Jch weiß, Vater Anton, ich weiß, sagte Siegwart, daß es keine Pralerey ist; das war nie dein Fehler. Du hast den Ruhm in der ganzen Gegend, daß man dich am liebsten sieht; und die Bauren in meinem Dorfe lieben dich wie ihren Vater. Ja, wenn alle, so wie du, wären! -- Xaver, (so hieß der junge Siegwart) wie sagte doch neulich unsre Nachbarinn vom Pater Anton? du hast mirs ja heute noch auf dem Herweg er- zählt. -- Der junge Siegwart wurde roth, und stotterte: der Pater Anton, fieng er an, und hielt wieder inne; der Pater Anton sey ein lebendiger Heiliger, sagte sie, den man jetzt schon anrufen soll- te, und man müst ihn zum Pabst machen, wenns auf sie ankäme. Es sey alles noch so gut, was Er auf der Kanzel sage, weil mans so verstehen könne.
Hier drückte Anton dem Jünglinge die Hand; das ist zu viel Lob, sagte er, die Leute übertreibens. Jch thue nur, was ein jeder thun sollte. --
Jnzwischen kamen ein paar Kapuziner bey der Grotte vorbey, und grüsten den Pater An- ton, den sie an der Stimme kannten, freundlich.
Das sind ein paar heilige und rechtschaffne Leute, sagte er, indem sie weggiengen, die mir den Verlust meines lieben P. Joseph noch in etwas
Jch weiß, Vater Anton, ich weiß, ſagte Siegwart, daß es keine Pralerey iſt; das war nie dein Fehler. Du haſt den Ruhm in der ganzen Gegend, daß man dich am liebſten ſieht; und die Bauren in meinem Dorfe lieben dich wie ihren Vater. Ja, wenn alle, ſo wie du, waͤren! — Xaver, (ſo hieß der junge Siegwart) wie ſagte doch neulich unſre Nachbarinn vom Pater Anton? du haſt mirs ja heute noch auf dem Herweg er- zaͤhlt. — Der junge Siegwart wurde roth, und ſtotterte: der Pater Anton, fieng er an, und hielt wieder inne; der Pater Anton ſey ein lebendiger Heiliger, ſagte ſie, den man jetzt ſchon anrufen ſoll- te, und man muͤſt ihn zum Pabſt machen, wenns auf ſie ankaͤme. Es ſey alles noch ſo gut, was Er auf der Kanzel ſage, weil mans ſo verſtehen koͤnne.
Hier druͤckte Anton dem Juͤnglinge die Hand; das iſt zu viel Lob, ſagte er, die Leute uͤbertreibens. Jch thue nur, was ein jeder thun ſollte. —
Jnzwiſchen kamen ein paar Kapuziner bey der Grotte vorbey, und gruͤſten den Pater An- ton, den ſie an der Stimme kannten, freundlich.
Das ſind ein paar heilige und rechtſchaffne Leute, ſagte er, indem ſie weggiengen, die mir den Verluſt meines lieben P. Joſeph noch in etwas
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Jch weiß, Vater Anton, ich weiß, ſagte
Siegwart, daß es keine Pralerey iſt; das war nie
dein Fehler. Du haſt den Ruhm in der ganzen
Gegend, daß man dich am liebſten ſieht; und die
Bauren in meinem Dorfe lieben dich wie ihren
Vater. Ja, wenn alle, ſo wie du, waͤren! —
Xaver, (ſo hieß der junge Siegwart) wie ſagte
doch neulich unſre Nachbarinn vom Pater Anton?
du haſt mirs ja heute noch auf dem Herweg er-
zaͤhlt. — Der junge Siegwart wurde roth, und
ſtotterte: der Pater Anton, fieng er an, und hielt
wieder inne; der Pater Anton ſey ein lebendiger
Heiliger, ſagte ſie, den man jetzt ſchon anrufen ſoll-
te, und man muͤſt ihn zum Pabſt machen, wenns
auf ſie ankaͤme. Es ſey alles noch ſo gut, was Er
auf der Kanzel ſage, weil mans ſo verſtehen koͤnne.
Hier druͤckte Anton dem Juͤnglinge die Hand;
das iſt zu viel Lob, ſagte er, die Leute uͤbertreibens.
Jch thue nur, was ein jeder thun ſollte. —
Jnzwiſchen kamen ein paar Kapuziner bey
der Grotte vorbey, und gruͤſten den Pater An-
ton, den ſie an der Stimme kannten, freundlich.
Das ſind ein paar heilige und rechtſchaffne
Leute, ſagte er, indem ſie weggiengen, die mir den
Verluſt meines lieben P. Joſeph noch in etwas
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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