Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Hastig entrauscht er dem Lager und stößt am niedrigen Rasch den Schieber zurück und horcht und sieht mit Ent¬Fenster setzen Rings im mondlichen Dorf der Scheuern finstere Nachen Offen stehn; da fährt er voll Angst in die lederne Hose (Beide Füße verkehrt den linken macht er zum rechten), Rüttelt sein Weib und redet zu ihr die eifrigen Worte: "Käthe, steh' auf! der sichere Mann -- ich hab' ihn ver¬ nommen -- Hat im Flecken übel handthiert und die Scheuern ge¬ plündert! Sieh mir im Hause nach und im Stall! Ich laufe zum Schulzen." Also stürmt er hinaus. Doch im Hofe thut er erst selber Einen Blick in die Ställe, ob auch das Vieh noch vor¬ handen. Aber da fehlte kein Stück, und die Schecke muht ihm entgegen, Meint, es wär' Fütternszeit; er aber eilt in die Gasse, Klopft unterwegs dem Büttel am Laden und ruft ihm das Wort zu: "Michel, steh' auf! mach' Lärm! der Suckelborst hat den Flecken Heimgesucht und die Scheuern erbrochen und übel gewirth¬ schaft't!" Solches noch redend war er schon weiter und weckte den Schultheiß, Weckte den Burgermeister und alle seine Gefreundte. Haſtig entrauſcht er dem Lager und ſtoͤßt am niedrigen Raſch den Schieber zuruͤck und horcht und ſieht mit Ent¬Fenſter ſetzen Rings im mondlichen Dorf der Scheuern finſtere Nachen Offen ſtehn; da faͤhrt er voll Angſt in die lederne Hoſe (Beide Fuͤße verkehrt den linken macht er zum rechten), Ruͤttelt ſein Weib und redet zu ihr die eifrigen Worte: „Kaͤthe, ſteh' auf! der ſichere Mann — ich hab' ihn ver¬ nommen — Hat im Flecken uͤbel handthiert und die Scheuern ge¬ pluͤndert! Sieh mir im Hauſe nach und im Stall! Ich laufe zum Schulzen.“ Alſo ſtuͤrmt er hinaus. Doch im Hofe thut er erſt ſelber Einen Blick in die Staͤlle, ob auch das Vieh noch vor¬ handen. Aber da fehlte kein Stuͤck, und die Schecke muht ihm entgegen, Meint, es waͤr' Fuͤtternszeit; er aber eilt in die Gaſſe, Klopft unterwegs dem Buͤttel am Laden und ruft ihm das Wort zu: „Michel, ſteh' auf! mach' Laͤrm! der Suckelborſt hat den Flecken Heimgeſucht und die Scheuern erbrochen und uͤbel gewirth¬ ſchaft't!“ Solches noch redend war er ſchon weiter und weckte den Schultheiß, Weckte den Burgermeiſter und alle ſeine Gefreundte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <pb facs="#f0198" n="182"/> <l rendition="#et">Haſtig entrauſcht er dem Lager und ſtoͤßt am niedrigen<lb/><hi rendition="#et">Fenſter</hi></l><lb/> <l>Raſch den Schieber zuruͤck und horcht und ſieht mit Ent¬<lb/><hi rendition="#et">ſetzen</hi></l><lb/> <l>Rings im mondlichen Dorf der Scheuern finſtere Nachen</l><lb/> <l>Offen ſtehn; da faͤhrt er voll Angſt in die lederne Hoſe</l><lb/> <l>(Beide Fuͤße verkehrt den linken macht er zum rechten),</l><lb/> <l>Ruͤttelt ſein Weib und redet zu ihr die eifrigen Worte:</l><lb/> <l>„Kaͤthe, ſteh' auf! der ſichere Mann — ich hab' ihn ver¬<lb/><hi rendition="#et">nommen —</hi></l><lb/> <l>Hat im Flecken uͤbel handthiert und die Scheuern ge¬<lb/><hi rendition="#et">pluͤndert!</hi></l><lb/> <l>Sieh mir im Hauſe nach und im Stall! Ich laufe zum<lb/><hi rendition="#et">Schulzen.“</hi></l><lb/> <l>Alſo ſtuͤrmt er hinaus. Doch im Hofe thut er erſt ſelber</l><lb/> <l>Einen Blick in die Staͤlle, ob auch das Vieh noch vor¬<lb/><hi rendition="#et">handen.</hi></l><lb/> <l>Aber da fehlte kein Stuͤck, und die Schecke muht ihm<lb/><hi rendition="#et">entgegen,</hi></l><lb/> <l>Meint, es waͤr' Fuͤtternszeit; er aber eilt in die Gaſſe,</l><lb/> <l>Klopft unterwegs dem Buͤttel am Laden und ruft ihm<lb/><hi rendition="#et">das Wort zu:</hi></l><lb/> <l>„Michel, ſteh' auf! mach' Laͤrm! der Suckelborſt hat den<lb/><hi rendition="#et">Flecken</hi></l><lb/> <l>Heimgeſucht und die Scheuern erbrochen und uͤbel gewirth¬<lb/><hi rendition="#et">ſchaft't!“</hi></l><lb/> <l>Solches noch redend war er ſchon weiter und weckte den<lb/><hi rendition="#et">Schultheiß,</hi></l><lb/> <l>Weckte den Burgermeiſter und alle ſeine Gefreundte.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [182/0198]
Haſtig entrauſcht er dem Lager und ſtoͤßt am niedrigen
Fenſter
Raſch den Schieber zuruͤck und horcht und ſieht mit Ent¬
ſetzen
Rings im mondlichen Dorf der Scheuern finſtere Nachen
Offen ſtehn; da faͤhrt er voll Angſt in die lederne Hoſe
(Beide Fuͤße verkehrt den linken macht er zum rechten),
Ruͤttelt ſein Weib und redet zu ihr die eifrigen Worte:
„Kaͤthe, ſteh' auf! der ſichere Mann — ich hab' ihn ver¬
nommen —
Hat im Flecken uͤbel handthiert und die Scheuern ge¬
pluͤndert!
Sieh mir im Hauſe nach und im Stall! Ich laufe zum
Schulzen.“
Alſo ſtuͤrmt er hinaus. Doch im Hofe thut er erſt ſelber
Einen Blick in die Staͤlle, ob auch das Vieh noch vor¬
handen.
Aber da fehlte kein Stuͤck, und die Schecke muht ihm
entgegen,
Meint, es waͤr' Fuͤtternszeit; er aber eilt in die Gaſſe,
Klopft unterwegs dem Buͤttel am Laden und ruft ihm
das Wort zu:
„Michel, ſteh' auf! mach' Laͤrm! der Suckelborſt hat den
Flecken
Heimgeſucht und die Scheuern erbrochen und uͤbel gewirth¬
ſchaft't!“
Solches noch redend war er ſchon weiter und weckte den
Schultheiß,
Weckte den Burgermeiſter und alle ſeine Gefreundte.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/198>, abgerufen am 16.02.2025. |