Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
295Standen sie schnell vor ihm auf; denn daß er in hoher Gesandtschaft
Von dem Himmel kam, sahen sie bald. Durch die schimmernden Zelte
Gieng er hindurch, und näherte sich den glücklichen Feldern
Durch Lustwälder von Myrthen und blumenreichen Gerüchen,
Welche Caßia, Nardus, und Balsam um sich verstreuten;
300Eine Wildniß von süßen Düften. Denn jugendlich scherzte
Hier die Natur, und spielte jungfräuliche Phantasien,
Wies ihr beliebte, indem sie hier wild, nicht nach Kunst oder Regeln,
Sich wollüstig in Wohlgeruch ausgoß; unendlicher Seegen!
Durch den balsamduftenden Hayn sah ihn Adam sich nähern,
305Als er unter dem Eingang [Spaltenumbruch] p) von seiner schattichten Laube
Saß, und itzo die Sonne, zur Mittagshöhe gestiegen,
Senkrecht die heißen Stralen herabschoß, das Jnnre der Erde
Zu erwärmen, und mehr es erwärmte, als Adam bedurfte.
Eva bereitete drinnen zu ihrer gewöhnlichen Stunde
310Schmackhafte Früchte zum Mittagsmahl, den Geschmack zu ergötzen,
Und dazwischen den Nektartrank von dem milchichten Strome
Reifer Beeren und Trauben. Und Adam rufet ihr also:

Eile geschwind, o Eva hieher, und sieh ein Gesichte,
Würdig, daß du es siehst! Dort unter den Bäumen gen Osten
315Naht sich die glorreichste Gestalt, die im herrlichsten Glanze
Wie ein anderer Morgen am hellen Mittag uns aufgeht.
Eine wichtge Gesandtschaft vielleicht vom Himmel, die heute
Bey
p) So saß Abraham in der
Thür seiner Hütten, da der Tag
am heißesten war,
als er von drey
[Spaltenumbruch] Engeln besucht wurde. Nach 1 B.
Mos. VIII. 1. Bentley.

Das verlohrne Paradies.
295Standen ſie ſchnell vor ihm auf; denn daß er in hoher Geſandtſchaft
Von dem Himmel kam, ſahen ſie bald. Durch die ſchimmernden Zelte
Gieng er hindurch, und naͤherte ſich den gluͤcklichen Feldern
Durch Luſtwaͤlder von Myrthen und blumenreichen Geruͤchen,
Welche Caßia, Nardus, und Balſam um ſich verſtreuten;
300Eine Wildniß von ſuͤßen Duͤften. Denn jugendlich ſcherzte
Hier die Natur, und ſpielte jungfraͤuliche Phantaſien,
Wies ihr beliebte, indem ſie hier wild, nicht nach Kunſt oder Regeln,
Sich wolluͤſtig in Wohlgeruch ausgoß; unendlicher Seegen!
Durch den balſamduftenden Hayn ſah ihn Adam ſich naͤhern,
305Als er unter dem Eingang [Spaltenumbruch] p) von ſeiner ſchattichten Laube
Saß, und itzo die Sonne, zur Mittagshoͤhe geſtiegen,
Senkrecht die heißen Stralen herabſchoß, das Jnnre der Erde
Zu erwaͤrmen, und mehr es erwaͤrmte, als Adam bedurfte.
Eva bereitete drinnen zu ihrer gewoͤhnlichen Stunde
310Schmackhafte Fruͤchte zum Mittagsmahl, den Geſchmack zu ergoͤtzen,
Und dazwiſchen den Nektartrank von dem milchichten Strome
Reifer Beeren und Trauben. Und Adam rufet ihr alſo:

Eile geſchwind, o Eva hieher, und ſieh ein Geſichte,
Wuͤrdig, daß du es ſiehſt! Dort unter den Baͤumen gen Oſten
315Naht ſich die glorreichſte Geſtalt, die im herrlichſten Glanze
Wie ein anderer Morgen am hellen Mittag uns aufgeht.
Eine wichtge Geſandtſchaft vielleicht vom Himmel, die heute
Bey
p) So ſaß Abraham in der
Thür ſeiner Hütten, da der Tag
am heißeſten war,
als er von drey
[Spaltenumbruch] Engeln beſucht wurde. Nach 1 B.
Moſ. VIII. 1. Bentley.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="21">
            <pb facs="#f0220" n="198"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l><note place="left">295</note>Standen &#x017F;ie &#x017F;chnell vor ihm auf; denn daß er in hoher Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>Von dem Himmel kam, &#x017F;ahen &#x017F;ie bald. Durch die &#x017F;chimmernden Zelte</l><lb/>
            <l>Gieng er hindurch, und na&#x0364;herte &#x017F;ich den glu&#x0364;cklichen Feldern</l><lb/>
            <l>Durch Lu&#x017F;twa&#x0364;lder von Myrthen und blumenreichen Geru&#x0364;chen,</l><lb/>
            <l>Welche Caßia, Nardus, und Bal&#x017F;am um &#x017F;ich ver&#x017F;treuten;</l><lb/>
            <l><note place="left">300</note>Eine Wildniß von &#x017F;u&#x0364;ßen Du&#x0364;ften. Denn jugendlich &#x017F;cherzte</l><lb/>
            <l>Hier die Natur, und &#x017F;pielte jungfra&#x0364;uliche Phanta&#x017F;ien,</l><lb/>
            <l>Wies ihr beliebte, indem &#x017F;ie hier wild, nicht nach Kun&#x017F;t oder Regeln,</l><lb/>
            <l>Sich wollu&#x0364;&#x017F;tig in Wohlgeruch ausgoß; unendlicher Seegen!</l><lb/>
            <l>Durch den bal&#x017F;amduftenden Hayn &#x017F;ah ihn <hi rendition="#fr">Adam</hi> &#x017F;ich na&#x0364;hern,</l><lb/>
            <l><note place="left">305</note>Als er unter dem Eingang <cb/><note place="foot" n="p)">So <hi rendition="#fr">&#x017F;aß Abraham in der<lb/>
Thür &#x017F;einer Hütten, da der Tag<lb/>
am heiße&#x017F;ten war,</hi> als er von drey<lb/><cb/>
Engeln be&#x017F;ucht wurde. Nach 1 B.<lb/>
Mo&#x017F;. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> 1. <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Bentley.</hi></hi></note> von &#x017F;einer &#x017F;chattichten Laube</l><lb/>
            <l>Saß, und itzo die Sonne, zur Mittagsho&#x0364;he ge&#x017F;tiegen,</l><lb/>
            <l>Senkrecht die heißen Stralen herab&#x017F;choß, das Jnnre der Erde</l><lb/>
            <l>Zu erwa&#x0364;rmen, und mehr es erwa&#x0364;rmte, als <hi rendition="#fr">Adam</hi> bedurfte.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Eva</hi> bereitete drinnen zu ihrer gewo&#x0364;hnlichen Stunde</l><lb/>
            <l><note place="left">310</note>Schmackhafte Fru&#x0364;chte zum Mittagsmahl, den Ge&#x017F;chmack zu ergo&#x0364;tzen,</l><lb/>
            <l>Und dazwi&#x017F;chen den Nektartrank von dem milchichten Strome</l><lb/>
            <l>Reifer Beeren und Trauben. Und <hi rendition="#fr">Adam</hi> rufet ihr al&#x017F;o:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="22">
            <l>Eile ge&#x017F;chwind, o <hi rendition="#fr">Eva</hi> hieher, und &#x017F;ieh ein Ge&#x017F;ichte,</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;rdig, daß du es &#x017F;ieh&#x017F;t! Dort unter den Ba&#x0364;umen gen O&#x017F;ten</l><lb/>
            <l><note place="left">315</note>Naht &#x017F;ich die glorreich&#x017F;te Ge&#x017F;talt, die im herrlich&#x017F;ten Glanze</l><lb/>
            <l>Wie ein anderer Morgen am hellen Mittag uns aufgeht.</l><lb/>
            <l>Eine wichtge Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft vielleicht vom Himmel, die heute</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0220] Das verlohrne Paradies. Standen ſie ſchnell vor ihm auf; denn daß er in hoher Geſandtſchaft Von dem Himmel kam, ſahen ſie bald. Durch die ſchimmernden Zelte Gieng er hindurch, und naͤherte ſich den gluͤcklichen Feldern Durch Luſtwaͤlder von Myrthen und blumenreichen Geruͤchen, Welche Caßia, Nardus, und Balſam um ſich verſtreuten; Eine Wildniß von ſuͤßen Duͤften. Denn jugendlich ſcherzte Hier die Natur, und ſpielte jungfraͤuliche Phantaſien, Wies ihr beliebte, indem ſie hier wild, nicht nach Kunſt oder Regeln, Sich wolluͤſtig in Wohlgeruch ausgoß; unendlicher Seegen! Durch den balſamduftenden Hayn ſah ihn Adam ſich naͤhern, Als er unter dem Eingang p) von ſeiner ſchattichten Laube Saß, und itzo die Sonne, zur Mittagshoͤhe geſtiegen, Senkrecht die heißen Stralen herabſchoß, das Jnnre der Erde Zu erwaͤrmen, und mehr es erwaͤrmte, als Adam bedurfte. Eva bereitete drinnen zu ihrer gewoͤhnlichen Stunde Schmackhafte Fruͤchte zum Mittagsmahl, den Geſchmack zu ergoͤtzen, Und dazwiſchen den Nektartrank von dem milchichten Strome Reifer Beeren und Trauben. Und Adam rufet ihr alſo: Eile geſchwind, o Eva hieher, und ſieh ein Geſichte, Wuͤrdig, daß du es ſiehſt! Dort unter den Baͤumen gen Oſten Naht ſich die glorreichſte Geſtalt, die im herrlichſten Glanze Wie ein anderer Morgen am hellen Mittag uns aufgeht. Eine wichtge Geſandtſchaft vielleicht vom Himmel, die heute Bey p) So ſaß Abraham in der Thür ſeiner Hütten, da der Tag am heißeſten war, als er von drey Engeln beſucht wurde. Nach 1 B. Moſ. VIII. 1. Bentley.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/220
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/220>, abgerufen am 29.04.2024.