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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Das verlohrne Paradies.
Jhn zu erretten, will ich von deinem Busen mich trennen;
Will der Herrlichkeit, die mich umringt, freywillig entsagen,
Und zuletzt für ihn sterben -- mit Freuden sterben! Der Tod mag
230Alles sein Wüthen auf mich verschütten; ich werde nicht lange
Unter seiner finstern Gewalt überwunden liegen.
Denn du hast mir verliehn, daß ich das Leben auf ewig
Jn mir selber besitze [Spaltenumbruch] o); ich lebe durch dich, ob ich itzt zwar
Jn des Todes Gewalt mich begebe, und ob er ein Recht gleich
235Auf das alles erhält, was in mir sterben kann. -- Aber
Wenn ich nun diese Schuld bezahlt, dann wirst du, o Vater,
Nicht dem scheußlichen Grabe zur Beute mich lassen, noch leiden,
Daß dort die unbefleckte Seel' in ewger Verwesung
Wohne p). Jch werde vielmehr mich triumphirend erheben,
240Meinen Sieger besiegen, und seines Raubs ihn berauben.
Dann soll seine tödtliche Wunde der Tod empfangen,
Und vom verderbenden Stachel entwaffnet, unrühmlich im Staube
Liegen; -- ich will alsdann, die weite Luft durch, die Hölle,
Trotz der Höll', im hohen Triumphe gefangen führen,
245Und zur Schau die gefangenen Mächte q) der Finsterniß leiten.
Bey dem Anblick sollst du mit Wohlgefallen vom Himmel

Nieder-
o) Joh. V. 26. Denn wie der
Vater das Leben hat in ihm sel-
ber, also hat er dem Sohn gege-
ben das Leben zu haben in ihm
selber.
N.
p) Ps. XVI. 10. Denn du wirst
meine Seele nicht in der Hölle
lassen, und nicht zugeben, daß dein
Heiliger verwese.
Welches vom
Petrus auf die Auferstehung unsers
[Spaltenumbruch] Heylandes gedeutet wird, Apostelgesch.
II. 20. 21. etc. etc. N.
q) Ps. LXVIII. 19. Du bist in
die Höhe gefahren, und hast das
Gefängniß gefangen,
und Col II.
15. Er hat ausgezogen die Für-
stenthümer, und die Gewaltigen,
und sie Schau getragen öffent-
lich.
N.

Das verlohrne Paradies.
Jhn zu erretten, will ich von deinem Buſen mich trennen;
Will der Herrlichkeit, die mich umringt, freywillig entſagen,
Und zuletzt fuͤr ihn ſterben — mit Freuden ſterben! Der Tod mag
230Alles ſein Wuͤthen auf mich verſchuͤtten; ich werde nicht lange
Unter ſeiner finſtern Gewalt uͤberwunden liegen.
Denn du haſt mir verliehn, daß ich das Leben auf ewig
Jn mir ſelber beſitze [Spaltenumbruch] o); ich lebe durch dich, ob ich itzt zwar
Jn des Todes Gewalt mich begebe, und ob er ein Recht gleich
235Auf das alles erhaͤlt, was in mir ſterben kann. — Aber
Wenn ich nun dieſe Schuld bezahlt, dann wirſt du, o Vater,
Nicht dem ſcheußlichen Grabe zur Beute mich laſſen, noch leiden,
Daß dort die unbefleckte Seel’ in ewger Verweſung
Wohne p). Jch werde vielmehr mich triumphirend erheben,
240Meinen Sieger beſiegen, und ſeines Raubs ihn berauben.
Dann ſoll ſeine toͤdtliche Wunde der Tod empfangen,
Und vom verderbenden Stachel entwaffnet, unruͤhmlich im Staube
Liegen; — ich will alsdann, die weite Luft durch, die Hoͤlle,
Trotz der Hoͤll’, im hohen Triumphe gefangen fuͤhren,
245Und zur Schau die gefangenen Maͤchte q) der Finſterniß leiten.
Bey dem Anblick ſollſt du mit Wohlgefallen vom Himmel

Nieder-
o) Joh. V. 26. Denn wie der
Vater das Leben hat in ihm ſel-
ber, alſo hat er dem Sohn gege-
ben das Leben zu haben in ihm
ſelber.
N.
p) Pſ. XVI. 10. Denn du wirſt
meine Seele nicht in der Hölle
laſſen, und nicht zugeben, daß dein
Heiliger verweſe.
Welches vom
Petrus auf die Auferſtehung unſers
[Spaltenumbruch] Heylandes gedeutet wird, Apoſtelgeſch.
II. 20. 21. ꝛc. ꝛc. N.
q) Pſ. LXVIII. 19. Du biſt in
die Höhe gefahren, und haſt das
Gefängniß gefangen,
und Col II.
15. Er hat ausgezogen die Für-
ſtenthümer, und die Gewaltigen,
und ſie Schau getragen öffent-
lich.
N.
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[110/0128] Das verlohrne Paradies. Jhn zu erretten, will ich von deinem Buſen mich trennen; Will der Herrlichkeit, die mich umringt, freywillig entſagen, Und zuletzt fuͤr ihn ſterben — mit Freuden ſterben! Der Tod mag Alles ſein Wuͤthen auf mich verſchuͤtten; ich werde nicht lange Unter ſeiner finſtern Gewalt uͤberwunden liegen. Denn du haſt mir verliehn, daß ich das Leben auf ewig Jn mir ſelber beſitze o); ich lebe durch dich, ob ich itzt zwar Jn des Todes Gewalt mich begebe, und ob er ein Recht gleich Auf das alles erhaͤlt, was in mir ſterben kann. — Aber Wenn ich nun dieſe Schuld bezahlt, dann wirſt du, o Vater, Nicht dem ſcheußlichen Grabe zur Beute mich laſſen, noch leiden, Daß dort die unbefleckte Seel’ in ewger Verweſung Wohne p). Jch werde vielmehr mich triumphirend erheben, Meinen Sieger beſiegen, und ſeines Raubs ihn berauben. Dann ſoll ſeine toͤdtliche Wunde der Tod empfangen, Und vom verderbenden Stachel entwaffnet, unruͤhmlich im Staube Liegen; — ich will alsdann, die weite Luft durch, die Hoͤlle, Trotz der Hoͤll’, im hohen Triumphe gefangen fuͤhren, Und zur Schau die gefangenen Maͤchte q) der Finſterniß leiten. Bey dem Anblick ſollſt du mit Wohlgefallen vom Himmel Nieder- o) Joh. V. 26. Denn wie der Vater das Leben hat in ihm ſel- ber, alſo hat er dem Sohn gege- ben das Leben zu haben in ihm ſelber. N. p) Pſ. XVI. 10. Denn du wirſt meine Seele nicht in der Hölle laſſen, und nicht zugeben, daß dein Heiliger verweſe. Welches vom Petrus auf die Auferſtehung unſers Heylandes gedeutet wird, Apoſtelgeſch. II. 20. 21. ꝛc. ꝛc. N. q) Pſ. LXVIII. 19. Du biſt in die Höhe gefahren, und haſt das Gefängniß gefangen, und Col II. 15. Er hat ausgezogen die Für- ſtenthümer, und die Gewaltigen, und ſie Schau getragen öffent- lich. N.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/128>, abgerufen am 02.05.2024.