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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zehnter Gesang.

Alles ist fortgepflanzter Fluch. O Stimme, die ehmals
Mir zu solchem Entzücken erscholl: seyd fruchtbar, und mehrt euch!
Jtzt zu hören, ein Tod! Denn was, was kann ich vermehren.
Was erzeugen, als Fluch auf mein Haupt? Wer wird nicht in allen
780Künftigen Altern mir fluchen, der nun das Elend empfindet,

Welches ich auf ihn gebracht? Daß unsern gefallenen Vater
Alles Unglück treffe! das haben wir Adam zu danken!
Welch ein entsetzlicher Dank; nur Fluch! So stürzet auf mich denn
Außer dem Uebel, das selbst mich erwartet, mit stürmischem Rückfluß
785Alles wieder zurück, was von mir Böses entsprungen;

Fällt auf mich, als seinen natürlichen Mittelpunkt nieder [Spaltenumbruch] x) ,
Schwer mich drückend, obgleich dieß sein gehöriger Platz ist.
O vergängliche Freuden des Paradieses! zu theuer,
Allzutheuer erkauft, mit ewigdaurenden Schmerzen!
790Fleht' ich, Schöpfer, dich an, aus meinem niedrigen Staube

Mich zum Menschen zu machen? und hab ich dich etwan gebethen,
Aus der Vergessenheit Nacht hervor mich zu ziehen, und hier mich
Jn den glücklichen Garten, in dieses Eden, zu setzen?
Da mein Wille mit nichts zu meinem Wesen geholfen:
795O so wär es auch billig und recht, mich wieder von neuem

Zu dem vorigen Staube zu machen! Jch bin es zufrieden,

Alles,
x) Die große Belesenheit, die Milton
in allen Arten von Schriftstellern besaß,
hat ihn verführt, auch in dieser sonst so
vortrefflichen Rede Adams manchmal
aus dem Charakter dieses unsers ersten
Stammvaters herauszufallen, und ihn
aiel gelehrter reden zu lassen, als es sich
[Spaltenumbruch] für ihn, und hauptsächlich für seinen
itzigen betrübten Zustand schickte. Ein
Beyspiel hievon ist diese Stelle, so wie
hernach das Wortspiel von der Ribbe
Vers 946. Es bleiben aber allezeit Feh-
ler, die nur ein großes Genie begehn
konnte. Z.
U 2

Zehnter Geſang.

Alles iſt fortgepflanzter Fluch. O Stimme, die ehmals
Mir zu ſolchem Entzuͤcken erſcholl: ſeyd fruchtbar, und mehrt euch!
Jtzt zu hoͤren, ein Tod! Denn was, was kann ich vermehren.
Was erzeugen, als Fluch auf mein Haupt? Wer wird nicht in allen
780Kuͤnftigen Altern mir fluchen, der nun das Elend empfindet,

Welches ich auf ihn gebracht? Daß unſern gefallenen Vater
Alles Ungluͤck treffe! das haben wir Adam zu danken!
Welch ein entſetzlicher Dank; nur Fluch! So ſtuͤrzet auf mich denn
Außer dem Uebel, das ſelbſt mich erwartet, mit ſtuͤrmiſchem Ruͤckfluß
785Alles wieder zuruͤck, was von mir Boͤſes entſprungen;

Faͤllt auf mich, als ſeinen natuͤrlichen Mittelpunkt nieder [Spaltenumbruch] x) ,
Schwer mich druͤckend, obgleich dieß ſein gehoͤriger Platz iſt.
O vergaͤngliche Freuden des Paradieſes! zu theuer,
Allzutheuer erkauft, mit ewigdaurenden Schmerzen!
790Fleht’ ich, Schoͤpfer, dich an, aus meinem niedrigen Staube

Mich zum Menſchen zu machen? und hab ich dich etwan gebethen,
Aus der Vergeſſenheit Nacht hervor mich zu ziehen, und hier mich
Jn den gluͤcklichen Garten, in dieſes Eden, zu ſetzen?
Da mein Wille mit nichts zu meinem Weſen geholfen:
795O ſo waͤr es auch billig und recht, mich wieder von neuem

Zu dem vorigen Staube zu machen! Jch bin es zufrieden,

Alles,
x) Die große Beleſenheit, die Milton
in allen Arten von Schriftſtellern beſaß,
hat ihn verfuͤhrt, auch in dieſer ſonſt ſo
vortrefflichen Rede Adams manchmal
aus dem Charakter dieſes unſers erſten
Stammvaters herauszufallen, und ihn
aiel gelehrter reden zu laſſen, als es ſich
[Spaltenumbruch] fuͤr ihn, und hauptſaͤchlich fuͤr ſeinen
itzigen betruͤbten Zuſtand ſchickte. Ein
Beyſpiel hievon iſt dieſe Stelle, ſo wie
hernach das Wortſpiel von der Ribbe
Vers 946. Es bleiben aber allezeit Feh-
ler, die nur ein großes Genie begehn
konnte. Z.
U 2
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[155/0177] Zehnter Geſang. Alles iſt fortgepflanzter Fluch. O Stimme, die ehmals Mir zu ſolchem Entzuͤcken erſcholl: ſeyd fruchtbar, und mehrt euch! Jtzt zu hoͤren, ein Tod! Denn was, was kann ich vermehren. Was erzeugen, als Fluch auf mein Haupt? Wer wird nicht in allen Kuͤnftigen Altern mir fluchen, der nun das Elend empfindet, Welches ich auf ihn gebracht? Daß unſern gefallenen Vater Alles Ungluͤck treffe! das haben wir Adam zu danken! Welch ein entſetzlicher Dank; nur Fluch! So ſtuͤrzet auf mich denn Außer dem Uebel, das ſelbſt mich erwartet, mit ſtuͤrmiſchem Ruͤckfluß Alles wieder zuruͤck, was von mir Boͤſes entſprungen; Faͤllt auf mich, als ſeinen natuͤrlichen Mittelpunkt nieder x) , Schwer mich druͤckend, obgleich dieß ſein gehoͤriger Platz iſt. O vergaͤngliche Freuden des Paradieſes! zu theuer, Allzutheuer erkauft, mit ewigdaurenden Schmerzen! Fleht’ ich, Schoͤpfer, dich an, aus meinem niedrigen Staube Mich zum Menſchen zu machen? und hab ich dich etwan gebethen, Aus der Vergeſſenheit Nacht hervor mich zu ziehen, und hier mich Jn den gluͤcklichen Garten, in dieſes Eden, zu ſetzen? Da mein Wille mit nichts zu meinem Weſen geholfen: O ſo waͤr es auch billig und recht, mich wieder von neuem Zu dem vorigen Staube zu machen! Jch bin es zufrieden, Alles, x) Die große Beleſenheit, die Milton in allen Arten von Schriftſtellern beſaß, hat ihn verfuͤhrt, auch in dieſer ſonſt ſo vortrefflichen Rede Adams manchmal aus dem Charakter dieſes unſers erſten Stammvaters herauszufallen, und ihn aiel gelehrter reden zu laſſen, als es ſich fuͤr ihn, und hauptſaͤchlich fuͤr ſeinen itzigen betruͤbten Zuſtand ſchickte. Ein Beyſpiel hievon iſt dieſe Stelle, ſo wie hernach das Wortſpiel von der Ribbe Vers 946. Es bleiben aber allezeit Feh- ler, die nur ein großes Genie begehn konnte. Z. U 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/177>, abgerufen am 23.11.2024.