Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Mit geruhigem Blick erwiederte Satan ihm also: Was du für unsere Wohlfahrt mit Recht für so nöthig erachtest, Jst von mir schon erfunden. Denn welcher von uns, der aufmerksam 455Dieses ätherischen Bodens hellglänzende Fläche betrachtet, Dieses Land des geraumen Himmels, auf welchem wir stehen, Mit ambrosialischen Pflanzen', und Blumen und Früchten, Und mit Golde geziert, und köstlichen Edelgesteinen, Wessen Blick sieht dies alles so flüchtig, und weis nicht, wodurch es 460Unter dem Boden entspringt? Und daß es aus finsterem Grundstoff Voll von feurigem geistigen Schaum, wenn der himmlische Lichtstral Jhn berührt und gekocht, in solcher Schönheit hervorsproßt, Und am belebenden Licht sich entfaltet. Mit diesem Grundstoff Soll uns die Tiefe versehn aus ihrem schwarzen Geburtsort, 465Schwanger mit unterirdischen Flammen; nachdem er in hohle, Lange, runde Maschinen dick eingepreßt ist, und Feuer Jhn am Luftloch berührt, so wird er sich wüthend verbreiten, Und von fern her mit donnerndem Kuall auf unsere Feinde Solche Ladung von Uebel verschütten, daß alles zerschmettert, 470Alles umgestürzt wird, was uns entgegen sich stellet. Zitternd sollen sie fürchten, wir haben den Donnerer selber Seiner gefürchteten Keile beraubt. Es soll auch die Arbeit Lange nicht währen; die That soll noch vor Anbruch des Tages Unseren Wunsch uns erfüllen. Jndessen lebet voll Hoffnung 475Wieder auf, und verbannet die Furcht! Wo der Rath und die Stärke Sich verbinden, ist nichts zu schwer; ist nie zu verzweifeln! Also
Das verlohrne Paradies. Mit geruhigem Blick erwiederte Satan ihm alſo: Was du fuͤr unſere Wohlfahrt mit Recht fuͤr ſo noͤthig erachteſt, Jſt von mir ſchon erfunden. Denn welcher von uns, der aufmerkſam 455Dieſes aͤtheriſchen Bodens hellglaͤnzende Flaͤche betrachtet, Dieſes Land des geraumen Himmels, auf welchem wir ſtehen, Mit ambroſialiſchen Pflanzen’, und Blumen und Fruͤchten, Und mit Golde geziert, und koͤſtlichen Edelgeſteinen, Weſſen Blick ſieht dies alles ſo fluͤchtig, und weis nicht, wodurch es 460Unter dem Boden entſpringt? Und daß es aus finſterem Grundſtoff Voll von feurigem geiſtigen Schaum, wenn der himmliſche Lichtſtral Jhn beruͤhrt und gekocht, in ſolcher Schoͤnheit hervorſproßt, Und am belebenden Licht ſich entfaltet. Mit dieſem Grundſtoff Soll uns die Tiefe verſehn aus ihrem ſchwarzen Geburtsort, 465Schwanger mit unterirdiſchen Flammen; nachdem er in hohle, Lange, runde Maſchinen dick eingepreßt iſt, und Feuer Jhn am Luftloch beruͤhrt, ſo wird er ſich wuͤthend verbreiten, Und von fern her mit donnerndem Kuall auf unſere Feinde Solche Ladung von Uebel verſchuͤtten, daß alles zerſchmettert, 470Alles umgeſtuͤrzt wird, was uns entgegen ſich ſtellet. Zitternd ſollen ſie fuͤrchten, wir haben den Donnerer ſelber Seiner gefuͤrchteten Keile beraubt. Es ſoll auch die Arbeit Lange nicht waͤhren; die That ſoll noch vor Anbruch des Tages Unſeren Wunſch uns erfuͤllen. Jndeſſen lebet voll Hoffnung 475Wieder auf, und verbannet die Furcht! Wo der Rath und die Staͤrke Sich verbinden, iſt nichts zu ſchwer; iſt nie zu verzweifeln! Alſo
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Das verlohrne Paradies.
Mit geruhigem Blick erwiederte Satan ihm alſo:
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Jſt von mir ſchon erfunden. Denn welcher von uns, der aufmerkſam
Dieſes aͤtheriſchen Bodens hellglaͤnzende Flaͤche betrachtet,
Dieſes Land des geraumen Himmels, auf welchem wir ſtehen,
Mit ambroſialiſchen Pflanzen’, und Blumen und Fruͤchten,
Und mit Golde geziert, und koͤſtlichen Edelgeſteinen,
Weſſen Blick ſieht dies alles ſo fluͤchtig, und weis nicht, wodurch es
Unter dem Boden entſpringt? Und daß es aus finſterem Grundſtoff
Voll von feurigem geiſtigen Schaum, wenn der himmliſche Lichtſtral
Jhn beruͤhrt und gekocht, in ſolcher Schoͤnheit hervorſproßt,
Und am belebenden Licht ſich entfaltet. Mit dieſem Grundſtoff
Soll uns die Tiefe verſehn aus ihrem ſchwarzen Geburtsort,
Schwanger mit unterirdiſchen Flammen; nachdem er in hohle,
Lange, runde Maſchinen dick eingepreßt iſt, und Feuer
Jhn am Luftloch beruͤhrt, ſo wird er ſich wuͤthend verbreiten,
Und von fern her mit donnerndem Kuall auf unſere Feinde
Solche Ladung von Uebel verſchuͤtten, daß alles zerſchmettert,
Alles umgeſtuͤrzt wird, was uns entgegen ſich ſtellet.
Zitternd ſollen ſie fuͤrchten, wir haben den Donnerer ſelber
Seiner gefuͤrchteten Keile beraubt. Es ſoll auch die Arbeit
Lange nicht waͤhren; die That ſoll noch vor Anbruch des Tages
Unſeren Wunſch uns erfuͤllen. Jndeſſen lebet voll Hoffnung
Wieder auf, und verbannet die Furcht! Wo der Rath und die Staͤrke
Sich verbinden, iſt nichts zu ſchwer; iſt nie zu verzweifeln!
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Zitationshilfe: | Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/272>, abgerufen am 16.02.2025. |