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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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schmähter Liebe nagte unsichtbar an ihrem Leben;
ihre Kräfte verzehrten sich allmählig: ihre Wangen
bleichten ab; ihre Augen verlohren das lebhafte
Feuer, und die zarte Pflanze welkte hin. Jhr Va-
ter und ihre Mutter merkten endlich die Verände-
rung, und wurden sehr bekümmert drüber. Sie
drangen oft mit Bitten in sie, ihnen die Ursache
ihres Kummers zu entdecken, aber Sophie ant-
wortete nur mit Thränen, gab die Ursach ihrer
Krankheit für eine natürliche Auszehrung aus, und
entdeckte ihren Eltern den Wunsch, den Rest ih-
res Lebens im Kloster zubringen zu können. Die
Eltern wollten lange nicht daran, weil dadurch alle
die schönen Hofnungen vereitelt wurden, die sie sich
einst von ihrer Tochter versprachen, aber endlich
gaben sie nach, weil ihr Beichtvater, dem Sophie
ihren Wunsch anvertraut hatte, auch sehr daran ar-
beitete, und es ihnen zur Gewissenssache machte,
wenn sie ihre Tochter von einem so heilsamen Ent-
schluß abhielten, und Gott und dem Himmel eine
Seele zu stehlen suchten. Sophie erhielt endlich
die Erlaubnis von ihren Eltern, auf Michaelis das
Noviziat bey den Nonnen anzutreten.

Siegwart erzählte das alles seinem P. Phi-
lipp, der sogleich die Ursache von Sophiens trau-



ſchmaͤhter Liebe nagte unſichtbar an ihrem Leben;
ihre Kraͤfte verzehrten ſich allmaͤhlig: ihre Wangen
bleichten ab; ihre Augen verlohren das lebhafte
Feuer, und die zarte Pflanze welkte hin. Jhr Va-
ter und ihre Mutter merkten endlich die Veraͤnde-
rung, und wurden ſehr bekuͤmmert druͤber. Sie
drangen oft mit Bitten in ſie, ihnen die Urſache
ihres Kummers zu entdecken, aber Sophie ant-
wortete nur mit Thraͤnen, gab die Urſach ihrer
Krankheit fuͤr eine natuͤrliche Auszehrung aus, und
entdeckte ihren Eltern den Wunſch, den Reſt ih-
res Lebens im Kloſter zubringen zu koͤnnen. Die
Eltern wollten lange nicht daran, weil dadurch alle
die ſchoͤnen Hofnungen vereitelt wurden, die ſie ſich
einſt von ihrer Tochter verſprachen, aber endlich
gaben ſie nach, weil ihr Beichtvater, dem Sophie
ihren Wunſch anvertraut hatte, auch ſehr daran ar-
beitete, und es ihnen zur Gewiſſensſache machte,
wenn ſie ihre Tochter von einem ſo heilſamen Ent-
ſchluß abhielten, und Gott und dem Himmel eine
Seele zu ſtehlen ſuchten. Sophie erhielt endlich
die Erlaubnis von ihren Eltern, auf Michaelis das
Noviziat bey den Nonnen anzutreten.

Siegwart erzaͤhlte das alles ſeinem P. Phi-
lipp, der ſogleich die Urſache von Sophiens trau-

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[498/0078] ſchmaͤhter Liebe nagte unſichtbar an ihrem Leben; ihre Kraͤfte verzehrten ſich allmaͤhlig: ihre Wangen bleichten ab; ihre Augen verlohren das lebhafte Feuer, und die zarte Pflanze welkte hin. Jhr Va- ter und ihre Mutter merkten endlich die Veraͤnde- rung, und wurden ſehr bekuͤmmert druͤber. Sie drangen oft mit Bitten in ſie, ihnen die Urſache ihres Kummers zu entdecken, aber Sophie ant- wortete nur mit Thraͤnen, gab die Urſach ihrer Krankheit fuͤr eine natuͤrliche Auszehrung aus, und entdeckte ihren Eltern den Wunſch, den Reſt ih- res Lebens im Kloſter zubringen zu koͤnnen. Die Eltern wollten lange nicht daran, weil dadurch alle die ſchoͤnen Hofnungen vereitelt wurden, die ſie ſich einſt von ihrer Tochter verſprachen, aber endlich gaben ſie nach, weil ihr Beichtvater, dem Sophie ihren Wunſch anvertraut hatte, auch ſehr daran ar- beitete, und es ihnen zur Gewiſſensſache machte, wenn ſie ihre Tochter von einem ſo heilſamen Ent- ſchluß abhielten, und Gott und dem Himmel eine Seele zu ſtehlen ſuchten. Sophie erhielt endlich die Erlaubnis von ihren Eltern, auf Michaelis das Noviziat bey den Nonnen anzutreten. Siegwart erzaͤhlte das alles ſeinem P. Phi- lipp, der ſogleich die Urſache von Sophiens trau-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/78>, abgerufen am 24.11.2024.