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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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aufs Zimmer. Jndem erhielt er einen Brief von
Theresen mit der Nachricht, daß ihr Vater sich
von neuem nicht ganz wohl befinde, doch sey er
schon wieder auf dem Weg der Besserung. Wäh-
rend dem Lesen stürzten ihm die Thränen aus den
Augen. Kronhelm fragte ihn um die Ursache da-
von. Er konnte sie vor Wehmuth kaum erzählen.
Nun weinten beyde Freunde. Siegwart konnte
nun einen Grund für seine Traurigkeit angeben,
und Kronhelm argwohnte desto weniger eine andre
Ursache. Der doppelte Schmerz bestürmte nunmehr
Siegwarts Seele mit aller Gewalt. Er dachte
sich die beyden theuren Personen immer zusam-
men, und wünschte sich nichts als den Tod, das
einzige Ende seines Jammers, das er vor sich sah. --
Den Nachmittag schrieb er an seine Schwester und
an seinen Vater einen bangen und schwermüthigen
Brief. Unter andern schrieb er an Theresen: --
Jch sehe wohl, daß die Welt keine Freuden hat.
Jeder Tag hat seine Plage, und mit jedem Tage
steigt sie. Möcht ich doch bald diese Welt verlassen,
und im Grab von allem Kummer ausruhen! O
meine Schwester, es gibt viele Leiden, die du noch
nicht kennst. Sterben, sterben ist das Beste! Und
wenn dieses Ziel vom Schöpfer noch nicht gesetzt



aufs Zimmer. Jndem erhielt er einen Brief von
Thereſen mit der Nachricht, daß ihr Vater ſich
von neuem nicht ganz wohl befinde, doch ſey er
ſchon wieder auf dem Weg der Beſſerung. Waͤh-
rend dem Leſen ſtuͤrzten ihm die Thraͤnen aus den
Augen. Kronhelm fragte ihn um die Urſache da-
von. Er konnte ſie vor Wehmuth kaum erzaͤhlen.
Nun weinten beyde Freunde. Siegwart konnte
nun einen Grund fuͤr ſeine Traurigkeit angeben,
und Kronhelm argwohnte deſto weniger eine andre
Urſache. Der doppelte Schmerz beſtuͤrmte nunmehr
Siegwarts Seele mit aller Gewalt. Er dachte
ſich die beyden theuren Perſonen immer zuſam-
men, und wuͤnſchte ſich nichts als den Tod, das
einzige Ende ſeines Jammers, das er vor ſich ſah. —
Den Nachmittag ſchrieb er an ſeine Schweſter und
an ſeinen Vater einen bangen und ſchwermuͤthigen
Brief. Unter andern ſchrieb er an Thereſen: —
Jch ſehe wohl, daß die Welt keine Freuden hat.
Jeder Tag hat ſeine Plage, und mit jedem Tage
ſteigt ſie. Moͤcht ich doch bald dieſe Welt verlaſſen,
und im Grab von allem Kummer ausruhen! O
meine Schweſter, es gibt viele Leiden, die du noch
nicht kennſt. Sterben, ſterben iſt das Beſte! Und
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[571/0151] aufs Zimmer. Jndem erhielt er einen Brief von Thereſen mit der Nachricht, daß ihr Vater ſich von neuem nicht ganz wohl befinde, doch ſey er ſchon wieder auf dem Weg der Beſſerung. Waͤh- rend dem Leſen ſtuͤrzten ihm die Thraͤnen aus den Augen. Kronhelm fragte ihn um die Urſache da- von. Er konnte ſie vor Wehmuth kaum erzaͤhlen. Nun weinten beyde Freunde. Siegwart konnte nun einen Grund fuͤr ſeine Traurigkeit angeben, und Kronhelm argwohnte deſto weniger eine andre Urſache. Der doppelte Schmerz beſtuͤrmte nunmehr Siegwarts Seele mit aller Gewalt. Er dachte ſich die beyden theuren Perſonen immer zuſam- men, und wuͤnſchte ſich nichts als den Tod, das einzige Ende ſeines Jammers, das er vor ſich ſah. — Den Nachmittag ſchrieb er an ſeine Schweſter und an ſeinen Vater einen bangen und ſchwermuͤthigen Brief. Unter andern ſchrieb er an Thereſen: — Jch ſehe wohl, daß die Welt keine Freuden hat. Jeder Tag hat ſeine Plage, und mit jedem Tage ſteigt ſie. Moͤcht ich doch bald dieſe Welt verlaſſen, und im Grab von allem Kummer ausruhen! O meine Schweſter, es gibt viele Leiden, die du noch nicht kennſt. Sterben, ſterben iſt das Beſte! Und wenn dieſes Ziel vom Schoͤpfer noch nicht geſetzt

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/151>, abgerufen am 29.11.2024.