Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Sechster Gesang. Schnitt mit gewaltiger Schneide sein Schwerdt ihm entzwey [Spaltenumbruch]
i); dochruht nicht, Sondern drang tiefverwundend mit schnellem rückkehrenden Hiebe 315Jhm in die rechte Seite hinein. Zum erstenmal fühlte Satan itzt Schmerzen, und rang, und krümmte sich hin und wieder; So durchdringend war ihm das Schwerdt mit fortdaurenden Wunden Jn i) Miltons Vers mahlt auf gewis- se Art die Sache selbst -- -- it met The sword of Satan with steep force to smite Descending, and in half cut sheer; | nor stay'd &c. Man hat dieses in der Uebersetzung beyzubehalten gesucht. Und hier kön- nen wir (sagt Newton) bemerken, wie fein große Geister einander nachahmen. Es ist eine sehr schöne Stelle in Ho- mers Jlias B. III. 363. wo das Schwerdt des Menelaus in dem Zwey- kampfe mit dem Paris in Stücken bricht. Eustathius hat angemerkt, daß wir in dem Griechischen Verse nicht allein die Handlung sehn, son- dern das Zerbrechen des Schwerdts in dem Schalle der Wörter selbst hören: [fremdsprachliches Material - 2 Zeilen fehlen] Jch glaube daß sich die deutsche Sprache diesen Tönen ziemlich nähern kann: Dreyfach und vierfach zersplittert, zer- sprang ihm das Schwerdt -- Virgil, da er diese Schönheit nicht wohl nachahmen konnte, hat mit gros- ser Einsicht eine andre von seiner Er- findung angebracht, um das Abbre- chen von dem Schwerdte des Turnus zu malen. Aen. XII. 731. &c. -- at perfidus ensis [Spaltenumbruch] Frangitur; | in medioque ardentem deserit ictu. -- -- Der untreue Stahl brach Ab, | und verließ den hitzigen Krieger mitten im Streiche, Er geht noch weiter: Mortalis mucro, glacies seu futilis, ictu Dissiluit; | fulva resplendent fragmi- na arena. Und der sterbliche Stahl, gleich einem zerbrechlichen Glase, Brach; | es glänzten im Sand die schim- mernden Stücke. -- Da diese Schönheit im Englischen mehr nachzuahmen war, als das [fremdsprachliches Material - 4 Zeichen fehlen]- [fremdsprachliches Material - 14 Zeichen fehlen] &c. des Homer, so hat Pope in seiner vortrefflichen Ueber- setzung Homers lieber den Virgil copiirt. The brittle steel, unfaithful to his hand, Broke short; | the fragments glitterd on the sand. Der morsche Stahl, untreu der ta- pfern Hand Zersprang; | die Stücken schimmerten im Sand. Diese Schönheiten müssen indeß, wie Herr Klopstock in seiner vortreff- lichen Abhandlung vom Griechischen Sylbenmaße gezeigt, in dem Feuer der Ausarbeitung so zu sagen von selbst entstehn, ohne mühsam darauf zu den- ken, weil man sonst leicht ins Spie- lende dadurch verfallen kann. Z. H h
Sechſter Geſang. Schnitt mit gewaltiger Schneide ſein Schwerdt ihm entzwey [Spaltenumbruch]
i); dochruht nicht, Sondern drang tiefverwundend mit ſchnellem ruͤckkehrenden Hiebe 315Jhm in die rechte Seite hinein. Zum erſtenmal fuͤhlte Satan itzt Schmerzen, und rang, und kruͤmmte ſich hin und wieder; So durchdringend war ihm das Schwerdt mit fortdaurenden Wunden Jn i) Miltons Vers mahlt auf gewiſ- ſe Art die Sache ſelbſt — — it met The ſword of Satan with ſteep force to ſmite Deſcending, and in half cut ſheer; | nor ſtay’d &c. Man hat dieſes in der Ueberſetzung beyzubehalten geſucht. Und hier koͤn- nen wir (ſagt Newton) bemerken, wie fein große Geiſter einander nachahmen. Es iſt eine ſehr ſchoͤne Stelle in Ho- mers Jlias B. III. 363. wo das Schwerdt des Menelaus in dem Zwey- kampfe mit dem Paris in Stuͤcken bricht. Euſtathius hat angemerkt, daß wir in dem Griechiſchen Verſe nicht allein die Handlung ſehn, ſon- dern das Zerbrechen des Schwerdts in dem Schalle der Woͤrter ſelbſt hoͤren: [fremdsprachliches Material – 2 Zeilen fehlen] Jch glaube daß ſich die deutſche Sprache dieſen Toͤnen ziemlich naͤhern kann: Dreyfach und vierfach zerſplittert, zer- ſprang ihm das Schwerdt — Virgil, da er dieſe Schoͤnheit nicht wohl nachahmen konnte, hat mit groſ- ſer Einſicht eine andre von ſeiner Er- findung angebracht, um das Abbre- chen von dem Schwerdte des Turnus zu malen. Aen. XII. 731. &c. — at perfidus enſis [Spaltenumbruch] Frangitur; | in medioque ardentem deſerit ictu. — — Der untreue Stahl brach Ab, | und verließ den hitzigen Krieger mitten im Streiche, Er geht noch weiter: Mortalis mucro, glacies ſeu futilis, ictu Diſſiluit; | fulvâ reſplendent fragmi- na arenâ. Und der ſterbliche Stahl, gleich einem zerbrechlichen Glaſe, Brach; | es glaͤnzten im Sand die ſchim- mernden Stuͤcke. — Da dieſe Schoͤnheit im Engliſchen mehr nachzuahmen war, als das [fremdsprachliches Material – 4 Zeichen fehlen]- [fremdsprachliches Material – 14 Zeichen fehlen] &c. des Homer, ſo hat Pope in ſeiner vortrefflichen Ueber- ſetzung Homers lieber den Virgil copiirt. The brittle ſteel, unfaithful to his hand, Broke ſhort; | the fragments glitterd on the ſand. Der morſche Stahl, untreu der ta- pfern Hand Zerſprang; | die Stuͤcken ſchimmerten im Sand. Dieſe Schoͤnheiten muͤſſen indeß, wie Herr Klopſtock in ſeiner vortreff- lichen Abhandlung vom Griechiſchen Sylbenmaße gezeigt, in dem Feuer der Ausarbeitung ſo zu ſagen von ſelbſt entſtehn, ohne muͤhſam darauf zu den- ken, weil man ſonſt leicht ins Spie- lende dadurch verfallen kann. Z. H h
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Sechſter Geſang.
Schnitt mit gewaltiger Schneide ſein Schwerdt ihm entzwey
i); doch
ruht nicht,
Sondern drang tiefverwundend mit ſchnellem ruͤckkehrenden Hiebe
Jhm in die rechte Seite hinein. Zum erſtenmal fuͤhlte
Satan itzt Schmerzen, und rang, und kruͤmmte ſich hin und wieder;
So durchdringend war ihm das Schwerdt mit fortdaurenden Wunden
Jn
i) Miltons Vers mahlt auf gewiſ-
ſe Art die Sache ſelbſt
— — it met
The ſword of Satan with ſteep force
to ſmite
Deſcending, and in half cut ſheer;
| nor ſtay’d &c.
Man hat dieſes in der Ueberſetzung
beyzubehalten geſucht. Und hier koͤn-
nen wir (ſagt Newton) bemerken, wie
fein große Geiſter einander nachahmen.
Es iſt eine ſehr ſchoͤne Stelle in Ho-
mers Jlias B. III. 363. wo das
Schwerdt des Menelaus in dem Zwey-
kampfe mit dem Paris in Stuͤcken
bricht. Euſtathius hat angemerkt,
daß wir in dem Griechiſchen Verſe
nicht allein die Handlung ſehn, ſon-
dern das Zerbrechen des Schwerdts in
dem Schalle der Woͤrter ſelbſt hoͤren:
__ Jch glaube daß ſich die deutſche
Sprache dieſen Toͤnen ziemlich naͤhern
kann:
Dreyfach und vierfach zerſplittert, zer-
ſprang ihm das Schwerdt —
Virgil, da er dieſe Schoͤnheit nicht
wohl nachahmen konnte, hat mit groſ-
ſer Einſicht eine andre von ſeiner Er-
findung angebracht, um das Abbre-
chen von dem Schwerdte des Turnus
zu malen. Aen. XII. 731. &c.
— at perfidus enſis
Frangitur; | in medioque ardentem
deſerit ictu.
— — Der untreue Stahl brach
Ab, | und verließ den hitzigen Krieger
mitten im Streiche,
Er geht noch weiter:
Mortalis mucro, glacies ſeu futilis, ictu
Diſſiluit; | fulvâ reſplendent fragmi-
na arenâ.
Und der ſterbliche Stahl, gleich einem
zerbrechlichen Glaſe,
Brach; | es glaͤnzten im Sand die ſchim-
mernden Stuͤcke. —
Da dieſe Schoͤnheit im Engliſchen
mehr nachzuahmen war, als das ____-
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hat Pope in ſeiner vortrefflichen Ueber-
ſetzung Homers lieber den Virgil copiirt.
The brittle ſteel, unfaithful to his
hand,
Broke ſhort; | the fragments glitterd
on the ſand.
Der morſche Stahl, untreu der ta-
pfern Hand
Zerſprang; | die Stuͤcken ſchimmerten
im Sand.
Dieſe Schoͤnheiten muͤſſen indeß,
wie Herr Klopſtock in ſeiner vortreff-
lichen Abhandlung vom Griechiſchen
Sylbenmaße gezeigt, in dem Feuer
der Ausarbeitung ſo zu ſagen von ſelbſt
entſtehn, ohne muͤhſam darauf zu den-
ken, weil man ſonſt leicht ins Spie-
lende dadurch verfallen kann. Z.
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Zitationshilfe: | Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/265>, abgerufen am 16.02.2025. |