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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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ich bitte Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da
Sie in jener Nacht die Feder weglegten!"

Er blickte, wie aus einer stillen Träumerei er¬
muntert, helle zu ihr auf, besann sich schnell und
sagte, halb zu der Dame, halb zu seiner Frau:
"Nun ja, mir schwankte wohl zuletzt der Kopf. Ich
hatte dieß verzweifelte Dibattimento, bis zu dem Chor
der Geister, in Einer Hitze fort, beim offenen Fen¬
ster, zu Ende geschrieben, und stand nach einer kurzen
Rast vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Ca¬
binet zu gehen, damit wir noch ein bischen plaudern
und sich mein Blut ausgleiche. Da machte ein über¬
querer Gedanke mich mitten im Zimmer still stehen."
(Hier sah er zwei Sekunden lang zu Boden, und
sein Ton verrieth beim Folgenden eine kaum merkbare
Bewegung.) "Ich sagte zu mir selbst: wenn du noch
diese Nacht wegstürbest, und müßtest deine Partitur
an diesem Punkt verlassen: ob dir's auch Ruh im
Grabe ließ'? -- Mein Auge hing am Docht des
Lichts in meiner Hand und auf den Bergen von ab¬
getropftem Wachs. Ein Schmerz bei dieser Vorstel¬
lung durchzückte mich einen Moment; dann dacht' ich
weiter: wenn denn hernach über kurz oder lang ein
anderer, vielleicht gar so ein Wälscher, die Oper zu

ich bitte Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da
Sie in jener Nacht die Feder weglegten!“

Er blickte, wie aus einer ſtillen Träumerei er¬
muntert, helle zu ihr auf, beſann ſich ſchnell und
ſagte, halb zu der Dame, halb zu ſeiner Frau:
„Nun ja, mir ſchwankte wohl zuletzt der Kopf. Ich
hatte dieß verzweifelte Dibattimento, bis zu dem Chor
der Geiſter, in Einer Hitze fort, beim offenen Fen¬
ſter, zu Ende geſchrieben, und ſtand nach einer kurzen
Raſt vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Ca¬
binet zu gehen, damit wir noch ein bischen plaudern
und ſich mein Blut ausgleiche. Da machte ein über¬
querer Gedanke mich mitten im Zimmer ſtill ſtehen.“
(Hier ſah er zwei Sekunden lang zu Boden, und
ſein Ton verrieth beim Folgenden eine kaum merkbare
Bewegung.) „Ich ſagte zu mir ſelbſt: wenn du noch
dieſe Nacht wegſtürbeſt, und müßteſt deine Partitur
an dieſem Punkt verlaſſen: ob dir's auch Ruh im
Grabe ließ'? — Mein Auge hing am Docht des
Lichts in meiner Hand und auf den Bergen von ab¬
getropftem Wachs. Ein Schmerz bei dieſer Vorſtel¬
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[105/0117] ich bitte Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da Sie in jener Nacht die Feder weglegten!“ Er blickte, wie aus einer ſtillen Träumerei er¬ muntert, helle zu ihr auf, beſann ſich ſchnell und ſagte, halb zu der Dame, halb zu ſeiner Frau: „Nun ja, mir ſchwankte wohl zuletzt der Kopf. Ich hatte dieß verzweifelte Dibattimento, bis zu dem Chor der Geiſter, in Einer Hitze fort, beim offenen Fen¬ ſter, zu Ende geſchrieben, und ſtand nach einer kurzen Raſt vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Ca¬ binet zu gehen, damit wir noch ein bischen plaudern und ſich mein Blut ausgleiche. Da machte ein über¬ querer Gedanke mich mitten im Zimmer ſtill ſtehen.“ (Hier ſah er zwei Sekunden lang zu Boden, und ſein Ton verrieth beim Folgenden eine kaum merkbare Bewegung.) „Ich ſagte zu mir ſelbſt: wenn du noch dieſe Nacht wegſtürbeſt, und müßteſt deine Partitur an dieſem Punkt verlaſſen: ob dir's auch Ruh im Grabe ließ'? — Mein Auge hing am Docht des Lichts in meiner Hand und auf den Bergen von ab¬ getropftem Wachs. Ein Schmerz bei dieſer Vorſtel¬ lung durchzückte mich einen Moment; dann dacht' ich weiter: wenn denn hernach über kurz oder lang ein anderer, vielleicht gar ſo ein Wälſcher, die Oper zu

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/117>, abgerufen am 09.11.2024.