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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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habe Sie schon im Konzert gesehen. Siegwart
machte eine Verbeugung, und betrachtete nun erst
ihr Gesicht recht. Sie sah ausgezehrt, und einge-
fallen aus, und hatte ganz die gelbe Farbe des Nei-
des. Jhre kleine, matte, graue Augen lagen tief; ihre
Augenbraunen waren weiß, und fielen ins gelbliche,
daß man sie kaum sehen konnte. Jhre Nase war
spitz; ihr Kinn hervorstehend, und die Stirne nie-
drig, ohne Ecken, weil die Haare rund herum,
tief ins Gesicht herein stunden. Sie gieng vor-
wärts gebeugt, und der Kopf steckte tief in den
Schultern. Jhr Herr Gemahl war ein langer,
hagrer Mann, in dessen Gesicht man mehr Aengst-
lichkeit und Kummer sah, als Bosheit. Sind
Sie nur so ganz allein hier, sagte die Schwägerin
zu Marianen. Diese antwortete, ja; aber ihre
Eltern würden vielleicht diesen Abend noch heraus
kommen. Sie waren ja wohl gestern recht ver-
gnügt, Jungfer Schwägerin? fuhr sie fort. Ja,
ja, freylich, in so angenehmer Gesellschast kanns
nicht fehlen. Aber der Hofrath Schrager war
nicht ganz vergnügt. -- Mariane sagte: sie wüß-
te nicht, daß ihm jemand was zu Leid gethan hät-
te. Je nu, fuhr die Schwägerin fort, wenn

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habe Sie ſchon im Konzert geſehen. Siegwart
machte eine Verbeugung, und betrachtete nun erſt
ihr Geſicht recht. Sie ſah ausgezehrt, und einge-
fallen aus, und hatte ganz die gelbe Farbe des Nei-
des. Jhre kleine, matte, graue Augen lagen tief; ihre
Augenbraunen waren weiß, und fielen ins gelbliche,
daß man ſie kaum ſehen konnte. Jhre Naſe war
ſpitz; ihr Kinn hervorſtehend, und die Stirne nie-
drig, ohne Ecken, weil die Haare rund herum,
tief ins Geſicht herein ſtunden. Sie gieng vor-
waͤrts gebeugt, und der Kopf ſteckte tief in den
Schultern. Jhr Herr Gemahl war ein langer,
hagrer Mann, in deſſen Geſicht man mehr Aengſt-
lichkeit und Kummer ſah, als Bosheit. Sind
Sie nur ſo ganz allein hier, ſagte die Schwaͤgerin
zu Marianen. Dieſe antwortete, ja; aber ihre
Eltern wuͤrden vielleicht dieſen Abend noch heraus
kommen. Sie waren ja wohl geſtern recht ver-
gnuͤgt, Jungfer Schwaͤgerin? fuhr ſie fort. Ja,
ja, freylich, in ſo angenehmer Geſellſchaſt kanns
nicht fehlen. Aber der Hofrath Schrager war
nicht ganz vergnuͤgt. — Mariane ſagte: ſie wuͤß-
te nicht, daß ihm jemand was zu Leid gethan haͤt-
te. Je nu, fuhr die Schwaͤgerin fort, wenn

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[825/0405] habe Sie ſchon im Konzert geſehen. Siegwart machte eine Verbeugung, und betrachtete nun erſt ihr Geſicht recht. Sie ſah ausgezehrt, und einge- fallen aus, und hatte ganz die gelbe Farbe des Nei- des. Jhre kleine, matte, graue Augen lagen tief; ihre Augenbraunen waren weiß, und fielen ins gelbliche, daß man ſie kaum ſehen konnte. Jhre Naſe war ſpitz; ihr Kinn hervorſtehend, und die Stirne nie- drig, ohne Ecken, weil die Haare rund herum, tief ins Geſicht herein ſtunden. Sie gieng vor- waͤrts gebeugt, und der Kopf ſteckte tief in den Schultern. Jhr Herr Gemahl war ein langer, hagrer Mann, in deſſen Geſicht man mehr Aengſt- lichkeit und Kummer ſah, als Bosheit. Sind Sie nur ſo ganz allein hier, ſagte die Schwaͤgerin zu Marianen. Dieſe antwortete, ja; aber ihre Eltern wuͤrden vielleicht dieſen Abend noch heraus kommen. Sie waren ja wohl geſtern recht ver- gnuͤgt, Jungfer Schwaͤgerin? fuhr ſie fort. Ja, ja, freylich, in ſo angenehmer Geſellſchaſt kanns nicht fehlen. Aber der Hofrath Schrager war nicht ganz vergnuͤgt. — Mariane ſagte: ſie wuͤß- te nicht, daß ihm jemand was zu Leid gethan haͤt- te. Je nu, fuhr die Schwaͤgerin fort, wenn G g g

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 825. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/405>, abgerufen am 22.11.2024.