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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Sechster Gesang.
Aus der Verzweiflung. Wie konnte solch eine verderbte Gemüthsart
750Himmlische Geister beherrschen! Doch was für Zeichen und Wunder
Können auf Stolze wirken, und Harte zum Nachgeben zwingen?
Was sie am ersten zurückbringen sollte, verhärtete mehr nur
Jhre Herzen; und wüthender Neid ergriff sie beym Anblick
Seines herrlichen Anzugs. Sie strebten nach seiner Höhe,
755Stunden von neuem in Schlachtordnung da, in schmeichelnder Hoffnung,
Wider den Höchsten zuletzt und seinen Gesalbten den Vortheil
Mit Gewalt oder List zu erhalten; und sollt es nicht glücken,
Endlich im allgemeinen Verderben vernichtet zu werden.
Und so nahten sie sich, (nicht Willens zu fliehn, noch zu weichen,)
760Zu der letzten entscheidenden Schlacht; der Sohn des Allmächtgen
Wandt sich zu seinem gesammten Heer, indem er so anhub:

Steht hier still in glänzenden Reihen, ihr Heiligen; steht hier,
Jhr getreuen gewaffneten Engel, und ruhet vom Streite
Diesen Tag; ihr habt getreu mit dem Beyfall des Höchsten
765Furchtlos in seiner gerechten Sache den Krieg geführet;
Und nachdem ihrs empfangen, so habt ihr auch Thaten verrichtet,
Unüberwindlich! Doch hat er die Strafe der höllischen Rotte
Einer ganz andern Hand bestimmt; denn sein ist die Rache b),
Oder doch dessen nur, dem er allein die Rache befiehlet.
770Große zahlreiche Mengen erfordert der heutige Tag nicht;
Steht nur still, und schaut zu, wie itzo des Ewigen Rache
Diese
b) Röm. XII. 19. Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht
der Herr.
K k 3

Sechſter Geſang.
Aus der Verzweiflung. Wie konnte ſolch eine verderbte Gemuͤthsart
750Himmliſche Geiſter beherrſchen! Doch was fuͤr Zeichen und Wunder
Koͤnnen auf Stolze wirken, und Harte zum Nachgeben zwingen?
Was ſie am erſten zuruͤckbringen ſollte, verhaͤrtete mehr nur
Jhre Herzen; und wuͤthender Neid ergriff ſie beym Anblick
Seines herrlichen Anzugs. Sie ſtrebten nach ſeiner Hoͤhe,
755Stunden von neuem in Schlachtordnung da, in ſchmeichelnder Hoffnung,
Wider den Hoͤchſten zuletzt und ſeinen Geſalbten den Vortheil
Mit Gewalt oder Liſt zu erhalten; und ſollt es nicht gluͤcken,
Endlich im allgemeinen Verderben vernichtet zu werden.
Und ſo nahten ſie ſich, (nicht Willens zu fliehn, noch zu weichen,)
760Zu der letzten entſcheidenden Schlacht; der Sohn des Allmaͤchtgen
Wandt ſich zu ſeinem geſammten Heer, indem er ſo anhub:

Steht hier ſtill in glaͤnzenden Reihen, ihr Heiligen; ſteht hier,
Jhr getreuen gewaffneten Engel, und ruhet vom Streite
Dieſen Tag; ihr habt getreu mit dem Beyfall des Hoͤchſten
765Furchtlos in ſeiner gerechten Sache den Krieg gefuͤhret;
Und nachdem ihrs empfangen, ſo habt ihr auch Thaten verrichtet,
Unuͤberwindlich! Doch hat er die Strafe der hoͤlliſchen Rotte
Einer ganz andern Hand beſtimmt; denn ſein iſt die Rache b),
Oder doch deſſen nur, dem er allein die Rache befiehlet.
770Große zahlreiche Mengen erfordert der heutige Tag nicht;
Steht nur ſtill, und ſchaut zu, wie itzo des Ewigen Rache
Dieſe
b) Roͤm. XII. 19. Die Rache iſt mein, ich will vergelten, ſpricht
der Herr.
K k 3
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[261/0285] Sechſter Geſang. Aus der Verzweiflung. Wie konnte ſolch eine verderbte Gemuͤthsart Himmliſche Geiſter beherrſchen! Doch was fuͤr Zeichen und Wunder Koͤnnen auf Stolze wirken, und Harte zum Nachgeben zwingen? Was ſie am erſten zuruͤckbringen ſollte, verhaͤrtete mehr nur Jhre Herzen; und wuͤthender Neid ergriff ſie beym Anblick Seines herrlichen Anzugs. Sie ſtrebten nach ſeiner Hoͤhe, Stunden von neuem in Schlachtordnung da, in ſchmeichelnder Hoffnung, Wider den Hoͤchſten zuletzt und ſeinen Geſalbten den Vortheil Mit Gewalt oder Liſt zu erhalten; und ſollt es nicht gluͤcken, Endlich im allgemeinen Verderben vernichtet zu werden. Und ſo nahten ſie ſich, (nicht Willens zu fliehn, noch zu weichen,) Zu der letzten entſcheidenden Schlacht; der Sohn des Allmaͤchtgen Wandt ſich zu ſeinem geſammten Heer, indem er ſo anhub: Steht hier ſtill in glaͤnzenden Reihen, ihr Heiligen; ſteht hier, Jhr getreuen gewaffneten Engel, und ruhet vom Streite Dieſen Tag; ihr habt getreu mit dem Beyfall des Hoͤchſten Furchtlos in ſeiner gerechten Sache den Krieg gefuͤhret; Und nachdem ihrs empfangen, ſo habt ihr auch Thaten verrichtet, Unuͤberwindlich! Doch hat er die Strafe der hoͤlliſchen Rotte Einer ganz andern Hand beſtimmt; denn ſein iſt die Rache b), Oder doch deſſen nur, dem er allein die Rache befiehlet. Große zahlreiche Mengen erfordert der heutige Tag nicht; Steht nur ſtill, und ſchaut zu, wie itzo des Ewigen Rache Dieſe b) Roͤm. XII. 19. Die Rache iſt mein, ich will vergelten, ſpricht der Herr. K k 3

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/285>, abgerufen am 21.11.2024.