſchweren Bergſchuhe nur an, wenn es nothwendig iſt, und ſchicke ſie unter Um- ſtänden voraus. Um das Leder durchaus weich, geſchmeidig und waſſerdicht zu machen und ſo zu erhalten, inmitten der härteſten Prüfungen durch Regen, Eiswaſſer und Sonnen- glut, genügt nicht eine flüchtige Beſtreichung, ſondern es muß mit ſogenannter Schmiere bis zur Sättigung eingerieben und das Verfahren dann und wann wiederholt werden, zu welchem Behufe man etwas davon bei ſich führt. *) Ich will kein Hehl daraus machen, daß meine Hände, als es zum erſten Male nöthig wurde, die unholde Arbeit ſelbſt zu ver- richten, einen horror naturalis kundgaben und den Dienſt verſagen wollten, ich hielt ihnen aber, wie Reiter mit ſcheuen Pferden thun, eine kleine Standrede in liebreichem, nachdrücklichem Tone: wißt ihr Unbeſonnenen nicht, welch’ wichtige Sache auf Gletſcherwanderungen warme, trockene, *) In England wird folgendes Recept empfohlen: 2 Gewichtstheile Theer, 6 Talg, 6 Schweinefett, 5 Thran, 5 Butter, 5 Olivenöl, 1 Terpentin, 2 aufgelöſter Kautſchuk, 2 Wachs. Der Brennbarkeit wegen geſchieht die Bereitung im Freien. Sobald der Theer kocht, wird der Talg hinzugethan und ſo fortgefahren, bei jedem Aufkochen der Maſſe der nächſte Beſtandtheil unter Rühren zugefügt; Terpentin und Kautſchuk werden vorher in einem beſondern Gefäße zuſammengekocht und ſiedend zugeſetzt. Die Schuhe ſtellt man nach jeder Einreibung zum Trocknen warm (nicht heiß). Zum täglichen Gebrauche in den Zwiſchenzeiten dient auch Talg oder anderes ungeſalzenes Fett. Die Nähte ſind beſonders reichlich zu bedenken. In halbfeuchtem Zuſtande nimmt das Leder die Maſſe beſſer an, als wenn es nach ſtarker Durchnäſſung hart und trocken geworden iſt. Ein einfacheres, in der Schweiz beliebtes Recept iſt: ½ Loth Kautſchuk, in kleine Stücke ge- ſchnitten, in 1½ Loth Schweinefett über gelindem Feuer zerlaſſen und um- gerührt; dann kommen 2 Loth Thran hinzu. 5*

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/81>, abgerufen am 21.11.2024.