Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Erster Gesang. Und die hohe Herrschaft geprüft, ob Stärk, oder Zufall,130Oder das ewge Verhängnis, sie aufrecht erhalten; Jch sehe, Und empfinde zu sehr nur den grausamen Ausgang des Treffens, Welches in einer schändlichen Flucht, nach traurigem Umsturz, Uns des Himmels verlustig gemacht; mit wilder Zerrüttung Dieses ganze gewaltige Heer so zu Boden geschlagen, 135Als nur Götter, und himmlische Wesen zu fallen vermögen. Denn das Gemüth, und der Geist, bleibt unüberwindlich; die Kräfte Kehren bald wieder zurück, ob unser Glanz zwar erstorben, Und der glückliche Zustand von unaufhörlichem Elend Ueberschwemmt scheint. Doch wie! wenn unser Sieger, (den itzo 140Jch für allmächtig gezwungen erkenne, weil solche Kriegsmacht, Wie die unsrige war, kein andrer, als nur ein Allmächtger, Ueberwältigen konnte;) wie wenn er uns darum nur völlig Diesen unseren Geist, und unsere Stärke gelassen, Desto besser die Pein zu ertragen, und stärker zu leiden, 145Daß wir so seiner Rachsucht genug thun, und, seine Sklaven, Die das Kriegsrecht ihm gab, ihm wichtgere Dienste zu leisten, Desto geschickter seyn mögen; er hab uns entweder bestimmet, Daß wir allhier im Herzen der Höllen im Feuer arbeiten, Oder seine Befehle durch diese finsteren Tiefen 150Ausrichten sollen? Was hilft es uns dann, daß wir unsere Stärke Unvermindert noch fühlen? Was hilft uns ein ewiges Wesen, Wenn wir nur darum es haben, um ewige Strafen zu leiden? Jhm nen König von unendlichen Zeiten her, dessen Herrschaft nie unterbrochen wor- [Spaltenumbruch] den; wie Ovidius sagt, perpetuum carmen Met. I, 4. N. B 2
Erſter Geſang. Und die hohe Herrſchaft gepruͤft, ob Staͤrk, oder Zufall,130Oder das ewge Verhaͤngnis, ſie aufrecht erhalten; Jch ſehe, Und empfinde zu ſehr nur den grauſamen Ausgang des Treffens, Welches in einer ſchaͤndlichen Flucht, nach traurigem Umſturz, Uns des Himmels verluſtig gemacht; mit wilder Zerruͤttung Dieſes ganze gewaltige Heer ſo zu Boden geſchlagen, 135Als nur Goͤtter, und himmliſche Weſen zu fallen vermoͤgen. Denn das Gemuͤth, und der Geiſt, bleibt unuͤberwindlich; die Kraͤfte Kehren bald wieder zuruͤck, ob unſer Glanz zwar erſtorben, Und der gluͤckliche Zuſtand von unaufhoͤrlichem Elend Ueberſchwemmt ſcheint. Doch wie! wenn unſer Sieger, (den itzo 140Jch fuͤr allmaͤchtig gezwungen erkenne, weil ſolche Kriegsmacht, Wie die unſrige war, kein andrer, als nur ein Allmaͤchtger, Ueberwaͤltigen konnte;) wie wenn er uns darum nur voͤllig Dieſen unſeren Geiſt, und unſere Staͤrke gelaſſen, Deſto beſſer die Pein zu ertragen, und ſtaͤrker zu leiden, 145Daß wir ſo ſeiner Rachſucht genug thun, und, ſeine Sklaven, Die das Kriegsrecht ihm gab, ihm wichtgere Dienſte zu leiſten, Deſto geſchickter ſeyn moͤgen; er hab uns entweder beſtimmet, Daß wir allhier im Herzen der Hoͤllen im Feuer arbeiten, Oder ſeine Befehle durch dieſe finſteren Tiefen 150Ausrichten ſollen? Was hilft es uns dann, daß wir unſere Staͤrke Unvermindert noch fuͤhlen? Was hilft uns ein ewiges Weſen, Wenn wir nur darum es haben, um ewige Strafen zu leiden? Jhm nen Koͤnig von unendlichen Zeiten her, deſſen Herrſchaft nie unterbrochen wor- [Spaltenumbruch] den; wie Ovidius ſagt, perpetuum carmen Met. I, 4. N. B 2
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Erſter Geſang.
Und die hohe Herrſchaft gepruͤft, ob Staͤrk, oder Zufall,
Oder das ewge Verhaͤngnis, ſie aufrecht erhalten; Jch ſehe,
Und empfinde zu ſehr nur den grauſamen Ausgang des Treffens,
Welches in einer ſchaͤndlichen Flucht, nach traurigem Umſturz,
Uns des Himmels verluſtig gemacht; mit wilder Zerruͤttung
Dieſes ganze gewaltige Heer ſo zu Boden geſchlagen,
Als nur Goͤtter, und himmliſche Weſen zu fallen vermoͤgen.
Denn das Gemuͤth, und der Geiſt, bleibt unuͤberwindlich; die Kraͤfte
Kehren bald wieder zuruͤck, ob unſer Glanz zwar erſtorben,
Und der gluͤckliche Zuſtand von unaufhoͤrlichem Elend
Ueberſchwemmt ſcheint. Doch wie! wenn unſer Sieger, (den itzo
Jch fuͤr allmaͤchtig gezwungen erkenne, weil ſolche Kriegsmacht,
Wie die unſrige war, kein andrer, als nur ein Allmaͤchtger,
Ueberwaͤltigen konnte;) wie wenn er uns darum nur voͤllig
Dieſen unſeren Geiſt, und unſere Staͤrke gelaſſen,
Deſto beſſer die Pein zu ertragen, und ſtaͤrker zu leiden,
Daß wir ſo ſeiner Rachſucht genug thun, und, ſeine Sklaven,
Die das Kriegsrecht ihm gab, ihm wichtgere Dienſte zu leiſten,
Deſto geſchickter ſeyn moͤgen; er hab uns entweder beſtimmet,
Daß wir allhier im Herzen der Hoͤllen im Feuer arbeiten,
Oder ſeine Befehle durch dieſe finſteren Tiefen
Ausrichten ſollen? Was hilft es uns dann, daß wir unſere Staͤrke
Unvermindert noch fuͤhlen? Was hilft uns ein ewiges Weſen,
Wenn wir nur darum es haben, um ewige Strafen zu leiden?
Jhm
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s) nen Koͤnig von unendlichen Zeiten her,
deſſen Herrſchaft nie unterbrochen wor-
den; wie Ovidius ſagt, perpetuum
carmen Met. I, 4. N.
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