Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Hätte nicht der allmächtige Vater, da, wo er im Himmel640Sicher im Heiligsten sitzt, und den Ausgang der Dinge betrachtet, Diesem Aufruhr entgegen gesehn, und ihn weislich verhänget, Seinen erhabenen Zweck zu erlangen, und seinen Gesalbten So an seinen Feinden zu rächen, daß offenbar werde, Wie er ihm alle Gewalt gegeben. Er wandte daher sich 645So zu dem Sohn, der neben ihm saß auf dem Throne der Gottheit: Mein geliebtester Sohn, du meiner Herrlichkeit Abglanz, Sohn, in dessen göttlichen Antlitz das Unsichtbare Sichtbar gesehn wird, und alles, was ich nach dem Rechte der Gottheit Bin; durch welchen ich alles, was ich beschlossen, vollführe; 650Zweyte Allmacht; zwey Tage, so wie wir im Himmel sie zehlen, Sind vergangen, seit Michael auszog mit seinen Mächten Diese Rebellen zu zähmen. Hart war ihr Gefecht, wie's seyn mußte, Wenn zwey so mächtige Feinde die Waffen gegeneinander Führen. Jch überließ sie sich selbst; du weißt, in der Schöpfung 655Sind sie einander gleich gemacht worden; die Sünde hat nachher Sie in etwas verringert, jedoch nur unmerklich gewirket, Da ich ihre Verdammniß noch aufgeschoben. Nothwendig Müßten sie also in endlosem Streit mit einander verharren. Krieg hat gethan, was der Krieg thun kann; dem äußersten Rasen 660Ließ er den Zügel schießen; hat sich mit Bergen gewaffnet, Welches den Himmel zerstört, und dem Ganzen den Untergang drohte. So sind zwey Tage vergangen; der dritte sey dein! Denn ich habe Dir ihn bestimmt, und so lang' es erduldet, damit die Ehre, Diesen
Das verlohrne Paradies. Haͤtte nicht der allmaͤchtige Vater, da, wo er im Himmel640Sicher im Heiligſten ſitzt, und den Ausgang der Dinge betrachtet, Dieſem Aufruhr entgegen geſehn, und ihn weislich verhaͤnget, Seinen erhabenen Zweck zu erlangen, und ſeinen Geſalbten So an ſeinen Feinden zu raͤchen, daß offenbar werde, Wie er ihm alle Gewalt gegeben. Er wandte daher ſich 645So zu dem Sohn, der neben ihm ſaß auf dem Throne der Gottheit: Mein geliebteſter Sohn, du meiner Herrlichkeit Abglanz, Sohn, in deſſen goͤttlichen Antlitz das Unſichtbare Sichtbar geſehn wird, und alles, was ich nach dem Rechte der Gottheit Bin; durch welchen ich alles, was ich beſchloſſen, vollfuͤhre; 650Zweyte Allmacht; zwey Tage, ſo wie wir im Himmel ſie zehlen, Sind vergangen, ſeit Michael auszog mit ſeinen Maͤchten Dieſe Rebellen zu zaͤhmen. Hart war ihr Gefecht, wie’s ſeyn mußte, Wenn zwey ſo maͤchtige Feinde die Waffen gegeneinander Fuͤhren. Jch uͤberließ ſie ſich ſelbſt; du weißt, in der Schoͤpfung 655Sind ſie einander gleich gemacht worden; die Suͤnde hat nachher Sie in etwas verringert, jedoch nur unmerklich gewirket, Da ich ihre Verdammniß noch aufgeſchoben. Nothwendig Muͤßten ſie alſo in endloſem Streit mit einander verharren. Krieg hat gethan, was der Krieg thun kann; dem aͤußerſten Raſen 660Ließ er den Zuͤgel ſchießen; hat ſich mit Bergen gewaffnet, Welches den Himmel zerſtoͤrt, und dem Ganzen den Untergang drohte. So ſind zwey Tage vergangen; der dritte ſey dein! Denn ich habe Dir ihn beſtimmt, und ſo lang’ es erduldet, damit die Ehre, Dieſen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="27"> <pb facs="#f0280" n="256"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Haͤtte nicht der allmaͤchtige Vater, da, wo er im Himmel</l><lb/> <l><note place="left">640</note>Sicher im Heiligſten ſitzt, und den Ausgang der Dinge betrachtet,</l><lb/> <l>Dieſem Aufruhr entgegen geſehn, und ihn weislich verhaͤnget,</l><lb/> <l>Seinen erhabenen Zweck zu erlangen, und ſeinen Geſalbten</l><lb/> <l>So an ſeinen Feinden zu raͤchen, daß offenbar werde,</l><lb/> <l>Wie er ihm alle Gewalt gegeben. Er wandte daher ſich</l><lb/> <l><note place="left">645</note>So zu dem Sohn, der neben ihm ſaß auf dem Throne der Gottheit:</l> </lg><lb/> <lg n="28"> <l>Mein geliebteſter Sohn, du meiner Herrlichkeit Abglanz,</l><lb/> <l>Sohn, in deſſen goͤttlichen Antlitz das Unſichtbare</l><lb/> <l>Sichtbar geſehn wird, und alles, was ich nach dem Rechte der Gottheit</l><lb/> <l>Bin; durch welchen ich alles, was ich beſchloſſen, vollfuͤhre;</l><lb/> <l><note place="left">650</note>Zweyte Allmacht; zwey Tage, ſo wie wir im Himmel ſie zehlen,</l><lb/> <l>Sind vergangen, ſeit <hi rendition="#fr">Michael</hi> auszog mit ſeinen Maͤchten</l><lb/> <l>Dieſe Rebellen zu zaͤhmen. Hart war ihr Gefecht, wie’s ſeyn mußte,</l><lb/> <l>Wenn zwey ſo maͤchtige Feinde die Waffen gegeneinander</l><lb/> <l>Fuͤhren. Jch uͤberließ ſie ſich ſelbſt; du weißt, in der Schoͤpfung</l><lb/> <l><note place="left">655</note>Sind ſie einander gleich gemacht worden; die Suͤnde hat nachher</l><lb/> <l>Sie in etwas verringert, jedoch nur unmerklich gewirket,</l><lb/> <l>Da ich ihre Verdammniß noch aufgeſchoben. Nothwendig</l><lb/> <l>Muͤßten ſie alſo in endloſem Streit mit einander verharren.</l><lb/> <l>Krieg hat gethan, was der Krieg thun kann; dem aͤußerſten Raſen</l><lb/> <l><note place="left">660</note>Ließ er den Zuͤgel ſchießen; hat ſich mit Bergen gewaffnet,</l><lb/> <l>Welches den Himmel zerſtoͤrt, und dem Ganzen den Untergang drohte.</l><lb/> <l>So ſind zwey Tage vergangen; der dritte ſey dein! Denn ich habe</l><lb/> <l>Dir ihn beſtimmt, und ſo lang’ es erduldet, damit die Ehre,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſen</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [256/0280]
Das verlohrne Paradies.
Haͤtte nicht der allmaͤchtige Vater, da, wo er im Himmel
Sicher im Heiligſten ſitzt, und den Ausgang der Dinge betrachtet,
Dieſem Aufruhr entgegen geſehn, und ihn weislich verhaͤnget,
Seinen erhabenen Zweck zu erlangen, und ſeinen Geſalbten
So an ſeinen Feinden zu raͤchen, daß offenbar werde,
Wie er ihm alle Gewalt gegeben. Er wandte daher ſich
So zu dem Sohn, der neben ihm ſaß auf dem Throne der Gottheit:
Mein geliebteſter Sohn, du meiner Herrlichkeit Abglanz,
Sohn, in deſſen goͤttlichen Antlitz das Unſichtbare
Sichtbar geſehn wird, und alles, was ich nach dem Rechte der Gottheit
Bin; durch welchen ich alles, was ich beſchloſſen, vollfuͤhre;
Zweyte Allmacht; zwey Tage, ſo wie wir im Himmel ſie zehlen,
Sind vergangen, ſeit Michael auszog mit ſeinen Maͤchten
Dieſe Rebellen zu zaͤhmen. Hart war ihr Gefecht, wie’s ſeyn mußte,
Wenn zwey ſo maͤchtige Feinde die Waffen gegeneinander
Fuͤhren. Jch uͤberließ ſie ſich ſelbſt; du weißt, in der Schoͤpfung
Sind ſie einander gleich gemacht worden; die Suͤnde hat nachher
Sie in etwas verringert, jedoch nur unmerklich gewirket,
Da ich ihre Verdammniß noch aufgeſchoben. Nothwendig
Muͤßten ſie alſo in endloſem Streit mit einander verharren.
Krieg hat gethan, was der Krieg thun kann; dem aͤußerſten Raſen
Ließ er den Zuͤgel ſchießen; hat ſich mit Bergen gewaffnet,
Welches den Himmel zerſtoͤrt, und dem Ganzen den Untergang drohte.
So ſind zwey Tage vergangen; der dritte ſey dein! Denn ich habe
Dir ihn beſtimmt, und ſo lang’ es erduldet, damit die Ehre,
Dieſen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |