Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechster Gesang.
Donnerkeile, mit Hagel von eisernen Kugeln begleitet;
565Welche mit solcher entsetzlichen Wuth auf das siegende Kriegsheer
Stürmten, daß keiner von ihnen, so bald ihn die Donner getroffen,
Aufrecht zu stehen vermochte, da sonst sie wie Felsen stunden;
Sondern sie fielen bey tausenden nieder; bey tausenden rollten
Engel und Erzengel übereinander; und dieses vielmehr noch
570Wegen der schweren Rüstung; sie wären als Geister viel leichter
Ungewaffnet dem Unfall entgangen, wofern sie die Körper
Plötzlich zusammengezogen, und eilig herum sich geschwenket.
Aber nun folgte die wüste Zerstörung, gezwungne Zerrüttung;
Und es half nicht, daß sie die festen geschlossenen Reihen
575Trennten. Was sollten sie thun? Wofern sie von neuem den Angriff
Wagen wollten, so mußten sie fürchten, von neuem geschlagen,
Durch gedoppelten Umsturz noch mehr verächtlich zu werden,
Und dem Feind zum Gespötte zu dienen. Schon stand im Gesichte
Eine folgende Reihe von wartenden Seraphim fertig,
580Jhnen die zweyte Lage von ihrem Donner zu senden;
Sollten sie flüchtig den Rücken kehren? Dies scheuten sie noch mehr. --
Satan sah, wie verlegen sie waren; er wendete spottend
Sich zu seinen Gefährten, indem er hohnlachend sagte:

Warum kommen, o Freunde, die stolzen Sieger nicht näher?
585Da sie erst eben so trotzig sich nahten, indem wir bereit stehn
Sie, (was konnten wir mehr) mit offener Stirn zu empfangen,
Und die wichtigen Punkte zum Frieden ihnen gesendet,
Haben sie schnell die Gedanken verändert, und fliehen, und machen
Selt-
J i 3

Sechſter Geſang.
Donnerkeile, mit Hagel von eiſernen Kugeln begleitet;
565Welche mit ſolcher entſetzlichen Wuth auf das ſiegende Kriegsheer
Stuͤrmten, daß keiner von ihnen, ſo bald ihn die Donner getroffen,
Aufrecht zu ſtehen vermochte, da ſonſt ſie wie Felſen ſtunden;
Sondern ſie fielen bey tauſenden nieder; bey tauſenden rollten
Engel und Erzengel uͤbereinander; und dieſes vielmehr noch
570Wegen der ſchweren Ruͤſtung; ſie waͤren als Geiſter viel leichter
Ungewaffnet dem Unfall entgangen, wofern ſie die Koͤrper
Ploͤtzlich zuſammengezogen, und eilig herum ſich geſchwenket.
Aber nun folgte die wuͤſte Zerſtoͤrung, gezwungne Zerruͤttung;
Und es half nicht, daß ſie die feſten geſchloſſenen Reihen
575Trennten. Was ſollten ſie thun? Wofern ſie von neuem den Angriff
Wagen wollten, ſo mußten ſie fuͤrchten, von neuem geſchlagen,
Durch gedoppelten Umſturz noch mehr veraͤchtlich zu werden,
Und dem Feind zum Geſpoͤtte zu dienen. Schon ſtand im Geſichte
Eine folgende Reihe von wartenden Seraphim fertig,
580Jhnen die zweyte Lage von ihrem Donner zu ſenden;
Sollten ſie fluͤchtig den Ruͤcken kehren? Dies ſcheuten ſie noch mehr. —
Satan ſah, wie verlegen ſie waren; er wendete ſpottend
Sich zu ſeinen Gefaͤhrten, indem er hohnlachend ſagte:

Warum kommen, o Freunde, die ſtolzen Sieger nicht naͤher?
585Da ſie erſt eben ſo trotzig ſich nahten, indem wir bereit ſtehn
Sie, (was konnten wir mehr) mit offener Stirn zu empfangen,
Und die wichtigen Punkte zum Frieden ihnen geſendet,
Haben ſie ſchnell die Gedanken veraͤndert, und fliehen, und machen
Selt-
J i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="24">
            <pb facs="#f0277" n="253"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sech&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Donnerkeile, mit Hagel von ei&#x017F;ernen Kugeln begleitet;</l><lb/>
            <l><note place="left">565</note>Welche mit &#x017F;olcher ent&#x017F;etzlichen Wuth auf das &#x017F;iegende Kriegsheer</l><lb/>
            <l>Stu&#x0364;rmten, daß keiner von ihnen, &#x017F;o bald ihn die Donner getroffen,</l><lb/>
            <l>Aufrecht zu &#x017F;tehen vermochte, da &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ie wie Fel&#x017F;en &#x017F;tunden;</l><lb/>
            <l>Sondern &#x017F;ie fielen bey tau&#x017F;enden nieder; bey tau&#x017F;enden rollten</l><lb/>
            <l>Engel und Erzengel u&#x0364;bereinander; und die&#x017F;es vielmehr noch</l><lb/>
            <l><note place="left">570</note>Wegen der &#x017F;chweren Ru&#x0364;&#x017F;tung; &#x017F;ie wa&#x0364;ren als Gei&#x017F;ter viel leichter</l><lb/>
            <l>Ungewaffnet dem Unfall entgangen, wofern &#x017F;ie die Ko&#x0364;rper</l><lb/>
            <l>Plo&#x0364;tzlich zu&#x017F;ammengezogen, und eilig herum &#x017F;ich ge&#x017F;chwenket.</l><lb/>
            <l>Aber nun folgte die wu&#x0364;&#x017F;te Zer&#x017F;to&#x0364;rung, gezwungne Zerru&#x0364;ttung;</l><lb/>
            <l>Und es half nicht, daß &#x017F;ie die fe&#x017F;ten ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Reihen</l><lb/>
            <l><note place="left">575</note>Trennten. Was &#x017F;ollten &#x017F;ie thun? Wofern &#x017F;ie von neuem den Angriff</l><lb/>
            <l>Wagen wollten, &#x017F;o mußten &#x017F;ie fu&#x0364;rchten, von neuem ge&#x017F;chlagen,</l><lb/>
            <l>Durch gedoppelten Um&#x017F;turz noch mehr vera&#x0364;chtlich zu werden,</l><lb/>
            <l>Und dem Feind zum Ge&#x017F;po&#x0364;tte zu dienen. Schon &#x017F;tand im Ge&#x017F;ichte</l><lb/>
            <l>Eine folgende Reihe von wartenden Seraphim fertig,</l><lb/>
            <l><note place="left">580</note>Jhnen die zweyte Lage von ihrem Donner zu &#x017F;enden;</l><lb/>
            <l>Sollten &#x017F;ie flu&#x0364;chtig den Ru&#x0364;cken kehren? Dies &#x017F;cheuten &#x017F;ie noch mehr. &#x2014;</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Satan</hi> &#x017F;ah, wie verlegen &#x017F;ie waren; er wendete &#x017F;pottend</l><lb/>
            <l>Sich zu &#x017F;einen Gefa&#x0364;hrten, indem er hohnlachend &#x017F;agte:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="25">
            <l>Warum kommen, o Freunde, die &#x017F;tolzen Sieger nicht na&#x0364;her?</l><lb/>
            <l><note place="left">585</note>Da &#x017F;ie er&#x017F;t eben &#x017F;o trotzig &#x017F;ich nahten, indem wir bereit &#x017F;tehn</l><lb/>
            <l>Sie, (was konnten wir mehr) mit offener Stirn zu empfangen,</l><lb/>
            <l>Und die wichtigen Punkte zum Frieden ihnen ge&#x017F;endet,</l><lb/>
            <l>Haben &#x017F;ie &#x017F;chnell die Gedanken vera&#x0364;ndert, und fliehen, und machen</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">J i 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Selt-</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0277] Sechſter Geſang. Donnerkeile, mit Hagel von eiſernen Kugeln begleitet; Welche mit ſolcher entſetzlichen Wuth auf das ſiegende Kriegsheer Stuͤrmten, daß keiner von ihnen, ſo bald ihn die Donner getroffen, Aufrecht zu ſtehen vermochte, da ſonſt ſie wie Felſen ſtunden; Sondern ſie fielen bey tauſenden nieder; bey tauſenden rollten Engel und Erzengel uͤbereinander; und dieſes vielmehr noch Wegen der ſchweren Ruͤſtung; ſie waͤren als Geiſter viel leichter Ungewaffnet dem Unfall entgangen, wofern ſie die Koͤrper Ploͤtzlich zuſammengezogen, und eilig herum ſich geſchwenket. Aber nun folgte die wuͤſte Zerſtoͤrung, gezwungne Zerruͤttung; Und es half nicht, daß ſie die feſten geſchloſſenen Reihen Trennten. Was ſollten ſie thun? Wofern ſie von neuem den Angriff Wagen wollten, ſo mußten ſie fuͤrchten, von neuem geſchlagen, Durch gedoppelten Umſturz noch mehr veraͤchtlich zu werden, Und dem Feind zum Geſpoͤtte zu dienen. Schon ſtand im Geſichte Eine folgende Reihe von wartenden Seraphim fertig, Jhnen die zweyte Lage von ihrem Donner zu ſenden; Sollten ſie fluͤchtig den Ruͤcken kehren? Dies ſcheuten ſie noch mehr. — Satan ſah, wie verlegen ſie waren; er wendete ſpottend Sich zu ſeinen Gefaͤhrten, indem er hohnlachend ſagte: Warum kommen, o Freunde, die ſtolzen Sieger nicht naͤher? Da ſie erſt eben ſo trotzig ſich nahten, indem wir bereit ſtehn Sie, (was konnten wir mehr) mit offener Stirn zu empfangen, Und die wichtigen Punkte zum Frieden ihnen geſendet, Haben ſie ſchnell die Gedanken veraͤndert, und fliehen, und machen Selt- J i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/277
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/277>, abgerufen am 01.05.2024.