Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilfter Gesang.

Die er vor uns nicht verbirgt; und alle die nützlichen Dinge,
Welche Freyheit und Ruh im Menschengeschlechte befestgen.
610Als sie nicht lange herum auf dieser Ebne gewandelt,

Siehe, da nahete sich zu ihnen aus ihren Gezelten
Eine Schaar von reizenden Frauen in üppigen Kleidern,
Prächtig und bunt, mit Juwelen bedeckt. Sie sangen bezaubernd
Jn die Harfe die zärtlichsten Lieder, und traten im Reigen
615Tanzend einher. Es sahn sie die Männer; so ernsthaft sie schienen,

Ließen sie zügellos doch die Augen schließen, bis alle
Plötzlich auf immer im Netze der Liebe gefangen sich sahen.
Jeder erwählte sich, die ihm gefiel; sie sprachen vertraulich,
Bis in Westen der Liebe Gestirn hellglänzend hervorgieng.
620Ganz in Feuer schwingen sie nun die leuchtenden Fackeln,

Rufen den Hymen an, den man bey diesen Gebräuchen
Jtzo zuerst verehrte. Von Festen, Musik, und Banketen,
Schallte jegliches Zelt. So manche frohe Verbindung,
Diese holden Geschäffte der Liebe der muntersten Jugend,
625Diese Gesänge, Blumen, und Kränze, die zaubrischen Töne

Lieblicher Saiten, besiegten das Herz des Ersten der Menschen.
Willig wollt er bereits sich dieser entzückenden Wollust
Ueberlassen, und goß so gegen den Engel sein Herz aus:

O erhabener seeligster Engel, du, der du mein Auge
630Wirklich eröffnest, wie sehr vergnügt mich dieses Gesichte!

Weit mehr Hoffnung seh ich darinn zu friedlichen Tagen,
Als
II. Theil. C c

Eilfter Geſang.

Die er vor uns nicht verbirgt; und alle die nuͤtzlichen Dinge,
Welche Freyheit und Ruh im Menſchengeſchlechte befeſtgen.
610Als ſie nicht lange herum auf dieſer Ebne gewandelt,

Siehe, da nahete ſich zu ihnen aus ihren Gezelten
Eine Schaar von reizenden Frauen in uͤppigen Kleidern,
Praͤchtig und bunt, mit Juwelen bedeckt. Sie ſangen bezaubernd
Jn die Harfe die zaͤrtlichſten Lieder, und traten im Reigen
615Tanzend einher. Es ſahn ſie die Maͤnner; ſo ernſthaft ſie ſchienen,

Ließen ſie zuͤgellos doch die Augen ſchließen, bis alle
Ploͤtzlich auf immer im Netze der Liebe gefangen ſich ſahen.
Jeder erwaͤhlte ſich, die ihm gefiel; ſie ſprachen vertraulich,
Bis in Weſten der Liebe Geſtirn hellglaͤnzend hervorgieng.
620Ganz in Feuer ſchwingen ſie nun die leuchtenden Fackeln,

Rufen den Hymen an, den man bey dieſen Gebraͤuchen
Jtzo zuerſt verehrte. Von Feſten, Muſik, und Banketen,
Schallte jegliches Zelt. So manche frohe Verbindung,
Dieſe holden Geſchaͤffte der Liebe der munterſten Jugend,
625Dieſe Geſaͤnge, Blumen, und Kraͤnze, die zaubriſchen Toͤne

Lieblicher Saiten, beſiegten das Herz des Erſten der Menſchen.
Willig wollt er bereits ſich dieſer entzuͤckenden Wolluſt
Ueberlaſſen, und goß ſo gegen den Engel ſein Herz aus:

O erhabener ſeeligſter Engel, du, der du mein Auge
630Wirklich eroͤffneſt, wie ſehr vergnuͤgt mich dieſes Geſichte!

Weit mehr Hoffnung ſeh ich darinn zu friedlichen Tagen,
Als
II. Theil. C c
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="36">
            <l>
              <pb facs="#f0225" n="201"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Eilfter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Die er vor uns nicht verbirgt; und alle die nu&#x0364;tzlichen Dinge,</l><lb/>
            <l>Welche Freyheit und Ruh im Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechte befe&#x017F;tgen.<lb/><note place="left">610</note>Als &#x017F;ie nicht lange herum auf die&#x017F;er Ebne gewandelt,</l><lb/>
            <l>Siehe, da nahete &#x017F;ich zu ihnen aus ihren Gezelten</l><lb/>
            <l>Eine Schaar von reizenden Frauen in u&#x0364;ppigen Kleidern,</l><lb/>
            <l>Pra&#x0364;chtig und bunt, mit Juwelen bedeckt. Sie &#x017F;angen bezaubernd</l><lb/>
            <l>Jn die Harfe die za&#x0364;rtlich&#x017F;ten Lieder, und traten im Reigen<lb/><note place="left">615</note>Tanzend einher. Es &#x017F;ahn &#x017F;ie die Ma&#x0364;nner; &#x017F;o ern&#x017F;thaft &#x017F;ie &#x017F;chienen,</l><lb/>
            <l>Ließen &#x017F;ie zu&#x0364;gellos doch die Augen &#x017F;chließen, bis alle</l><lb/>
            <l>Plo&#x0364;tzlich auf immer im Netze der Liebe gefangen &#x017F;ich &#x017F;ahen.</l><lb/>
            <l>Jeder erwa&#x0364;hlte &#x017F;ich, die ihm gefiel; &#x017F;ie &#x017F;prachen vertraulich,</l><lb/>
            <l>Bis in We&#x017F;ten der Liebe Ge&#x017F;tirn hellgla&#x0364;nzend hervorgieng.<lb/><note place="left">620</note>Ganz in Feuer &#x017F;chwingen &#x017F;ie nun die leuchtenden Fackeln,</l><lb/>
            <l>Rufen den <hi rendition="#fr">Hymen</hi> an, den man bey die&#x017F;en Gebra&#x0364;uchen</l><lb/>
            <l>Jtzo zuer&#x017F;t verehrte. Von Fe&#x017F;ten, Mu&#x017F;ik, und Banketen,</l><lb/>
            <l>Schallte jegliches Zelt. So manche frohe Verbindung,</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e holden Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte der Liebe der munter&#x017F;ten Jugend,<lb/><note place="left">625</note>Die&#x017F;e Ge&#x017F;a&#x0364;nge, Blumen, und Kra&#x0364;nze, die zaubri&#x017F;chen To&#x0364;ne</l><lb/>
            <l>Lieblicher Saiten, be&#x017F;iegten das Herz des Er&#x017F;ten der Men&#x017F;chen.</l><lb/>
            <l>Willig wollt er bereits &#x017F;ich die&#x017F;er entzu&#x0364;ckenden Wollu&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Ueberla&#x017F;&#x017F;en, und goß &#x017F;o gegen den Engel &#x017F;ein Herz aus:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="37">
            <l>O erhabener &#x017F;eelig&#x017F;ter Engel, du, der du mein Auge<lb/><note place="left">630</note>Wirklich ero&#x0364;ffne&#x017F;t, wie &#x017F;ehr vergnu&#x0364;gt mich die&#x017F;es Ge&#x017F;ichte!</l><lb/>
            <l>Weit mehr Hoffnung &#x017F;eh ich darinn zu friedlichen Tagen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> C c</fw><fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0225] Eilfter Geſang. Die er vor uns nicht verbirgt; und alle die nuͤtzlichen Dinge, Welche Freyheit und Ruh im Menſchengeſchlechte befeſtgen. Als ſie nicht lange herum auf dieſer Ebne gewandelt, Siehe, da nahete ſich zu ihnen aus ihren Gezelten Eine Schaar von reizenden Frauen in uͤppigen Kleidern, Praͤchtig und bunt, mit Juwelen bedeckt. Sie ſangen bezaubernd Jn die Harfe die zaͤrtlichſten Lieder, und traten im Reigen Tanzend einher. Es ſahn ſie die Maͤnner; ſo ernſthaft ſie ſchienen, Ließen ſie zuͤgellos doch die Augen ſchließen, bis alle Ploͤtzlich auf immer im Netze der Liebe gefangen ſich ſahen. Jeder erwaͤhlte ſich, die ihm gefiel; ſie ſprachen vertraulich, Bis in Weſten der Liebe Geſtirn hellglaͤnzend hervorgieng. Ganz in Feuer ſchwingen ſie nun die leuchtenden Fackeln, Rufen den Hymen an, den man bey dieſen Gebraͤuchen Jtzo zuerſt verehrte. Von Feſten, Muſik, und Banketen, Schallte jegliches Zelt. So manche frohe Verbindung, Dieſe holden Geſchaͤffte der Liebe der munterſten Jugend, Dieſe Geſaͤnge, Blumen, und Kraͤnze, die zaubriſchen Toͤne Lieblicher Saiten, beſiegten das Herz des Erſten der Menſchen. Willig wollt er bereits ſich dieſer entzuͤckenden Wolluſt Ueberlaſſen, und goß ſo gegen den Engel ſein Herz aus: O erhabener ſeeligſter Engel, du, der du mein Auge Wirklich eroͤffneſt, wie ſehr vergnuͤgt mich dieſes Geſichte! Weit mehr Hoffnung ſeh ich darinn zu friedlichen Tagen, Als II. Theil. C c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/225
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/225>, abgerufen am 23.11.2024.