Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Zu dem feuchten Rosenmunde, Laß es aber nun genug seyn! Mitternacht ist lang vorüber, Und nach solchen Wunderdingen, Mächtigen und ungewohnten, Lüstet mich nach Kindermährchen, Lieber Mann, ich weiß nicht wie! "Wohl! -- Schon auf des Meeres Grunde Sizt das Schiff mit Mann und Maus, Und die Sieben in die Runde Rufen: Schönster, tritt heraus! Rufen zierlich mit Verneigen: Komm! es soll dich nicht gereu'n; Woll'n dir unsre Kammer zeigen, Wollen deine Mägde seyn. -- Sieh, da tritt vom goldnen Borde
Der bethörte Königssohn, Und zu der korallnen Pforte Rennen sie mit ihm davon. Zu dem feuchten Roſenmunde, Laß es aber nun genug ſeyn! Mitternacht iſt lang voruͤber, Und nach ſolchen Wunderdingen, Maͤchtigen und ungewohnten, Luͤſtet mich nach Kindermaͤhrchen, Lieber Mann, ich weiß nicht wie! „Wohl! — Schon auf des Meeres Grunde Sizt das Schiff mit Mann und Maus, Und die Sieben in die Runde Rufen: Schoͤnſter, tritt heraus! Rufen zierlich mit Verneigen: Komm! es ſoll dich nicht gereu'n; Woll'n dir unſre Kammer zeigen, Wollen deine Maͤgde ſeyn. — Sieh, da tritt vom goldnen Borde
Der bethoͤrte Koͤnigsſohn, Und zu der korallnen Pforte Rennen ſie mit ihm davon. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="9"> <pb facs="#f0180" n="164"/> <l>Zu dem feuchten Roſenmunde,</l><lb/> <l>Zu den hyazintheblauen,</l><lb/> <l>Schon in Schlaf geſenkten Augen</l><lb/> <l>Der bethoͤrten Jungfrau hin.</l><lb/> <l>Dieſe meint im leichten Schlummer,</l><lb/> <l>Stets noch hoͤre ſie die Lehre</l><lb/> <l>Von der Erde, von dem Himmel,</l><lb/> <l>Vom Geſchick im Sternenkreiſe,</l><lb/> <l>Doch zulezt erwachet ſie:</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Laß es aber nun genug ſeyn!</l><lb/> <l>Mitternacht iſt lang voruͤber,</l><lb/> <l>Und nach ſolchen Wunderdingen,</l><lb/> <l>Maͤchtigen und ungewohnten,</l><lb/> <l>Luͤſtet mich nach Kindermaͤhrchen,</l><lb/> <l>Lieber Mann, ich weiß nicht wie!</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>„Wohl! — Schon auf des Meeres Grunde</l><lb/> <l>Sizt das Schiff mit Mann und Maus,</l><lb/> <l>Und die Sieben in die Runde</l><lb/> <l>Rufen: Schoͤnſter, tritt heraus!</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Rufen zierlich mit Verneigen:</l><lb/> <l>Komm! es ſoll dich nicht gereu'n;</l><lb/> <l>Woll'n dir unſre Kammer zeigen,</l><lb/> <l>Wollen deine Maͤgde ſeyn.</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>— Sieh, da tritt vom goldnen Borde</l><lb/> <l>Der bethoͤrte Koͤnigsſohn,</l><lb/> <l>Und zu der korallnen Pforte</l><lb/> <l>Rennen ſie mit ihm davon.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0180]
Zu dem feuchten Roſenmunde,
Zu den hyazintheblauen,
Schon in Schlaf geſenkten Augen
Der bethoͤrten Jungfrau hin.
Dieſe meint im leichten Schlummer,
Stets noch hoͤre ſie die Lehre
Von der Erde, von dem Himmel,
Vom Geſchick im Sternenkreiſe,
Doch zulezt erwachet ſie:
Laß es aber nun genug ſeyn!
Mitternacht iſt lang voruͤber,
Und nach ſolchen Wunderdingen,
Maͤchtigen und ungewohnten,
Luͤſtet mich nach Kindermaͤhrchen,
Lieber Mann, ich weiß nicht wie!
„Wohl! — Schon auf des Meeres Grunde
Sizt das Schiff mit Mann und Maus,
Und die Sieben in die Runde
Rufen: Schoͤnſter, tritt heraus!
Rufen zierlich mit Verneigen:
Komm! es ſoll dich nicht gereu'n;
Woll'n dir unſre Kammer zeigen,
Wollen deine Maͤgde ſeyn.
— Sieh, da tritt vom goldnen Borde
Der bethoͤrte Koͤnigsſohn,
Und zu der korallnen Pforte
Rennen ſie mit ihm davon.
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