begängnisse ihres Vaters, welches auf den folgen- den Tag angesetzt wurde. Karl und Salome er- zählten ihm verschiedenes von der Krankheit, und den Reden seines Vaters auf dem Krankenbette, von seiner Geduld und Gelassenheit, und von seiner Freudigkeit zu sterben, die ihm blos durch den Gedanken verbittert wurde, daß er seine Kin- der verlassen müste. Sie erzählten ihm, wie oft er von ihm gesprochen, und wie sehr er sich dar- nach gesehnt habe, ihn |noch einmal zu sehen. Siegwart zerfloß bey dieser Erzählung fast in Thrä- nen. Sie sagten ihm auch den Wunsch ihres Va- ters, daß man ihn bey ihrer seligen Mutter be- graben, und ihnen einen gemeinschaftlichen Grab- stein setzen möchte.
Er gieng in den Garten hinunter, um seinem bangen Herzen etwas Luft zu schaffen. Dann gieng er wieder auf sein Zimmer, und schrieb mit Hastigkeit folgendes an Marianen:
Liebste, Beste!
Er ist todt! Jch habe seinen Segen. -- Sein letztes Wort war: Leb mit Marianen. ... Das: glücklich starb auf seinen Lippen. -- Morgen be- graben wir ihn. -- -- O Mariane, o Geliebteste!
begaͤngniſſe ihres Vaters, welches auf den folgen- den Tag angeſetzt wurde. Karl und Salome er- zaͤhlten ihm verſchiedenes von der Krankheit, und den Reden ſeines Vaters auf dem Krankenbette, von ſeiner Geduld und Gelaſſenheit, und von ſeiner Freudigkeit zu ſterben, die ihm blos durch den Gedanken verbittert wurde, daß er ſeine Kin- der verlaſſen muͤſte. Sie erzaͤhlten ihm, wie oft er von ihm geſprochen, und wie ſehr er ſich dar- nach geſehnt habe, ihn |noch einmal zu ſehen. Siegwart zerfloß bey dieſer Erzaͤhlung faſt in Thraͤ- nen. Sie ſagten ihm auch den Wunſch ihres Va- ters, daß man ihn bey ihrer ſeligen Mutter be- graben, und ihnen einen gemeinſchaftlichen Grab- ſtein ſetzen moͤchte.
Er gieng in den Garten hinunter, um ſeinem bangen Herzen etwas Luft zu ſchaffen. Dann gieng er wieder auf ſein Zimmer, und ſchrieb mit Haſtigkeit folgendes an Marianen:
Liebſte, Beſte!
Er iſt todt! Jch habe ſeinen Segen. — Sein letztes Wort war: Leb mit Marianen. … Das: gluͤcklich ſtarb auf ſeinen Lippen. — Morgen be- graben wir ihn. — — O Mariane, o Geliebteſte!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0456"n="876"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
begaͤngniſſe ihres Vaters, welches auf den folgen-<lb/>
den Tag angeſetzt wurde. Karl und Salome er-<lb/>
zaͤhlten ihm verſchiedenes von der Krankheit, und<lb/>
den Reden ſeines Vaters auf dem Krankenbette,<lb/>
von ſeiner Geduld und Gelaſſenheit, und von<lb/>ſeiner Freudigkeit zu ſterben, die ihm blos durch<lb/>
den Gedanken verbittert wurde, daß er ſeine Kin-<lb/>
der verlaſſen muͤſte. Sie erzaͤhlten ihm, wie oft<lb/>
er von ihm geſprochen, und wie ſehr er ſich dar-<lb/>
nach geſehnt habe, ihn |noch einmal zu ſehen.<lb/>
Siegwart zerfloß bey dieſer Erzaͤhlung faſt in Thraͤ-<lb/>
nen. Sie ſagten ihm auch den Wunſch ihres Va-<lb/>
ters, daß man ihn bey ihrer ſeligen Mutter be-<lb/>
graben, und ihnen einen gemeinſchaftlichen Grab-<lb/>ſtein ſetzen moͤchte.</p><lb/><p>Er gieng in den Garten hinunter, um ſeinem<lb/>
bangen Herzen etwas Luft zu ſchaffen. Dann<lb/>
gieng er wieder auf ſein Zimmer, und ſchrieb mit<lb/>
Haſtigkeit folgendes an Marianen:<lb/><floatingText><body><divtype="letter"><opener><salute><hirendition="#et">Liebſte, Beſte!</hi></salute></opener><lb/><p>Er iſt todt! Jch habe ſeinen Segen. — Sein<lb/>
letztes Wort war: Leb mit Marianen. … Das:<lb/><hirendition="#fr">gluͤcklich</hi>ſtarb auf ſeinen Lippen. — Morgen be-<lb/>
graben wir ihn. —— O Mariane, o Geliebteſte!<lb/></p></div></body></floatingText></p></div></body></text></TEI>
[876/0456]
begaͤngniſſe ihres Vaters, welches auf den folgen-
den Tag angeſetzt wurde. Karl und Salome er-
zaͤhlten ihm verſchiedenes von der Krankheit, und
den Reden ſeines Vaters auf dem Krankenbette,
von ſeiner Geduld und Gelaſſenheit, und von
ſeiner Freudigkeit zu ſterben, die ihm blos durch
den Gedanken verbittert wurde, daß er ſeine Kin-
der verlaſſen muͤſte. Sie erzaͤhlten ihm, wie oft
er von ihm geſprochen, und wie ſehr er ſich dar-
nach geſehnt habe, ihn |noch einmal zu ſehen.
Siegwart zerfloß bey dieſer Erzaͤhlung faſt in Thraͤ-
nen. Sie ſagten ihm auch den Wunſch ihres Va-
ters, daß man ihn bey ihrer ſeligen Mutter be-
graben, und ihnen einen gemeinſchaftlichen Grab-
ſtein ſetzen moͤchte.
Er gieng in den Garten hinunter, um ſeinem
bangen Herzen etwas Luft zu ſchaffen. Dann
gieng er wieder auf ſein Zimmer, und ſchrieb mit
Haſtigkeit folgendes an Marianen:
Liebſte, Beſte!
Er iſt todt! Jch habe ſeinen Segen. — Sein
letztes Wort war: Leb mit Marianen. … Das:
gluͤcklich ſtarb auf ſeinen Lippen. — Morgen be-
graben wir ihn. — — O Mariane, o Geliebteſte!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 876. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/456>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.